2) Memory of the Deceased

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"So viel wird geschehen,
So viel wird vergehen,
Du bleibst Teil meiner Welt" - Eisblume

//"Es ist sooo warm!" Das Gemotze des Blonden drang zu der Rothaarigen und Allison konnte nur mit einem Nicken antworten. Es war Hochsommer und die Beiden Kinder hatten ausnahmsweise einmal keine Lust irgendwo herum zu toben. Also saßen sie nur grübelnd im Garten von Larry und überlegten was sie tun könnten.
"Lass uns doch Eis essen gehen!" Die spontane Idee von Allison gefiel Laurence sofort und mit einem Lächeln im Gesicht sprangen die Beiden auf.
"Ich geh gerad meiner Mutter Bescheid geben, kommst du dann gleich zu mir?"
Laurence antworte mit einem Nicken und sofort sprintete das Mädchen los. Sie hatte es ja nicht weit, schließlich lagen ihre Häuser direkt gegenüber. Auf Grund der Tatsache, dass es Sommer war, ging Allisom über die Autoeinfahrt in den Garten, hinter ihrem Haus und über die Treppen auf ihrem Balkon. Sie ahnte nichts Böses, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte. Und das Schlimme daran war, dass ihre Mutter sich furchtbar anhörte.  Um allerdings nicht in diese Problematik mitreingezogen zu werden rief die Rothaarige einfach durchs Haus, dass sie Eis essen ging. Allerdings erschien in dem Moment ihre Mutter vor ihr und sofort erstarrte das junge Mädchen. Der Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter war furchtbar - irgengetwas schien geschehen zu sein.
"Allison...etwas ist passiert...Beate...Sie ist gerade eben gestorben..."
Beate - Tod?  Das Gehirn von Allison rebellierte. Was erzählte ihre Mutter da für einen Unsinn? Sie hatte Beate doch erst letztens nach deren kurzen Krankenhausaufenthaltes wieder gesehen. Ihr musste es also gut gehen?! Mal abgesehen davon war Beate doch noch viel zu jung - gerade erst irgendetwas über 50 !!!
"Sie...hatte einen Herzinfakt bei ihrem Hausarzt, er... Er konnte nichts mehr machen..." Allisons Mutter stotterte weiter und konnte selber kaum die Tränen zurück halten. Vielleicht wollte sie die Fassung bewahren um Allison irgendeinen Halt zu geben, doch das war vergeblich. Dem Mädchen stiegen schon die Tränen in die Augen und ein Schmerz baute sich in ihrer Brust auf, den man kaum ertragen konnte. Das alles konnte nicht wahr sein, konnte nur eine Lüge sein...
"Ring..." Das war die Türklingel und ohne bis jetzt etwas gesagt zu haben ging Allison wie in einem benebelten Zustand zu der Haustür. Vor dieser stand Larry, der nun seine beste Freundin, die nicht mehr aufhörte zu heulen, komplett entgeistert ansah. "Wir...können nicht Eis...Beate...Beate..ist...Tod..." Allison verlor ihre Stimme und schaute in die Augen Laurence. Sie hoffte dort eine Stütze zu finden, doch dieser schaute sie nur verzweifelt an. Er wusste nicht was er tun sollte, wie er zu reagieren hatte. Allison sah ihm dies sofort an. Somit nahm sie ihm die Entscheidung ab. Sie schloss die Tür und verschwand ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer...und heulte...und fing an sich zu verändern...

"Beate..."

Meine eigene Stimme war es, die mich weckte. Ich schreckte augenblicklich hoch und bemerkte sofort das mein ganzer Körper zitterte und schweißdurchnässt war. Zudem fühlte ich mich schrecklich, da mir der Traum immer noch in Mark und Bein steckte. Dabei hatte ich so sehr gehofft, nicht mehr daran denken zu müssen - nicht mehr an diesen unheimlichen Verlust.

Fast unbewusst erhob ich mich von meinem Bett und bewegte mich auf die gegenüber liegende Seite zu. Ohne lange zu überlegen griff ich gezielt einen Fächer, den ich sofort an mich drückte und dessen Geruch ich tief einatmete. Beate... Obwohl der Fächer schon seit mehreren Jahren in meinem Besitz war, so hatte er immer noch den verrauchten, aromatisierten Geruch von ihr - von meiner geliebten 'Zweitmutter'. Zur Erklärung: Wir waren nicht wirklich verwandt gewesen, aber ich hatte unfassbar viel Zeit bei meinen Nachbarn verbracht. Sie waren es auch gewesen, die mich mit ins Disneyland nahmen, die mir Sudokus beibrachten oder auf meinem Wunsch hin, mit Dragonball schauten. Meine Nachbarn waren mein Ein und Alles und Beate...Nun Beate war neben meiner Familie und Larry, die wichtigste Person auf Erden für mich.

Immer noch zitternd atmete ich langsam aus und legte den Fächer wieder an seinen Stammplatz. Diesen Fächer schenkte sie mir einmal nach einem Urlaub. Sie hatte mir immer etwas mitgebracht, hatte immer an mich gedacht und mich wie eine Tochter behütet. Sie selber hatte nie ein Kind, wir vermuten sie war nicht in der Lage dazu gewesen ein Kind zu gebären,  aber das war inzwischen unwichtig. Schließlich war sie  tot - und würde niemals mehr zurück kommen.

Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr bändigen und musste wie ein Schlosshund losheulen. Ich hatte schon viele Personen verloren, viele Unwichtige, doch auch erstaunlich viele Verwandte. Die Erste wichtige Person, verlor ich als ich 8 Jahre alt war. Damals war es meine "Tante" gewesen, eine Frau zu der ich mit Larry immer im Sommer, durch den Wald hinter meinem Garten, gegangen war. Sie hatte immer ein Eis für uns Parat und kümmerte sich um uns. Dieser Verlust war das erst Mal das ich Schmerzen in meinem Herz spürte, doch zwei Jahre später passierte das größere Übel - meine Oma Vaterseits starb. Ich liebte meine Oma, sie gab uns Kirmesgeld, feierte mit uns Weihnachten und bei ihr gab es an Fasching immer Malzbier. Als meine Oma starb, starb ein Teil in mir, ich meine ich war zwar schon 10 Jahre alt, aber es zerstörte mich trotzdem. Jedenfalls konnte ich mich noch gut an die Worte meiner Oma mutterseits erinnern. Auf der Beerdigung sagte diese nämlich zu mir: "Jetzt werde ich eben für Zwei da sein!"

Ich konnte ihr nie sagen wie viel mir diese Worte bedeutet hatten, denn weder ihr noch überhaupt jemanden konnte ich jemals "Tschüss" sagen. Meine eine Oma war an einem plötzlichen Schwächeanfall gestorben und meine zweite Oma starb einige Jahre später an einer geplatzten Arterie im Gehirn... Doch all diese Tode waren nichts im Vergleich zu Beate, denn alleine wenn ich ihren Namen schon hörte musste ich anfangen zu heulen. Ich hab bisher niemanden erzählen können wie traurig es mich machte, dass ich Beate niemals hatte sagen können, wie sehr ich sie geliebt hatte, mich niemals hab verabschieden können. Doch das Schlimmste war die Tatsache,  dass ich nichtmals mehr an die positiven Momente denken konnte, ohne in Tränen auszubrechen. Sie hatte ein wundervolles Leben, mit Höhen und Tiefen, aber sie hinterließ ein verdammtes Loch in meinem Herzen.

Der einzige Lichtfleck, der dieses Loch ein wenig ausfüllte war Larry gewesen - doch wie ich schon gesagt hatte, auch er verschwand irgendwann.

Komplett aufgewühlt fiel mein Blick auf meine Uhr. Es war gerade mal 3 Uhr, somit hatte ich noch genug Zeit mich zu beruhigen, bevor der Schulalltag losging. Folglich schleppte ich mich mehr schlecht als recht wieder zurück ins Bett und fiel sofort wieder in einen festen Schlaf.

~ gezeichnet Nyuu ~

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