Ich saß in unserer Wohnung und starrte es an. Dieses Bild, welches tausende Emotionen in mir auslöst, jedoch auch Milliarden löscht. Ich sitze hier auf dem Boden und sehe wie mein Freund einem Arm um mich gelegt hatte, um ein schönes Foto zu haben. Seine Augen waren ganz woanders drauf fokussiert. Das es mir nicht früher auffiel. Während ich in die Kamera lächelte guckte er in die andere Richtung. Mir wurde immer schmerzhafter bewusst mit was einem Idiot zusammen lebe. Wütend auf mich selbst schmiss ich das Bild an den Spiegel, welcher zersprang. Ich sah mein Spiegelbild in Scherben. Nein, ich sah mich, denn ich war ein einziger Scherbenhaufen. Ich merkte wieder, wie die ersten Tränen kamen und lief ins Bad. Ich nahm meine Klinge und suchte eine freie Stelle. 'Du hast es nicht verdient hübsch zu sein!', schrie ich mich in Gedanken an. 'Dafür müsste ich erstmals hübsch sein!'. Es ging wieder los; jedes Mal fing ich an mir selbst zu widersprechen. Man könnte es mit dem Teufelchen und Engelchen auf den Schultern vergleichen. Nur das auch der Engel gemein zu mir war. Der erste Schnitt war getan und meine Gedanken waren ruhig. Noch ein Schnitt, so langsam konnte ich wieder klarer denken. Und der Dritte, das benommene Gefühl verschwand und ich spürte ein leichtes Kribbeln. "Hey Honey, ich bin wieder da.", hörte ich seine Stimme. In mir kam ein unwohles Gefühl auf. Schnell packte ich die Klinge weg und wischte das Blut weg. "Hey...", sagte ich nur und ging zu ihm. Doch auf einmal wurde er wütend: "Sag mal, warst du das? Was sollte das? Bist du verrückt geworden? Du kannst doch nicht einfach unsere Sachen kaputt machen!", ich sah runter. Dort lagen noch die Scherben. Dann wollen wir mal starten. Ich wette er fällt durch alle Teste durch. "Weißt du, ich finde dieses Spiegelbild passt besser zu mir. Es spiegelt mich so besser." "Es spiegelt dich so besser? Bist du noch ganz dicht? Daran kann man sich nur verletzen, und wo soll ich mir morgens nun die Krawatte zurecht machen? Hm?", durchgefallen. Ich sah ihn einfach nur an. "Und jetzt sagst du gar nichts, was? Du bist Feige. Du schuldest mir eine Erklärung!", ich sah ihn weiterhin stumpf an. Langsam hob ich meinen Arm mit den frischen Schnitten und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Das wird mir zu blöd.", murmelte er nur noch vor sich hin und verließ den Raum. Wieder null Punkte. Seufzend ging ich ebenfalls aus dem Raum. Zurück ins Badezimmer. Ich halte dieses Gefühl nicht mehr aus. Der seelische Schmerz muss raus. Und das funktioniert am Besten, wenn man sich physisch verletzt.
Nach dem ich meine Schmerz-Therapie hinter mir hatte, legte ich mich ins Bett. Nach einer kurzen Weile kam er auch hinzu. ich bemerkte wie er versuchte sich an mich ran zu kuscheln. "Es tut mir Leid Schatz. Ich wollte nicht so böse werden.". Ich rutsche einfach ein Stück weiter weg. "Was ist los Baby? Du benimmst dich in letzter zeit so komisch, als ob ich dich gar nicht kennen würde." "Ich kann dir gar nicht fremd sein, denn ich bin dein.", murmelte ich nur. Nun drehte er mich um und guckte mir ins Gesicht. "Leider ist es nicht so." "Dann kann ich ja schlecht dein sein.", erwiderte ich und stand auf. "Was soll das jetzt heißen?" "Das soll heißen, dass wir kein Paar mehr sind und ich lieber auf dem Sofa schlafen sollte.", er blickte mich total verwirrt an. "Nein, so war das doch gar nicht gemeint! Ich mein bloß-", "Nein, nein. Ist schon gut. Wenn ich ehrlich bin, finde ich es so auch besser." "Was zur Hölle? Du wirst mich nicht verlassen!", rief er aufgebracht. "Weißt du, früher waren wir eins, aber du kommst auch noch zur Einsicht." "Nein, das kannst du vergessen!", wütend sprang er aus dem Bett. Plötzlich elektrisierte sich meine Haut und ich spürte wieder etwas. Wut, Trauer und Adrenalin. Grob packte er mich am Arm. Einen Aufschrei konnte ich nicht verhindern, da ich nun den vollen Schmerz spürte. "Leon, lass mich los!" "Bleib bei mir Mina, bitte!", ich spürte wie sich sein Griff lockerte. "Nenn mich nicht so!", ich sah ihn mit Tränen in den Augen an. Doch er hob nur fasziniert seine Hand und betrachtete das Blut. Nun hob er auch meinen Arm. "Warum?", wisperte er und sah mich mitleidig und traurig an. "Da gibt es so viele und doch nur einen Grund: Du. Du zerstörst mich. Muss es weh tun einfach nur einzuatmen und zu wissen wo man steht? Müssen Tränen schmerzen, weil sie grausame Erinnerungen aufbringen? Muss ich mich ritzen um vor dem betäubenden Gefühl davon zu rennen. Dieses Gefühl was einen innerlich zerstört? Muss ich mich kalt fühlen als ob ich tot wäre?" "Du solltest es nie. Nermin, es tut mir so Leid, dir solche Schmerzen angetan zu haben. Bitte, verzeih mir. Ich liebe dich. Ich brauche dich.", ich sah ihn kalt an und lachte bitter: "Nein, das ist alles gelogen. Du weißt das ich eine eher psychisch labile Person bin. Du weißt, dass es unverzeihlich ist das Vertrauen anderer zu missbrauchen. Und du liebst mich nicht. Sonst hättest du mich nicht mehrere Male betrogen. Du brauchst mich nur um zu putzen! Würdest du mich lieben, dann würdest du schon vor Monaten diese Narben gesehen haben. Allein schon an dem Ausdruck in meinen Augen! Ich will leben und deswegen sollte ich weg von dir."
Ich trennte mich von Leon, da ich wusste, dass es keinen Sinn hatte sich mit so einer Person abzugeben. Vielleicht können wir beide noch dazu lernen. Vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder...
...wenn die Narben verheilt sind.