Meine Lunge atmet Smog ein. Hmmm, wie ich diesen Geruch vermisst habe. Aber da sehe ich ihn bereits und setzte ein Lächeln auf. Mit Kopfhörern in den Ohren trommelt er auf seinen Oberschenkel. Sowie mich der Wunsch, etwas in dieser Welt zu verändern, am leben hält, so ist es für ihn der Bass. Er sieht zu mir auf und grinst dreckig. Ich würde am liebsten kotzen. Meine langen blonden Haare schwangen, während ich auf ihn zugelaufen kam. Er setzt seine Kapuze ab und zieht mich an meiner Hand zu sich: "Hallo Hübsche, ich hab dich vermisst. Wie war deine Fahrt?" Ich wollte grade zum Erzählen ansetzen, da unterbrach er mich grinsend wieder. "Erzähl es mir später, lass uns erstmal nach Hause." Ich schlucke leise und gucke auf den Boden. Wieso, zum fick, lass ich das mit mir machen? Ich meine, ich bin stärker als das, ich bin stärker als er. Er ist wie die Menschen, die aus dem Bahnhof strömen. Sie lieben es über Schwächere, ihre Macht aus zu üben. Sie halten Schwächere für minderwertig, genauso sieht er mich an. Ich bin ein Nichts, in seinen Augen und grade weil ich das weiß bleibe ich bei ihm, schon beinahe 4Jahre. Aber jetzt erst einmal zu mir. Ich heiße Enaja Harmon, bin süße 20 Jahre alt, ca. 1.70 m groß, habe blaue Augen und damals noch , wie bereits erwähnt, blonde Haare. Mein Freund ist ein ziemlich verkorkster, grober und nicht zuletzt dummer Mann, der auf den Namen Finn hört und 23 Jahre alt ist. "Eni?" "Hmmm?" "Ich bin froh das du hier bist." Ich antworte nicht. Ich höre, was er sagt und hoffe auch, dass er es so meint, wie normale, gute Menschen es meinen würden. Aber nicht Finn. Dieser versteckte Unterton, dieser spöttische Gesichtsausdruck. Wie man zu diesem Zeitpunkt bereits merkt, war meine Seele bei ihm gespalten. Ich kann nun mal nicht aus meiner Haut. Ich bin wie ich bin und ich glaube auch heute noch daran das er sich geändert hat oder ändern kann, aber ,und das ist ein riesen Aber, er hat alles dafür getan, mir weh zu tun und das werde ich ihm niemals und unter keinen Umständen verzeihen. Zurück zum Wesentlichen. Finn redet die ganze Fahrt über unsere Pläne für die nächsten Wochen. Ich nicke beiläufig und sehe mich um. Plötzlich schiebt sich seine Hand, für andere unauffällig unter meinen Rock. "Wenn du mir keine Aufmerksamkeit schenkst muss ich sie mir anders holen, mein Engel", seine Worte klingen wie eine derbe Beleidigung und ich werde nervös. "Nicht... Nicht hier, bitte." "Zuhause bist du fällig!" Ich schlucke wieder. Ich hatte es hinausgezögert und doch war ich kein Stück weiter. Das Versprechen muss ich wohl oder übel noch erfüllen. Atmen Eni, atmen. Zuhause werde ich grob in die Wohnung geschupst. Meine Werten Damen und Herren, denke ich, das ist Finn wie er leibt und lebt. Wer eben noch dachte er wäre ein, zwar sehr dominanter aber netter Mann, wird von den folgenden Szenen ein wenig geschockt sein. Die Haustür fällt ins Schloss und mir wird damit, schmerzlich schockierend bewusst das ich mich in der Höhle des Löwen befinde und wohl oder übel mit mehr als ein paar blauen Flecken nach Hause fahren werde. Die erste Backpfeife sitzt. Meine Wange pocht und tränen steigen mir in die Augen. Nicht weinen Eni, wenn du jetzt weinst, wird alles noch viel schlimmer. Aus meinen Gedanken werde ich von seinem immer noch andauernden Schreien geholt,"... wenn Ich mit dir rede hörst du zu! Ich rede doch nicht mit einer Wand. Sei doch froh das ich mich mit dir unterhalte, obwohl du es nicht mal Wert bist." Die nächste Backpfeife sitz noch besser. Ich atme tief durch. Die nächste Szene an die ich mich nach der Situation noch verschwommen erinnere war wie er mich auf sein Bett drückte. Ich höre mich selbst schreien und flehen und dann fließt die Situation auch schon wieder in die dunkle Wolke und ich tiefer in meine melancholischen Gedanken.
Ich sitze in der S-Bahn. Wieder ein Kind mit seiner Mutter doch diesmal circa 3 Jahre älter. Das Mädchen redet wie ein Wasserfall von ihren Erlebnissen im Kindergarten. Die Mutter schaut nur auf ihr Handy, hört dem Kind weder zu noch gibt sie der Maus eine Antwort auf ihre Geschichten. Wie man aus einem aufgeweckten wissbegierigen kleinen Wesen, einen in sich verschlossenen jungen Menschen, ohne Vertrauen in die Menschheit macht? Die Frau beherrscht das Handwerk. Irgendwann verstummt jede noch so starke Seele und die Eltern versuchen die Schuld in ihren Kindern zu suchen. Das Sie Jahre vorher die Fehler gemacht haben, merken sie selten.
Ich werde wachgerüttelt. Finn entschuldigt sich flehend bei mir für den Wutanfall. Ich umarme ihn, er kann nichts dafür. Er ist nur eine Hülle seiner Selbst. Er will mir nicht wehtun. Ein Mantra, das sich die nächsten Wochen wohl nicht selten wiederholen wird. "Ist schon ok....",sage ich leise. Meine Stimme spricht bände. Finn umarmt mich und flüstert mir irgendeine Beziehungsphrase zu. Ob es ein ich liebe dich war, kann ich euch heute nicht mehr sagen. Aber ich habe ihn damals noch geliebt. Er war mein Retter. Mein Heiliger. Er durfte sich auch mal Ausrutscher leisten. Ich gehe ins Bad und sehe mich im Spiegel an. Haare zerzaust. Klamotten weitestgehend heile. Meine Lippe, aufgeplatzt. Ich dusche, fühle mich widerwertig und überhaupt noch viel ekliger als das Elternpaar aus dem Zug. Ich atme ein und leise aus, während das heiße Wasser meinen Rücken hinunter läuft . Ich spüre seine Hände an mir. "Geht's wieder?", flüstert er leise. "Das muss aufhören Finn... Irgendwann bringst du mich noch um...." "Ich weiß... ich brauch Hilfe und meine einzige Hilfe bist du Eni." Wie kann ein Mann so sein? Erst Abschaum der Menschheit, dann liebevoll und Herzerwärmend. Was ich aus dieser Szene in meinem Leben gelernt habe, fragt ihr euch? Menschen sind nie das, was sie vorgeben zu sein.
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Gutmensch - Eine Welt voller Egoisten und Idealisten
RandomGutmenschen sind, laut Definition, meist naive Menschen, welche sich in einer als unkritisch, übertrieben, nervtötend empfundenen Weise im Sinne der Political Correctness verhalten und sich für die Political Correctness einsetzen. Enaja Harmon ist...