Teil 2 - Falscher Stolz

4.5K 217 24
                                    

Kaum zu glauben, dass diese Jungs nach dem Training überhaupt noch stehen konnten. Die Ausdauer dieser Typen war doch mehr als überragend. "Hier.", hörte ich Oikawa neben mir sagen als er mir freudestrahlend meine Trinkflasche hin hielt. "Danke." Meine Hoffnung, dass er nun verschwinden würde, blieb aus. Stattdessen lehnte er sich neben mich an die Hallenwand. Von weitem hörten wir den Coach zum Aufräumen rufen. "Du bist wirklich nicht schlecht. Kein Wunder dass Iwa-chan ein Auge auf dich geworfen hat." Meine Verwirrung musste mir wohl ins Gesicht geschrieben stehen. Denn der Braunschopf antwortete mit einem freudigen Grinsen darauf. Ich konnte nicht anders als mich darüber zu ärgern. Grummelnd nahm ich einen Schluck aus meiner Flasche. "Dann sollte er es wohl besser wieder aufsammeln. Wäre schade wenn jemand auf sein süßes Auge tritt.", spie ich dem Setter entgegen und stieß mich von der Wand ab. Natürlich reihte ich mich in die Gruppe ein und half bei der Reinigung der Halle. Die grünen Augen, die mich durchgehend beobachteten, bemerkte ich kaum.

Erstaunlicherweise verstand sich die Gruppe der Jungen recht gut mit mir. Selten hatte ich solch offene Menschen erlebt. Hanamaki hatte also nicht zu viel versprochen als er von einem Hammer Team sprach. Einige hatten sogar angeboten mit mir ein Stück in Richtung Heimat zu gehen. Sie hatten den selben Weg. Dennoch lehnte ich ab. Ich wusste nicht ganz warum. Allerdings verspürte ich das Bedürfnis Nach dem Training meine Ruhe zu haben. Während ich erschöpft so da stand, würden soziale Interaktionen ohnehin ein großes Problem für mich sein. Ich seufzte leise auf, als ich die Umkleide verließ und die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Wieder in meine Uniform gepellt stapfte ich langsam zum Tor und kramte meine Kopfhörer aus der Tasche. Meine Jacke hatte ich heute Nachmittag in der Klasse vergessen gehabt. Kaum zu glauben, dass ich es so eilig hatte zu trainieren. Ein Seufzer entglitt mir aus ich meine Kopfhörer in die Ohren steckte und feststellte, dass es wirklich bereits sehr frisch abends wurde. Ich durfte die Jacke morgen also eindeutig nicht wieder liegen lassen. Gerade als ich auf dem Handydisplay auf Play gedrückt hatte, erschien vor mir ein großer Schatten. Etwas irritiert sah ich hinauf zu dem Braunschopf. Seine grünen Augen sahen mich eindringlich an. "Ich dachte mir, ich bring dich noch ein Stück. Es ist schon dunkel...", sagte er, nachdem ich einen meiner Kopfhörer gelöst hatte. Ich musste schmunzeln. "Das musst du nicht. Ich komme gut allein zurecht." Und damit schlich ich mich an ihm vorbei und schlug den Weg zu meiner Wohnung ein. Ich schlenderte entspannt durch die Straße. Noch vor der ersten Kreuzung hatte mich Iwaizumi jedoch eingeholt und lief still schweigend neben mir. Es störte mich ein wenig. Sicher, er brabbelte nicht ungehalten und war so gesehen sehr unauffällig. Dennoch hatte ich das Gefühl in meinem Freiraum eingegrenzt zu werden. "Nun hör mal, ich komme wirklich alleine nach Hause. Es wird schon nichts passieren.", grummelte ich ihm zu, während wir in eine Gasse Bogen. "Hm." Der Junge zuckte mit den Schultern. Seine Augen starrten stur durch die dunkle Straße während er sprach. "Es ist eine große Stadt. Ich habe in letzter Zeit viel von Mädchen gehört die auf dem Heimweg angelabert wurden." Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen sah er mich nun an. "Ich würde mir nicht verzeihen, wenn etwas passiert." Sofort spürte ich eine innere Wärme. Machte er sich etwa Sorgen um mich? Er kannte mich doch nicht einmal. Mir stieg ein wenig die Röte in das Gesicht. Vermutlich bildete ich mir das alles nur ein. Oder es waren die Nachwirkungen von dem, was dieser Idiot Oikawa vorhin erzählte. "Also wirklich...", sagte ich leise. "Ich weiß mich schon zu wehren." Nach einer kurzen Pause fügte ich noch hinzu: "Also geh nach Hause."
Darauf erwiderte er nichts mehr. Er lief nur stumm neben mir her und machte nicht im geringsten Anstalten, sich zu verdrücken. Seine Hände in den Taschen, tappste er gelassen neben mir her, bis wir eine weitere Kreuzung überquerten und erneut in einer dunklen Gasse landeten. Noch eine weitere Ecke und ich war daheim. Er hatte mich also nahezu bis vor meine Haustür gebracht.
"Ich bin gleich daheim, also geh nun bitte. Was soll schon auf den letzten Metern noch passieren?", maulte ich Hajime an und blieb Schmollend stehen. Plötzlich drehte er sich zu mir um und griff nach meinen Händen, führte sie über meinen Kopf und drückte mich an die Mauer der Gassenseite. Meinen Körper fixierte er mit seinem. Seine zweite Hand, griff nach meinem Kinn und hob es an, so dass mein Hals nun komplett frei lag. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut, als er sein Gesicht in meinen Hals legte und seine Lippen diesen berührten. Ebenso bemerkte ich wie mein Herz zu Rasen begann. Meine Muskeln verkrampften sich, wagten sich nicht mehr mir zu gehorchen. Die Gefahr die von ihm ausging, entging mir keineswegs. Ich konnte mich nur nicht dagegen wehren. Verzweifelt begann ich zu wimmern als ich bemerkte wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. Ich verstand nicht, was hier geschah. Ebenso wenig wie meine Hilflosigkeit.
Gerade als sich die erste Träne aus meinen Augen löste, spürte ich, wie die kalte Wand von meinem Rücken verschwand. Verwirrt öffnete ich die Augenlider, als meine Arme wieder frei wurden und sich stattdessen zwei Fremde um mich schlossen. Im nächsten Moment fand ich mich an Iwaizumis Brust wieder. Beruhigend Strich er mir über den Kopf während er mich bei sich hielt. "Ich hoffe du verstehst nun, warum du nicht allein gehen sollst.", sagte er ruhig. Sofort begriff ich, was er meinte. Ich war hilflos. Wenn mich jemand aus der kalten Küche so überraschen würde, hätte ich keine Chance. "Mhm.", nickte ich leise. "Tut mir leid. Ich war vermutlich etwas forsch.", sprach er weiter und stütze sein Kinn auf meinem Kopf ab. "Komm es wird kalt. Wo musst du hin?" Wortlos deutete ich auf die nächste Ecke und wischte mir mit dem Handrücken die letzten Tränen aus dem Gesicht. Stumm gingen wir die letzten Meter bis zu meiner Haustür. Während ich die Schlüssel noch heraus kramte, machte Hajime kehrt. "Bis morgen, Midori-Chan.", sagte er noch ruhig bevor er aus dem Vorgarten verschwand und um die nächste Ecke bog.

Harte Schale, Weicher Kern (Iwaizumi X OC) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt