Zwei allerbeste Freunde

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Ich schloss grade meine Badetüre, als ich durch mein offenesFenster ein Klatsch und ein lautes Fluchen hörte.
Mein Fensterzeigte zu einem Garten hinterm Haus, wo ein wenig selbst angebautwurde.
Ich lief hin, um die Ursache zu sehen.
Mir verschluges den Atem. Kyle hielt Jarne mit beiden Armen im Schwitzkasten undwürgte ihn. Ich sah Jarnes Augen weit aufgeschlagen mich anstarren,sie loderten wie sengend heiße Kohlen.
Dann plötzlich erloschder Brand in seinen Augen und seine Iriden waren nur noch rot.

Von einem Moment auf den anderen stand er nicht mehr gebändigtund nach Luft suchend da. Dann lag Kyle, mit seinem Becken hartaufgekommen, auf der Erde neben der er eben noch so stolz stand.Jarne stand daneben, als ob nichts wäre. Seine Augen unnatürlichruhig, aber immernoch rot. Es dauerte geschlagene dutzend Sekunden,bis ich die Situation erfasste, aber dann traf sie mich wie einSchlag.

Ich drückte mich vom Fenster ab, stolperte rennend die Treppeherunter, sprang durch die Tür und stoppte kurz darauf vor Jarne.

Er war emotionslos, apathisch, mehr als affektiert, als wäre einTeil von ihm weg.
Er sah mich an. Aber ich stand nur schockiertda. Er fasste mich an den Schultern und öffnete den Mund, als ob erwas sagen wolle.
Er sah mich verwirrt an, holte Luft und setzteerneut an zu sprechen,
aber stattdessen japste er plötzlich nachnoch mehr, atmete, als ob er zu lange die Luft angehalten hätte,stützte keuchend vorn übergebeugt seinen Oberkörper mit den Händenauf den Knien ab.
Als er mich wieder ansah, beruhigte er seinenAtem, lies ihn so wie meinen gehen und seine Augen sahen wieder soaus wie sonst.
Das brachte mich so weit zur Besinnung um mich umKyle zu kümmern.
Ich schalt mich eine Egoistin, dass ich mich zuerst um meinen besten Freund gekümmert hab, obwohl Kyle eigentlichbesorgniserregender ausgesehen hatte. Ich drehte mich zu ihm um. „Daswar... interessant." Er saß auf dem Boden und beobachtete Jarne,sah eigentlich putzmunter aus.
Warum auch immer, er konnte miteiner Backe im Beet sitzend, blutverschmiert, denn er hatte wohlzwischendurch heftig Nasenbluten bekommen, und etwas zerrupftimmernoch respekteinflößend sein.
„Was meinst du?" Jarneging auf ihn zu und bot ihm eine Hand an. „Ich meine, dass..."Kyle ächzte, als er sich an Jarne hoch zog. „... du zwischendurchnicht geatmet hast. Und nicht mehr geatmet hättest, bräuchtest dunicht Luft zum sprechen. Das ist eigentlich so ein Vampirproblem.Aber du hast offensichtlich doch den Sauerstoff gebraucht. Und dudenkst ja, ein Werwolf zu sein. Was auch Sinn ergibt, wenn man deinVerhalten beobachtet. Eigentlich bist du sogar so wölffisch, dass esmich wundert, dass du in der Stadt leben konntest. Vielleicht mit derHälfte des normalen Geruchs, wenn man wenigen Hunden begegnet..."
Es war mehr zu einem Selbstgespräch von Kyle geworden, lauteGedanken. Aber Jarne antwortete ihm trotzdem: „Denke ich nichtganz. Ich weiß nicht ganz, was ich bin. Ich weiß nicht, was meinVater ist, abgesehen von einem unmoralischem, skrupellosem,instinktgeleitetem Dreckssack", spuckte er aus.
„Dann ist erwohl Vampir." „Wieso? Kennst den? Sähe dir bestimmt ähnlich."„Nein", er lachte leise. „Du hättest mich nicht so vermöbelnkönnen, wenn du nicht auch einer wärst." Er unterbrach sich umJarne demonstrativ zu mustern. „Wenigstens zum Teil. Als du keineLuft mehr hattest bist du mir kurz gesackt und hast mich eine Sekundedanach bereits auf den Boden gelegt. Und jetzt bist du wiederWolfsmensch. Und das ist eben so interessant.
Und du bist nichtso blutrünstig wie man erwarten sollte."
Jarne sah zu Boden,dann zum Horizont, den man zwischen zwei Häusern sehen weit entferntsah und räusperte sich.
„Ich kann nicht zum Wolf werden. Erist irgendwo drin, aber kommt nicht gegen irgendeinen Widerstand an,also wird das wohl vorerst nichts."
„Ich kitzel ihn dir schonraus, wie den Vampir vorhin auch" Kyle grinste schelmisch, boxtegegen Jarnes Arm, zwinkerte mir zu und drehte sich zum Hintereingang.

Ich war etwas vor den Kopf geschlagen. Eben haben sie sich ausirgendeinem Grund zusammen geschlagen und angegiftet wie Zimtzickenund jetzt benehmen sie sich wie als wäre nichts gewesen. Einfachso... Wie will man das bitte verstehen? Und hatte er mir ernsthaftzugezwinkert?

Ich machte einen kleinen Satz nach vorn, riss sie herum und sahbeide gleichzeitig an. „Was zu Hölle, bitte, war das?"
Jarneverzog den Mund grinsend spöttisch und meinte dann schief lächelnd:„Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit. Und dann kamst du." Ichsah Kyle an. „Er hat vergessen zu sagen, dass er sich zwischendurchin einen Vampir verwandelt hat, aber sonst hab ich nichtshinzuzufügen." Er grinste. Ich seufzte und stemmte die Hände indie Hüfte.
„Wie und warum das alles?" Kyle aber wunk nurab. „Ach, nur eine Nebensächlichkeit. Sehen Jarne und ich verletztaus? Ich bin längst wieder heil und er hat ja nicht wirklich wasabbekommen; so schnell wie er sich von mir fertig machen lassen hat."Ich sah demonstrativ auf seine Kleidung.
„Ja, du hast irgendwoja recht..." Jarne sah auch nicht besser aus. Aber das sah Kyleauch und er zog ihn einfach mit zur Tür.

Ich schnaufte. Kopfschütteln ging ich kurz darauf aber auchwieder hinein. Drinnen war es dunkler ans draußen und so erkannteich Onkel Lee erst, als er mich aus zwei Metern Entfernung anrief.„Hey Thalia, da steckst du ja! Ich suche euch schon. Wo sind Jarneund Kyle?"
Ich war noch nie gut im Lügen, also erzählte icheine Wahrheit: „Sie haben sich eingesaut und ziehen sich gradeum."
Er runzelte die Stirn, murmelte etwas und verschwand durchdie Küche in Richtung seines Büros, doch kaum war er aus demSichtfeld fiel mir mein Problem auch wieder ein.

Mit etwas intensiverem Atem stand ich nun vor seiner Tür undklopfte. Ich wartete Onkel Lees „herein" ab und schob michdurch die Tür und setzte mich in den Sessel, während er mir fragendmit seinen Augen folgte. „Ich kann meine Freundinnen nicht einfachin der Stadt lassen. Sie kennen mich mindestens so gut wie Jarne undwenn ihr irgendwer etwas androht, könnte ich nicht anders, als sieohne Umstände direkt selbst suchen zu gehen, zumal sie keinen Grundhaben, nicht von ihrer besten Freundin zu erzählen, wenn erfreundlich ist und sie eine perfekte Charakterisierung von uns machenkönnte, was uns leichter auffindbar macht und ich will nicht, dasssie sich, falls sie dann noch leben, Vorwürfe machen, weil sie zuvertrauensselig waren." Ich nahm die Arme runter, mit denen ichherumgefuchtelt hatte, ohne es zu merken und wartete seine Antwortab. Aber vorerst kam keine. Er überlegte noch. „Hast du schon mitihnen gesprochen?" Ich erzählte ihm, was ich Lucy erzählt hatte.„Hmm. Wir können niemanden für längere Zeit dort für den Fallder Fälle dort irgendwo vielleicht noch in einem Hotel wohnenlassen, ohne, dass es Aufsehen erregt. Habt ihr vielleicht einGästezimmer?" Ich nickte. „Ein normales im Erdgeschoss und einsmit Doppelbett neben meinem. Und Selma hat fast nichts anderes. Dasist praktisch, wenn die Engländer zu Besuch sind, dann ist siezweiter Gastgeber. Sie würde es nie anders wollen, Teil der Familieund so." Onkel Lee überlegte weiter.

Nach langem Überlegen und vielen Ideen beiderseits stand derPlan, Jarne erzählen zu lassen, ich sei beinahe durchgedreht vorPanik und Angst und wäre ohne ihn nicht gegangen. Dass seine Muttermitkäme wäre ja selbstredend. Ein junges Paar, das vor kurzem ausAustralien zugezogen ist, würde als Gast bei Selma wohnen, offiziellzur Untermiete, und sich als Freunde von ihr ausgeben. Sie würdenaufpassen, damit niemandem Freunden zu nahe kam, sich aber nicht zuerkennen geben. Die Frau war vom Beruf Deutschlehrerin gewesen, alsowürde sie an unserer Schule Englisch und Deutsch unterrichten. DerMann hatte dort eine Kampfschule gehabt und ursprünglich Jurastudiert. Angeblich haben sie sich beim joggen kennengelernt und wennman den Gassigang eines Wolfs als Joggingeinheit betrachtete, stimmtedas wohl. Es würde kurios klingen, wenn man auf die Idee käme,viele Fragen zu stellen, aber eine noch nähere Betrachtung würdenicht noch mehr Fragen aufwerfen.
Es Klopfte und die beiden Jungentraten mit einem handlichen Koffer ein. „Wo soll das fertige Gepäckhin?" Onkel Lee sah zum Koffer. „Bloß nicht in den Schankraum,in 20 Minuten öffnet das Restaurant und wir brauchen keine fragendenBlicke. Stell ihn um die Ecke, hier kommt selten jemand ungefragthin." Kyles Sachen waren Jarne etwas schmal und lang. Jarne war nurein paar Centimeter größer als ich, hatte aber ein breites Kreuzund die Beine eines Radfahrers, während Kyle vergleichsweise großund drahtig war. Das erklärte jedenfalls Onkel Lees kritischen Blickauf die beiden. Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf und fasstemit dem kleinen Schmunzeln im Gesicht nochmal den eben erarbeitetenPlan für die beiden zusammen.
„Den Helden zu spielen wird nichtschwer", lachte Jarne. „Ich geh dann mal telefonieren. Das hatteich gestern vor Müdigkeit sowieso ganz vergessen... Sagt mir einfachBescheid, wenn wir zum Flughafen fahren, es könnte dauern. Ich habein paar Spiele verpasst." Dann war Jarne auch schon wieder zur Türraus.

meine IrrfahrtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt