Consil

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Wir saßen am Frühstückstisch, Kyle und ich. Er war kurz nachmir in den fast leeren Saal gekommen. Ich hatte mir den selben Tischwie gestern ausgesucht und hatte mich mit meinem Essen hingesetzt,dann hatte er sich schweigend zu mir gesetzt und wir hatten einfachnur gegessen. Ich hatte grade den leeren Teller etwas von meinemTischrand geschoben, als sich Onkel Lee zu uns setzte und kurze Zeitspäter eine immernoch etwas verspannte Alveradis mit einem äußerstverschlafenen Jarne im Schlepptau. Ich hatte ihn etwas ausschlafenlassen wollen oder auch einfach selbst die Ruhe haben wollen, aberanscheinend ging das nicht.

Kyle stand auf, um Platz zu machen oder zu gehen, aber ich hieltihn. „Bitte bleib." Es waren die ersten Worte, die wir heutemorgen gewechselt hatten, aber er nickte einfach und rutschte zurück.Spätestens jetzt wurde ich allmählich wach, was meineschwerfällige, nicht besonders gute Laune nicht gravierend änderte.Onkel Lee sah mich stirnrunzelnd an, aber da er noch kaute konnte ichihn nicht ernst nehmen. Sein Gesicht sah dabei einfach zu komisch ausund je länger ich ihn dabei beobachtete, desto amüsanter fand ichseine Mimik und desto komischer wurde sie als Reaktion. Er hatteversucht mich nach dem ersten Anflug eines Lächelns missmutiganzugucken, aber als mich das nur zum leisen Grinsen brachte, was ichja zu offensichtlich nicht versuchte zu verbergen, musste auch erlächeln, nachdem er schließlich ausgekaut hatte. Kyle lehnte sichzurück und beobachtete seinerseits Jarnes Gesicht.
„Also",ergriff Onkel Lee schließlich das Wort, „Unser Gast aus Flagstaffhat sich schon mit Thalia bekannt gemacht, schön. Jarne, Vera, dasist Kilian, Kyle, ein Wolf." Er wurde jäh von Jarne unterbrochen:„Also hast du gestern Abend seine Gesellschaft der unserenvorgezogen, obwohl wir grade klären wollten, was wir jetzt machen.Dir ist schon klar, dass wir kaum Zeit haben?" Kyle knurrte ihnvon seinem Platz aus an, aber ich lies ihn nicht zu Wort kommen: „Erhat mir gestern in einer äußerst interessanten Situation geholfenund mich dann etwas beruhigt. Ein Missgeschick hatte mich etwas ausder Bahn geworfen." Ich lächelte Jarne diplomatisch reserviert an.„Bitte, nun beruhigt euch alle wieder." Onkel Lee war selbst eineRuhe in Person, während ich mir eingestehen musste, hitzig zu sein.Normalerweise stritten wie nie, ich wusste auch nicht, was los ist.„Wie wärs, wenn wir kurz die ,interessante Situation' aufklärenund uns dann unseren anderen wichtigen Punkten widmen. Die Zeit habenwir und nehmen wir uns auch. Also, was war los, als du rausgestürmtwarst? Das würde mich nämlich auch interessieren, ich war etwasüberrumpelt." Er wandte sich an mich, aber ich wollte Kyleerzählen lassen. Er konnte das wahrscheinlich objektiver berichtenund eine größere Überraschung auslösen, sodass er gleich nichteinfach weggeschickt würde, und nun, vor allem aber würde ich auchruhiger bleiben und nicht in den intensiven Gefühlen und Bildernversinken. Immerhin war das alles völlig neu für mich und ehrlichgesagt hatte ich auch keine genaue Ahnung, was mit mir passiert war.Später erführe er dann so auch das, was ich ihm gestern nicht sagenwollte, falls die anderen ihn dafür gut genug kennen und er würdedie Situation besser verstehen.
Aber eben dessen Blick lag aucherwartungsvoll auf mir.
„Kyle, kannst dus erklären?" Ichsah ihn nicht an, aber aus den Augenwinkeln bemerkte ich doch einNicken. Er fasste den gestrigen Abend in Kürze zusammen und als erendete sah ich mir gegenüber Onkel Lees leicht offenen Mund, danebenAlveradis hochgezogenen Augenbrauen und vorkopf Jarne verwirrte Mine.Und eine Zeit lang blieb das auch so.
Kyle aber war dochüberrascht von der so heftig ausfallenden Reaktion. „Sag mal,hamm' dies bald, oder soll ich mir noch Nachschlag holen?" Jarnefunkelte ihn, wie nicht anders zu erwarten, gespielt eingeschnapptan.
„Also gut. Das wirft alle Ideen, die wir gestern hattenüber den Haufen. Aber immerhin ist das heute und nicht erst morgenals neue Info dazu gekommen." Ich war Alveradis dankbar fürihren Pragmatismus. Aber auch Onkel Lee nahm das erstaunlich leichtauf, nachdem er sich wieder gefangen hatte. „Okay, du bist also zuirgendeinem Teil Ghiari und zu irgendeinem Teil Werwolf. Das würdenun die Größe erklären, jedenfalls einigermaßen. Selbst für einehalbe Ghiari bist du hoch gewachsen. Und dass eine der Wundersamendas Wasser der Luft vorzieht ist bisher auch nicht so häufigvorgekommen. Wir könnten Erkundungen bei toleranten Rudeln oder denküstennahen oder sehr lebhaften Ghiarel einholen, wenn auch nuräußerst diskret."
Hieß das zu denen selbst oder zum Telefonlaufen? Mir flackerte aus großer Neugier heraus ein Wunsch auf:„Kann ich in den Ferien eben die besuchen und kennenlernen? AlsFindelkind kann ich ja nicht wissen, wo ich meine Familie habe. Ichkann einfach die sympathischsten wie eine Familie annehmen, die ichja noch finden muss. Dann wärn wir das Problem mit meinem Verstecklos. Danach werd ich wieder in die Schule müssen, Ich frag mich seitgestern Abend, ob ich dann wieder in die Stadt, in meine Klasse kommeoder ich spontan umziehen und auf eine neue Schule mit wenigerMenschen kommen werde." Ich musste einfach fragen. Auch, wenn ichgrade eher wie ein naives Kleinkind ganz erregt auf dem Stuhl saß,als ob ich gleich eventuell eröffnet bekäme, dass ich einen ganzenKarton voll Süßigkeiten in den Kindergarten mitnehmen dürfe. Aberdas konnte ich irgendwie nicht abstellen. Ich wollte die Weltangucken und aus diesem vollen Kaff raus.

meine IrrfahrtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt