Ein penetrantes Klingeln riss mich am nächsten Morgen aus meinem Schlaf. Unwillig wälzte ich mich in meinem Bett hin und her und hoffte einer der Jungs würde die Tür öffnen.
Plötzlich traf mich die Erkenntnis und ich riss erschrocken die Augen auf. Das war weder mein Bett noch meine Wohnung. Sondern die von Cadan, an dessen Tür es gerade klingelte und er war nicht da. Verwirrt sah ich mich um, bis mein Blick auf einen Zettel fiel der auf dem Nachtisch lag. Vorsichtig nahm ich ihn in die Hand und überflog die Worte, die darauf gekritzelt waren.
Hey, Roux,
Ich hab dich ausschlafen lassen und bin schon in die Firma gefahren. Ich hab deinem Mitbewohner? Bescheid gegeben, das er dich hier abholt, ich hoffe das war okay. Man sieht sich dann auf der Arbeit.
CadanMit weit aufgerissenen Augen starrte ich das Blatt Papier an und ließ meinen Blick dann zu der Tür wandern, an der noch immer jemand Sturm klingelte. "Scheiße...", fluchte ich leise und ich betete das es Ian oder Wes war. Jetzt gerade würde ich Kellan's Blick nicht ertragen können.
Langsam stand ich auf und zog mir das erstbeste an, was ich finden konnte. Meine Hose und ein T- Shirt von Cadan, welches er wohl liegen gelassen hatte. Mit Absicht?
Mehr schlecht als recht versuchte ich meine Haare zu bändigen, bevor ich die Tür öffnete und in die violetten Augen von Wes sah, der unruhig vor der Tür stand und die Hand schon wieder nach der Klingel ausstreckte.
"Wes?", fragte ich und sofort verharrte der Wolf in seiner Bewegung. "Ro, da bist du ja. Komm, ich fahr dich heim", sagte er, ohne darauf einzugehen, wo er mich gerade abholte.
Nervös biss ich mir auf meine Unterlippe, trat aus der Tür und zog diese hinter mir zu. Wortlos hielt mir der brünette Werwolf die Tür seines Wagens auf, bevor er das Auto umrundete und einstieg. Ich folgte ihm.
Kaum saß ich, fuhr er auch schon los. Noch immer wortlos fixierte er die Straße. "War es das wert?", fragte er schließlich. Langsam sah ich meinen besten Freund an, dann nickte ich. "Ja, war es", war alles was ich sagte, dann wurde es wieder still im Auto.
Nach einer Weile kam der Wald in Sicht. Wesley warf mir einen kurzen Blick zu. "Willst du eine Runde laufen?", schlug er vor und ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. Erleichterung durchströmte mich und ich begann eifrig zu nicken. Jetzt lächelte Wes richtig. "Wir haben eine Überraschung für dich", grinste er fröhlich, ganz in Wes-Manier. Verwirrt sah ich ihn und mein Herz stolperte vor Aufregung. Hatte ich was verpasst?
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Ich merkte auf die harte Art und Weise, das ich absolut untrainiert war. Vollkommen außer Atem stolperte ich eine gute, halbe Stunde später hinter Wes auf die Lichtung von Owen's Rudel. Hechelnd sackte ich in mich zusammen. Wesley tänzelte in seiner braunen Wolfsgestalt belustigt um mich herum.
Schließlich kam er zu mir, packte mich energisch am Nackenfell und zog mich mit sich. Wimmernd ließ ich mich wehrlos mitziehen, was er mit einem Schnauben kommentierte.
Er schleifte mich quer über die Lichtung bis zum Gemeinschaftshaus des Rudels. Von dort lief er in einen separat gebauten, eiskalten Keller, der aussah wie eine Sportumkleide, mit Spinden und Duschen. Von diesem Kellerraum war es nicht möglich das Haupthaus zu betreten, es gab nur diese eine Tür, durch die Wes mich gerade schleifte.
Brummend ließ der braune Wolf mich vor einem Spind fallen und stupste mit der Schnauze auffordernd dagegen, bevor er einen Gang weiter verschwand.
Erschöpft stand ich auf und schüttelte mich einmal, bevor ich mich in einer geschmeidigen Bewegung zurück in eine menschliche Gestalt wandelte. Leise vor mich hin murrend, öffnete ich den Spind, krallte ich mir die Ersatzklamotten, das Handtuch und das Duschgel, was in dem Spind bereit lag.
Neugierig sah ich mich um. So ein Kellerabteil war eine echt gute Idee. Auch wenn das Kellerabteil eisig kalt war.
"Bist du soweit?", erschrocken wirbelte ich herum und musterte Ben der mich mit schiefgelegten amüsiert ansah. Leicht schüttelte ich den Kopf und besah mir meinen eigenen Körper. Erde befleckte meine mit schweiß benetzte Haut. Als ich mir ins Haar fasste, bekam ich mehrere Blätter zu fassen die sich darin verfangen hatte. Ben kicherte leise. "Ich sehe ein deutliches 'Nein'. Wes ist schon rausgegangen und wartet draußen auf dich. Beeil dich", lachte er und zwinkerte freundschaftlich, bevor er sich umwandte und aus dem Keller lief.
Mit einem schweren Seufzen begab ich mich in die Duschen und befreite mich vom Dreck des Waldes.
Nur wenig später trat ich aus dem kalten Keller und streckte mich wohlig der warmen Sonne entgegen, die eine angnehme Abwechslung zur Kälte unten bot.
"Mom", quietschte eine Stimme und ich riss überrascht den Kopf herum. Kiana rannte fröhlich grinsend auf mich zu und winkte mit ihren kleinen Händen. Ihr schwarzes Haar wehte hinter ihr her und umgab sie wie einen Mantel. Schlitternd kam sie vor mir zum stehen und ihre grün-blauen Augen strahlten. "Mom, weißt du was? Ich hab mit Colt und Lance Verstecken gespielt und dreimal hintereinander gewonnen", grinste sie stolz. Lächelnd ging ich vor ihr in die Hocke und strich meiner süßen Tochter über das weiche Haar. "Das ist schön, Kia. Wer ist den Lance?", fragte ich neugierig. Überrascht beobachtete ich, wie sich eine zarte Röte auf den Wangen von ihr ausbreitete und sie den Blick senkte. Leise kichernd rieb sie sich über den Hinterkopf. "Lance, ist der Sohn von Stella und Marc, die sind hier im Rudel zuhause", erklärte sie leise und ihre offensichtliche Zuneigung zu dem Jungen amüsierte mich.
"Hey, Mom", begrüßte mich jetzt auch mein Sohn der sanft lächelnd um die Ecke schlenderte, mit einem kleinen brünetten Jungen im Schlepptau, der Colton betrachtete als wäre er ein junger Gott. Kinder sind so süß. Colton warf dem jungen Werwolf einen Blick zu und stupste ihn auffordernd an. Mit großen, braunen Augen sah der Junge zu mir hoch und grinste nervös, dann reichte er mir höflich die kleine Hand. "Hallo, Miss. Meine Name ist Lancelot Nightingale, aber alle nennen mich Lance. Ich werde gut auf Colt und Kia aufpassen, versprochen", stellte er sich vor und überraschte mich damit, wie wohlerzogen er war.
Sanft schüttelte ich seine Hand und neigte den Kopf. "Freut mich, dich kennenzulernen, Lance und ich bin erfreut das meine Zwillinge einen so gute Beschützer zu haben.", erklärte ich und zwinkerte dem brünetten Jungen zu.
"Na, scheint als hättest du unsere Überaschung gefunden", kicherte eine Stimme hinter mir und zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Wes stand mit verschränktem Armen da und musterte die Szenerie mit schief gelegtem Kopf. Verwirrt zog ich die Brauen zusammen und sah zurück zu den Kinder. "Meine Kinder?", meinte ich irritiert und musterte Wesley langsam. Dieser zauberte ein warmes, freundschaftliches Lächeln auf seine Lippen und neigte zustimmend den Kopf. "Sie haben sich hier eingelebt und Freunde gefunden. Owen hat angeboten sie in die Welpenschule aufzunehmen. Dort lernen sie auch ihre Verwandlung zu kontrollieren, sobald sie einsetzt.", erklärte mein bester Freund langsam und fuhr sich durch sein dichtes Haar.
Meine Augen wurden groß, bei Wes' Worten. "Das ist ja fantastisch.", quietschte ich und sprang auf.
"Nicht so fantastisch wie du", flötete eine weitere Stimme. Misstrauisch wirbelte ich herum und sah mich Arden gegenüber. Der Hexer lächelte süffisant und zwinkerte mir fröhlich zu, bevor er leichtfüßig näher kam.
Skeptisch musterte ich meinen übernatürlichen Arbeitskollegen. "Was willst du hier?", knurrte ich und schob mich schützend vor die Welpen. Ich vertraute ihm immer noch nicht, schon dreimal nicht nach der Aktion die mich mein Auge gekostet hatte.
Ein Lachen perlte über seine Lippen und er warf amüsiert den Kopf in den Nacken. "Na Na Na, ein bisschen dankbarkeit wäre angebracht.", zwitscherte er und tänzelte vor mir herum. Genervt fletschte ich die Zähne. "Wieso sollte ich dir dankbar sein?", zischte ich und kniff die Augen warnend zusammen.
Wieder löste sich ein lautes Lachen aus Arden's Kehle. Dann senkte er den Kopf und sah mich intensiv an. Noch immer zupfte das Lachen an seinen Mundwinkeln aber seine Augen waren nun vollkommen ernst. Bei Arden war das beinahe ein Phänomen. "Weil ich es bin der Cadan's Bann löst", offenbarte er dann und trieb mir den Schock durch die Glieder.
"Was?", hauchte ich.
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Pain of Trust
WerewolfCadan lebt. Mit dieser Erkenntnis und dem Willen ihn zu finden macht sich Roux auf die Suche nach ihrem Gefährten. Doch was sie findet, ist so ganz anders, als sie erwartet hatte. --------------------------------- 2. Band der Pain-Reihe. Der Erst...