Kapitel 11 | Ehefrau von Leonardo Ramírez

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Nervös stehe ich am nächsten Morgen vor der Kirche in der ich getraut werde und warte auf meinen Bruder, der einfach nicht hier ankommt.

Er hätte schon vor einer halben Stunde da sein sollen, aber er kommt einfach nicht. Er will mich doch zum Altar! Er hat mich gefragt und ich habe zugestimmt!

Wieso kommt er nicht?! Ich bin so aufgewühlt, dass ich mit den Tränen ringe, die in meinen Augen fürchterlich brennen.

„Apríl. Komm jetzt. Dein Bruder wird nicht mehr kommen.", sagt Salvador und tritt neben mich. Ich schaue ihn aus tränennassen Augen an.

Er schaut zu mir runter und wirkt zornig. Ich werde unter seinem Blick kleiner und kämpfe weiterhin mit den Tränen.

„Nein, ich muss auf ihn warten. Er ist mein Bruder. Er wollte mich zum Altar führen.", wimmere ich und schaue nochmal die Straße entlang. Weit und breit ist mein Bruder nicht zu sehen. Nicht mal Autos fahren hier herum.

„Komm jetzt, Apríl!", sagt Salvador und packt meinen Oberarm. Ich wehre mich gegen ihn und versuche Salvador von mir zu schieben.

„Nein. Lass mich sofort los! Ich will warten.", sage ich und kämpfe weiterhin gegen ihn an.

Er holt plötzlich aus und mein Kopf fliegt zur Seite. Erschrocken reiße ich meine Augen auf und sehe Salvador an. Tränen kullern aus meinen Augen.

„Du wirst jetzt das reingehen. Und meinen Sohn ehelichen. Wenn du noch einen Mucks von dir gibst, ist dein Bruder tot und du wirst anstatt meinen Sohn mich heiraten. Glaub mir. Ich bin nicht so gnädig wie Leonardo." Sprachlos schaue ich ihn an. Er hat mich einfach geschlagen.

„Komm jetzt.", schnauzt mich Salvador an und hält mir seinen Arm hin.

Traurig schaue ich ihn an und harke mich bei ihm ein. Wir laufen die Stufen hoch und uns wird die Tür geöffnet.

Langsam gehen wir den Gang entlang, während Musik gespielt wird. Es ist eine schöne Melodie. Doch es ist nur Fassade.

Während wir den Gang entlanggehen, drehen sich die Gesichter der Gäste zu uns und verfolgen uns den Weg bis nach vorne entlang.

Ein paar der Gesichter kenne ich noch von gestern. Andere sind mir fremd. Ich schaue kurz zu Salvador hoch und dann nach vorne. Leonardo steht vor der Treppe, die zum Altar führt.

Er hat einen schicken Anzug an. Um seinen Hals ist eine Fliege geschnürt worden. Seine Haare sind leicht nach hinten gegelt.

Neben ihm steht ein junger Mann, er sieht ihm erschreckend ähnlich. Vermutlich ist es sein Bruder und Leonardos Trauzeuge.

Wir kommen uns immer näher. Und je näher ich ihm komme, desto besser kann ich seine grauen Augen erkennen.

Sie faszinieren mich nach wie vor. Er ist definitiv ein Latino. Aber ein Latino mit grauen Augen.

Vielleicht ist ja seine Mutter keine Latina, sondern kommt aus Amerika.

Vor Leonardo bleiben wir stehen und Salvador küsst meine Hand. Dann sieht er mich warnend an und überreicht meine Hand an Leonardos Hand weiter.

Gemeinsam gehen wir die Treppenstufen hinauf und stellen uns vor den Pfarrer.

„Liebes Brautpaar! Sie sind in dieser entscheidenden Stunde Ihres Lebens nicht allein. Sie sind umgeben von Menschen, die euch nahestehen. Sie dürfen die Gewissheit haben, dass Sie mit unserer Gemeinde und mit allen Christen in der Gemeinschaft der Kirche verbunden sind. Zugleich sollen Sie wissen: Gott ist bei Ihnen. Er ist der Gott Ihres Lebens und Ihrer Liebe. Er heiligt Ihre Liebe und vereint Sie zu einem untrennbaren Lebensbund. Ich bitte Sie zuvor, öffentlich zu bekunden, dass Sie zu dieser christlichen Ehe entschlossen sind. Leonardo, ich frage dich: Sind Sie hierhergekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit Ihrer Braut Apríl Fuentez den Bund der Ehe zu schließen?", sagt der Pfarrer. Ich habe schon einige Hochzeiten gesehen und auch Texte des Pfarrers gehört. Aber noch nie ist ein Pfarrer so schnell zum Punkt gekommen.

„Ja.", antwortet Leonardo und zieht seine Aufmerksamkeit auf sich.

„Wollen Sie Ihre Frau lieben und achten und ihr die Treue halten alle Tage ihres Lebens?"

„Ja.", antwortet Leonardo. Fast wäre mir ein Lachen entwischt. Leonardo würde mir nie treu sind. Nun wendet sich der Pfarrer mir zu.

„Apríl, ich frage Sie: Sind Sie hierhergekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit Ihrem Bräutigam Leonardo Ramírez den Bund der Ehe zu schließen?" Ich antworte nicht, sondern schaue erst den Pfarrer an, denn Leonardo. Ich drehe mich um und schaue Salvador an. Er sieht mich wütend an. Ich drehe mich wieder vor und antworte dem Pfarrer.

„Ja.", antworte ich.

„Wollen Sie Ihren Mann lieben und achten und ihm die Treue halten alle Tage seines Lebens?" Definitiv ja. Wenn ich Leonardo betrüge und es rauskommt, bin ich tot und obwohl mein Leben dabei ist zu Grunde zu gehen, hänge ich noch daran.

„Ja.", sage ich und schaue zu Leonardo.

„Sind Sie beide bereit, die Kinder anzunehmen, die Gott Ihnen schenken will, und sie im Geist Christi und seiner Kirche zu erziehen?" Kinder?! Warum muss er jetzt mit Kinder anfangen? Ich will keine Kinder und Leonardo sicher auch nicht. Er macht auf mich zumindest nicht den Eindruck. Dennoch bejahen wir beide.

„Sie sind also beide zur christlichen Ehe bereit. Bevor Sie den Bund der Ehe schließen, werden die Ringe gesegnet, die Sie einander anstecken werden." Die Ringe werden gebracht und vom Pfarrer mit Weihwasser gesegnet.

„So schließen Sie jetzt vor Gott und vor der Kirche den Bund der Ehe, indem Sie das Vermählungswort sprechen. Dann stecken Sie einander den Ring der Treue an." Leonardo und ich wenden uns einander zu. Leonardo nimmt den Ring zwischen die Finger und beginnt zu sprechen.

„Apríl, vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau. Ich verspreche dir die Treue in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens." Leonardo steckt mir den Ring auf den Ringfinger.

„Trag diesen Ring als Zeichen unserer Liebe und Treue: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Ich nehme den Ring in die Hand und wiederhole Leonardos Worte. Dann stecke ich ihm den Ring an.

„Leonardo, du darfst die Braut nun küssen.", sagt der Pfarrer. Leonardo und ich drehen uns einander zu.

Er umfasst mit seinen Händen mein Gesicht und zieht mich an sich, während er sich leicht zu mir runter beugt. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Ich bin mir sicher, dass alle es hören können.

„Schließ deine Augen.", raunt mir Leonardo zu. Sofort schließe ich meine Augen und spüre schon seine Lippen auf meinen.

Mein Herz scheint zu explodieren, als Leonardo mich küsst. Es rast wie verrückt gegen meinen Brustkorb.

Doch so schnell wie Leonardo mich geküsst hat, löst er sich wieder von mir und schaut mich aus dunkle Augen an. Das Klatschen der Gäste holt mich ins hier und jetzt.

Mein Wangen verfärben sich rot, als mir bewusst wird, dass ich meinen ersten Kuss vor hunderten von Menschen erlebt habe, deren Augen permanent auf uns lagen.

Leonardo nimmt meine linke Hand in seine und gemeinsam drehen wir uns den Gästen zu.

Meine Augen gleiten über den Saal und bleiben an Salvador hängen. Er lächelt triumphierend. Dagegen schaut Valentina, die neben ihm steht, uns giftig an.

Leonardo setzt sich in Bewegung und ich tu es ihm gleich. Gemeinsam laufen wir den Gang entlang zur Tür, die von zwei Männern in schwarz geöffnet wird. Das erste was ich sehe ist ein Mann der mit seinen Händen wild in der Luft wedelt und auf uns zu kommt.

„Mäuschen!", ruft der Mann. Er streckt seine Arme aus, umfasst mit seinen Händen Leonardos Gesicht und drückt ihm seine Lippen links und rechts auf die Wange.

Er löst sich von meinem Mann und schaut mich lächelnd an. Sofort ist er mir sympathisch und ich lächele zurück.

„Und du bist also die Glückliche. Mein Name ist José. Wie heißt du denn?", fragt José und behält sein Lächeln weiterhin auf den Lippen.

„Apríl.", antworte ich.

„Freut mich dich kennen zu lernen, Darling."

.·.'.·.

l.g. Sunny Kyle 💛

Forced - Gefährliche LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt