Kapitel 4 | Hintergehst du ihn, hintergehst du mich!

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Nachdem ich fertig bin und nochmal tief durchgeatmet habe, verlasse ich nur widerwillig mein Zimmer. Es gibt hier so viele Erinnerungen, die ich zurücklassen werde. Hauptsächlich nur gute, die ich alle mit meiner Familie verbracht habe. Es bricht mir beinahe das Herz.

Salvador und mein Bruder warten schon an der offenen Haustür auf mich. Ich ziehe mir meine Flipflops an und gehe dann zu den Männern. Ich hake mich bei meinem Bruder unter, um ihn etwas zu stützen.

Er sollte nicht mit seinen Verletzungen laufen. Er ist viel zu schwach dafür. Doch wenn ich jetzt den Mund aufmache, bringe ich uns nur in Schwierigkeiten, das habe ich gestern gelernt.

Gemeinsam verlassen wir das Haus und gehen auf einen Van zu. Zwei Motorradfahrer stehen vor dem Wagen und zwei stehen hinter dem Wagen. Alle haben die Helme abgesetzt und schauen mich an.

Ein Blick ist intensiver als der andere, weshalb ich meinen Blick abwende. Doch davor muss ich mit Schrecken feststellen, dass sie in Rodrigos Alter sein müssen.

„Wir fahren zum Anwesen, Jungs.", sagt Salvador. Fast gleichzeitig setzen die Männer die Helme auf und starten die Motorräder. Sie lassen die Motoren mehrmals aufheulen. Salvador setzt sich nach hinten in den Van. Rodrigo und ich folgen ihm und setzen uns ins Innere. Der Wagen wird gestartet und rollt los, als die beiden vorderen Motorradfahrer losfahren. Salvador Ramírez öffnet ein Fach neben seinem Sitz und holt eine Schachtel heraus die er öffnet.

„Nimm dir einen Rodrigo.", fordert Salvador meinen Bruder auf. Ohne zu zögern nimmt mein Bruder einen Joint an sich und schiebt ihn zwischen seine Lippen. Salvador hält ihm ein Feuerzeug hin und zündet den Joint an. Rodrigo zieht kräftig daran und bläst den Rauch ins Innere des Vans. Entsetzt schaue ich ihn an. Warum kifft er auf einmal? Ich kenne meinen Bruder nicht mehr. Erst schließt er sich einem Mafiabaron an und jetzt kifft er auch noch!

„Für die ersten Wochen werdet ihr in meinem Anwesen wohnen und euch dann ein Haus kaufen.", sagt Salvador und zündet sich eine Zigarre an. Als der Rauch sich mit der klaren Luft vermischt und ich nicht mehr atmen kann, öffne ich das Fenster ein Stück, damit frische Luft hineinkommt.

„Und in 10 Monaten habe ich vielleicht meinen ersten Enkel in den Armen. Weißt du, Leonardo hatte schon mal eine Frau gehabt, aber sie war eine Hure und hat ihn benutzt. Ich habe sie töten lassen. Also rate ich dir, meinen Sohn nicht zu hintergehen. Denn wenn du ihn hintergehst, hintergehst du auch mich! Und ich erfahre es sofort." Ein Schauer läuft mir kalt über den Rücken hinunter. Ich zweifele keine Sekunde an seine Drohung.

Er hat es mir ja schließlich mehrfach demonstriert wie skrupellos er zu anderen Menschen ist. Und das noch innerhalb weniger Stunden. Mein ganzes Leben hat sich innerhalb von wenigen Stunden verändert. Und diese Veränderung heiße ich alles andere als gut.

Es sollte anders verlaufen. Ich wollte einen Mann kennenlernen, der mich aufrichtig liebt. Ihn heiraten und Kinder mit ihm bekommen. Mit ihm eine große Familie gründen. Wie unsere Nachbarin Renata San Martín. Sie hat vor ein paar Wochen ihr siebtes Kind zur Welt gebracht. Zwar sollen es doch keine sieben Kinder sein, aber vier Kinder, wären toll. Doch mit einem fremden Mann kann ich das nicht und will ich auch nicht.

Nur ist das nicht wichtig. Ich habe in dieser Familie nichts zu sagen. Man wird über mich bestimmen und ich muss gehorchen und nicken. Hoffentlich kann ich meinen Bruder noch sehen, meine richtige Familie.

Don Salvador Ramírez besitzt ein riesiges Anwesen außerhalb meines Heimatdorfes. Es fängt bei der langen mit Steinbedecken Einfahrt an. Zierbäume stehen in perfekten Abständen nebeneinander und wurden perfekt zurechtgeschnitten. Kein Ast ist zu lange und die Blätter sind saftig grün. Was sie wohl machen, dass die Pflanzen so schön aussehen? Dazu zählen die wunderschönen Blumenarten, die auf einer großen Wiese wild wachsen. Sie scheinen nicht sonderlich viel Beachtung zu bekommen, wenn die ganze Wiese damit voll ist.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass hier ein Drogenbaron lebt und ich bald auch.

Die Umgebung sieht dafür viel zu harmonisch aus.

Als wir näherkommen, ragt vor mir das Anwesen auf. Es sieht aus wie ein kleines Schloss, nur ohne die Türme, in denen die Prinzessinnen von den Bösewichten eingesperrt werden. Ein Brunnen verschönert die Aussicht, Vögel die im Wasser baden und dabei zwitschern lassen alles harmonisch und friedlich wirken. Es ist wundervoll hier und überwältigend.

Vor dem Hauseingang hält der Wagen. Bewaffnete, in schwarz gekleidete Männer kommen auf uns zu und öffnen die Wagentür. Ich schnalle mich ab und steige aus. Rodrigo und Salvador folgen mir und stellen sich neben mich.

„Kommt!", fordert uns Salvador auf ihm zu folgen. Ich harke mich wieder bei Rodrigo ein. Wir setzen uns in Bewegung und laufen die vier Treppenstufen hoch zur Tür. Salvador bleibt stehen und dreht sich um. Ich tu es ihm gleich und betrachte die Männer die noch auf den Motorrädern sitzen.

Sie haben ihre Helme abgesetzt und ich kann ihre Gesichter betrachten. Alle haben dunkle Haare und sehen sich doch erschreckend ähnlich. Ob sie miteinander verwandt sind?

„Ich erwarte euch heute Abend um Punkt 21 Uhr. Dich erwarte ich früher, Leonardo.", sagt Salvador und zieht mich ins Haus. Mein einziger Gedanke ist, wer von diesen Männern Leonardo war, mein zukünftiger Ehemann.

.·.'.·.

l.g. Sunny Kyle 💛

Forced - Gefährliche LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt