Kapitel 2

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Es mag nicht die cleverste Idee gewesen sein, einfach so meine Sachen zu packen, ohne irgendjemandem etwas davon zu erzählen. Aber ich bin mir ebenso sicher, dass man mir mein Vorhaben hätte ausreden wollen. Allein, weil man es sicherlich nur als eine flüchtige Schnapsidee ansehen würde. Aber gerade zu dieser Zeit hatte ich das Gefühl das er der Einzige ist, der mir irgendwie weiterhelfen könnte. Es mag egoistisch sein, nachdem ich ihn damals hab einfach sitzen lassen, aber ich weiß einfach nicht weiter. Allein der Gedanke, nur mit ihm reden zu können, lässt mich wieder etwas aufleben.




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Singto war zurück zum Haus gegangen, und fand Krist nun bei der kleinen Küchenzeile wieder, wo sich dieser gerade eine Flasche Wasser öffnete.

Krist schaute ihn folglich mit großen Augen an, wendete seinen Blick aber rasch wieder nach unten ab, als habe er die Befürchtung, dass man ihn nun in die Zange nehmen würde. Und eigentlich hatte er das auch vorgehabt, sobald dieser wieder aufgewacht wäre. Doch nachdem ihn P'Yui ein wenig eingeweiht hatte, beschloss er das diese Fragen noch warten konnten.

„Hast du Hunger?", erkundigte er sich simpel, was Krist für einen Moment mehr zu überfordern schien, als wenn er ihn nun tatsächlich zu seinem Erscheinen hier hätte ausquetschen wollen.

Dann nickte er schließlich stumm und Singto schaute was er alles da hatte, um ihnen etwas zubereiten zu können.

„Wenn du dich waschen möchtest, das Bad ist den Gang hinter links.", gab er Krist die Möglichkeit sich etwas anderem zuzuwenden, als unbeholfen neben ihm zu stehen.

„Es gibt leider nur eine provisorische Dusche. Handtücher liegen im Regal." Auch dazu nickte Krist nur und trottete aus dem Raum.

Singto atmete einmal tief durch.

Er wollte versuchen sein Benehmen, gegenüber seines einst besten Freundes, nicht von dieser enttäuschenden Erinnerungen diktieren zu lassen.

Es war genug Zeit verstrichen, dass er damit abgeschlossen haben sollte.

Und dies hier wäre eine gute Gelegenheit es herauszufinden, oder im Falle eines Falles eben komplett mit ihnen abzuschließen.

Denn wenn er einen Schwachpunkt hatte dann war es der, Freunde nicht hängen lassen zu wollen, wenn sie seine Hilfe oder Beistand brauchten.

P'Yui hatte ihn eingeweiht das es Krist seit geraumer Zeit nicht sonderlich gut ging. Der Stress schien seinen Preis zu fordern. Man hatte Krist mit Burn Out diagnostiziert und auf Folge dessen hatte dieser sich nur noch elendiger zu fühlen begonnen.

Krist war immer ehrgeizig gewesen und wollte seinen Fans immer 100% präsentieren. Es war somit nicht verwunderlich, dass ihn solch eine Nachricht getroffen haben musste. Nicht in der Lage zu sein seiner Berufung so folgen zu können, wie er es von sich forderte. Letztendlich sogar dazu aufgerufen wurde sich für eine Weile komplett davon zu distanzieren, wo er doch gerade dabei war die Leiter des Erfolges Stufe für Stufe zu erklimmen.

Es tat Singto wirklich leid für ihn und da er kein Unmensch war, hatte er P'Yuis Bitte, sich um ihn zu kümmern, auch nicht einfach abgelehnt.



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Wenn sich etwas nicht verändert zu haben scheint, dann seine Eigenheit tiefreichendere Emotion zu maskieren, damit man ihm nicht ansehen kann, was er tatsächlich denkt. Und auch wenn es keine gesunde Art ist mit bestimmten Dingen umzugehen, war ich in diesem Moment doch recht froh darüber gewesen, das er versuchte alles so normal wie möglich erscheinen zu lassen.



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„Keine Frage warum ich hier bin?", war das erste was Krist zu ihm sagte, während sie über ihrem Abendessen saßen.

„Ich habe mit P'Yui gesprochen.", weihte er Krist daraufhin ein, was ihn kurz innehalten ließ, bevor er leicht nickte und weiter aß.

Etwas anderes beschäftigte Singto trotzdem und er wagte es, es auch vorzubringen.

„Warum gerade zu mir?" Das Krist nicht wenige Freunde hatte, war ihm bekannt. Dieser hatte einfach so einen Charakter der andere in dessen Kreis zog und Krist war eine Person, die sich gern mit Menschen umgab.

Unter all diesen Leuten gab es sicherlich jemanden, dem er sich auch hätte zuwenden können. Jemanden zu dem er in den letzten Jahren weitaus innigeren Kontakt hatte als zu ihm.

Krist zuckte mit den Schultern und schwieg.

In solch einem Fall machte es meist keinen Sinn, weiter nachzubohren und somit beließ es Singto auch vorerst dabei.

Am Ende blieb Krist eh nicht lange.

Dass dieser noch immer impulsiv war, zeigte sein Erscheinen hier und es wäre auch nicht verwunderlich, wenn dieser schon Morgen wieder sein Bündel schnürte und zurück nach Thailand flog.

Er würde nicht versuchen ihn davon abzuhalten.

Und da es so aussah als wäre das vorerst das einzige was sie miteinander austauchen würden, räumte er das Geschirr vom Tisch und machte sich daran es aufwaschen zu wollen.

„Brauchst...brauchst du Hilfe dabei?" Es wäre nur ein Aufwand von 10 Minuten und das wollte er Krist auch mitteilen, als er es sich doch anders überlegte.

Krist war nie gut darin gewesen, zu sagen was ihn beschäftigte und vielleicht, so ging es Singto durch den Sinn, war dies ein Versuch zeigen zu wollen, dass es ihn irgendwo doch nach Kontakt verlangte.

Es war lange her, aber manche Dinge änderten sich womöglich doch nie.

„Wenn du willst."



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Trotz aller Vorsätze mit ihm ein klärendes Gespräch führen zu wollen, war der Tag zu Ende gegangen, ohne dass es dazu gekommen wäre. Er hatte mich nicht hinausgeworfen, was ich vielleicht auch der Tatsache zu verdanken habe, das er mit P'Yui sprach. Ich kann mir denken, dass sie ihn in diverse Dinge eingeweiht hat und er nun seiner gutmütigen Natur folgt und mich vorerst bleiben lässt.

Ich hoffe ich finde noch den Mut den ich brauche.




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Singto schaute auf seinen Laptop und auf das was er bis jetzt niedergeschrieben hatte.

Nach jedem Tag schrieb er auf, was er erlebte, um es dann später zu einem ausführlichen Bericht zusammenzufügen. Heute allerdings merkte er, dass er sich nicht recht darauf konzentrieren konnte.

Warum, stand außer Frage.

Er hatte Krist den Raum überlassen, den er als sein Schlafzimmer benutzte, hatte dieses Haus nicht wirklich viel Platz zu bieten, das es noch ein Gästezimmer gegeben hätte.

Das nächste Problem war, das er nur ein Futon besaß, hatte er mit Übernachtungsbesuch wirklich nicht gerechnet.

Wie sich zeigte war Krist auch noch immer recht stur, als er ihm das seine überlassen wollte und nur meinte, auf seinem Schlafsack zu schlafen.

Und es war wirklich keine große Sache. Er hatte schon in weitaus unbequemeren Plätzen schlafen müssen auf seinen Reisen.

Zum Glück war Krist erschöpft genug, das sein Trotz nicht von langer Dauer war. Er war sofort eingeschlafen nachdem er sich hingelegt hatte und Singto konnte sich seiner abendlichen Routine zuwenden.

Nun allerdings klappte er seinen Laptop mit einen ergebenen Seufzen zu und ließ sich nach hinten auf die Tatamimatte sinken.

Die Frösche im Teich stimmten ein kleines Konzert an und Singto schloss seine Augen.

Seine Gedanken drifteten zu dem Abend zurück, an dem er Krist das letzte Mal gesehen hatte.

Es hatte genauso unverhoffte angefangen.

Nach seinem Studium war er in die USA gegangen, um sich dort weiterzubilden, war es noch immer sein Traum irgendwann selbst einmal hinter einer Kamera stehen zu wollen und dazu wollte er alles an Erfahrung sammeln, das ihm möglich war.

Natürlich war es ein schwieriger Abschied von seinen Freunden und seinem Dad gewesen, aber er wusste auch, dass es nicht für immer wäre.

Der Abschied von Krist war ihm wohl mit am schwersten gefallen.

Aber sie hatten ihren Kontakt trotz der Distanz solide beibehalten.

Es hatte es ihm wirklich etwas einfacher gemacht, die Heimat nicht zu sehr zu vermissen.

Sie hatten sich ein dreiviertel Jahr nicht gesehen, als Krist eines Tages ohne Ankündigung vor seinem Apartment stand.

Es war der Abend vor Weihnachten gewesen und Krist das beste Geschenk, das man ihm hätte machen können.

Singto raunte in die Stille des Wohnzimmers.

Sie waren beide Idioten gewesen.

Am Ende hatten sie beide einfach zu viele aufgestaute Emotionen zurückgehalten und je vertrauter ihr Beisammensein sich angefühlt hatte, je mehr sie merkten, wie sie es doch vermissten den anderen um sich zu haben, umso näher waren sie zueinander gerückt.

Als Krist ihn küsste, hatte er nur einem winzigen Moment gezögert und dann alles dem Lauf der Dinge überlassen.

Krist war verschwunden, als er am nächsten Morgen aufwachte und auch ohne dessen Notiz gelesen zu haben, wusste er, dass etwas Essenzielles in ihrer Freundschaft verloren gegangen war.

Sie hatte nicht mehr darüber gesprochen und drifteten trotz, das sie versuchten es zu ignorieren, immer weiter auseinander.

Dass er Krist und ihre Freundschaft dennoch ab und zu vermisste würde er nicht abstreiten, aber er hatte auch nicht die Kraft an etwas festzuhalten das im Fundament zu marode geworden war.

Krist nun hier zu haben machte ihn unruhig, wie es ihn auch ein wenig das Gefühl zurückgab etwas wiedergefunden zu haben.

Was immer Krist hier her geführt haben mochte, er würde abwarten.



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Es mag beinahe ironisch erscheinen, aber nun wo ich bei ihm bin, hatte ich das Gefühl, als würden sämtliche Kräfte schwinden. Er hatte mir sein Futon überlassen und ich brauchte nur meinen Kopf auf sein Kissen legen und ein enormes Gefühl von Geborgenheit überkam mich. Sein Geruch hatte etwas so vertrautes und lullte mich komplett ein. Es ist ewig her gewesen das ich...



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Krist war nicht über Nacht einfach wieder verschwunden.

Im Gegenteil.

Er schlief wie ein Stein, als Singto am kommenden Morgen aufstand und nach ihm gesehen hatte. Womöglich war es auch das was Krist brauchte, ohne das ihn irgendjemand störte.

Demnach bereitete er das Frühstück zu und bat Kenji über eine Nachricht um Verzeihung, da er sie heute nicht würde unterstützen können.

Er wollte Krist nicht einfach allein sitzen lassen, ohne dass dieser wusste was ihn hier erwartete.

Es war ein paar Stunden später und Krist hatte sich noch immer nicht weiter gerührt, das er ihn erneut aufsuchte.

Dessen Gesicht zeigte einen ungesunden Rotton und er schwitzte, als würde er sich in der prallen Sonne befinden.

Behutsam legte er ihm eine Hand an das Gesicht und es bestätigte sich sein Verdacht das Krist ein Fieber heimgesucht hatte.

Singto holten den alten Ventilator aus dem Wohnzimmer und stellte ihn in einer Ecke des Raumes auf. Als nächstes brachte er eine Schüssel mit kaltem Wasser herzu, worauf ihm eine Art Notizbuch auffiel das wohl Krist gehörte, welches er sorgfältig zur Seite legte.

Dann legte er ihm einen kühlenden Umschlag auf die Stirn.

Dieser gab ein leichtes Stöhnen von sich und öffnete träge seine Augen, sah ihn stumm an und schloss sie wieder.

Als Singto sicher war das Krist wieder fest schlief, machte er sich auf zu Haruno-sensei, den Arzt des Dorfes.

Haruno-Sensei war ein rüstiger älterer Herr mit warmen Augen und einer väterlichen Aura.

Er erklärte ihm die Lage und dieser gab ihm schließlich ein fiebersenkendes Mittel und den Rat seinen Freund ausreichend mit Flüssigkeit zu versorgen, war es bei diesen Temperaturen nur noch wichtiger darauf zu achten.

Es sah so aus als hätte der Stress zu Krist aufgeholt und sich über Nacht auf ihn niedergeschlagen.

Er kannte es selbst noch aus der Zeit, wo er einen Termin nach dem anderen zu meistern hatte und nebenbei noch sein Studium jonglieren musste.



Jemand klopfte an der Vordertür und Singto schreckte aus seinem Schläfchen auf. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass er weggenickt war. Seine Aufmerksamkeit fiel auf Krist, der zum Glück noch immer schlief und nun auch schon etwas weniger überhitzt aussah.

Es klopfte erneut und Singto begab sich schließlich zur Tür.

Kenji schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, als er ihm öffnete.

„Du siehst müde aus.", stellte dieser dann auch schon fest und hielt ihm einen Beutel vor.

„Mom meinte ich soll dir und deinem Gast was vorbeibringen. Sie hörte er wäre krank."

Singto schmunzelte automatisch über diese Geste und auch das sich diese Neuigkeit so schnell herumgesprochen hatte.

„Er hat den ganzen Tag geschlafen. So scheint es ihm aber schon wieder etwas besser zu gehen."

Damit bot er Kenji an einzutreten und sie begaben sich zur Küchennische.

Okata-san hatte sich nicht lumpen lassen und Singto holte einen Frischhaltecontainer nach dem anderen aus dem Beutel hervor.

Sie würden locker ein paar Tage davon essen können.

„Ich sagte ihr, dass sie es übertreiben würde.", meinte Kenji auf seinen Blick hin und rollte etwas mit den Augen über die Gutmütigkeit seiner Mutter.

Singto hatte sie nicht anderes kennengelernt. Gleich am ersten Tag den er hier gewesen war, hatte sie ihn eingeladen, schien sie neugierig auf den jungen Mann, von dem ihr Gatte schon so viel erzählt hatte.

Dort hatte er auch Kenji zu ersten Mal getroffen und sie verstanden sich sofort.

„Ich hab nichts dagegen mal nicht kochen zu müssen. Außerdem komm ich eh nicht an die Kochkünste deiner Mom heran, also." Kenji raunte, wirkte nun etwas ernster als zuvor.

„Sonst ist alles ok?", erkundigte er sich und es kam Singto so vor, als habe dieser kein gutes Gefühl was Krist betraf.

„Es ist nichts weiter vorgefallen. Hat diese Frage einen bestimmten Grund?" Kenji schien einen Augenblick zu überlegen, zuckte dann aber abtuend mit den Schultern.

„Nicht wirklich. Ich werde mich dann auch mal wieder auf den Weg machen."

Singto hakte nicht weiter nach und mit den Worten das er seiner Mom ein herzliches Danke zukommen lassen sollte, verabschiedeten sie sich wieder voneinander.

Diary of my Heart (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt