Wider erwarten war ich zur ersten Stunde wach, jedoch kam ich trotzdem einige Minuten zu spät. Als ich dann an die Tür des Musiksaales klopfe, öffnet mein Lehrer schlecht gelaunt die Tür. "Und was ist heute Ihre Ausrede?", fragt er. "Ich habe verschlafen, entschuldigen Sie bitte." antworte ich leicht außer Atem. Der Lehrer rollt mit den Augen und bittet mich herein. Schnell husche ich an meinen Platz und packe meinen Block aus. Doch ich achte weder auf den Unterricht, noch arbeite ich mit, ich starre nur wie in Trance vor mich hin. Erst das Klingeln zum Stundenende weckt mich aus meinem hypnotischen Zustand und holt mich zurück in die Realität. Ich packe meine Tasche und verlasse das Zimmer und das Schulgebäude, denn jetzt haben wir Kunst und unsere Kunstlehrerin ist die größte Pazifistin die ich kenne. Vom Thema Lehrplan hält sie wenig, allerdings ist sie gut, sehr gut, weshalb die Schulleitung sie nicht entlässt. Ich suche nach einer freien Bank. Ja richtig, sie unterrichtet draußen, in der Kälter des Winters, selbst wenn es regnet findet der Kunstunterricht draußen statt. Ich setze mich mit meiner Winterjacke auf die letzte freie Bank nahe den Mülleimern. Schnell fische ich aus meiner Tasche den Block und meine Stifte, doch ich merke gleich, dass mein schwarzer Kohlestift fehlt. Schnell renne ich zu den Schlafsälen, doch diese sind bereits verschlossen. Also beeile ich mich, noch pünktlich zurück zum Unterricht zu kommen. Ich laufe zur Lehrerin und berichte ihr von meiner Misere. Ich habe Glück und sie hat einen für mich übrig. Also setze ich mich wieder auf die Bank und beginne zu zeichnen. Der Großteil des Blattes wird mit der schwarzen Kohle bedeckt, nur einzelne freie Stellen bleiben stehen, in die ich dann mit meinem Roten Buntstift Bluttroften zeichne, die ich dann fein verwische. Es ist nichts Weltbewegendes, jedoch ist es das, was mich im Augenblick beschäftigt. Blut. Immer wieder kommen mir die Bilder von damals in den Kopf. Damals, als meine Eltern umkamen. Sie waren Opfer eines Attentats und starben, als sie mich schützen wollten. Ich habe sie gesehen. Wie das Blut aus ihren Schädeln lief, ihre starren aufgerissenen Augen, so voller Angst erfüllt, dennoch leer. Ich erleide seitdem jede Nacht den gleichen Albtraum. Ich sehe sie, höre meine Mutter, wie sie nach mir ruft und sagt, ich solle mich verstecken. Mein Vater stürmt zu mir, dann höre ich einen Schuss. Einer der Attentäter hat erst ihn und dann meine Mutter erschossen. Ich schreie, in der Hoffnung, dass mich jemand hört und mir hilft, doch keiner kommt. Erst gefühlte Stunden später kommt die Polizei, doch da sind die Täter schon geflohen und meine Eltern kalt. Die ganze Zeit halte ich ihre Hände, bis ich ins Krankenhaus gebracht werde. Und immer wenn ich den Krankenwagen erreiche, wache ich schweißgebadet auf. Nie habe ich jemandem davon erzählt. Nie. Ich schlucke die Tränen, die sich in meinen Augen bilden, herunter und zeichne weiter, setzte Akzente und zeichne Linien nach, bis es mir gefällt. Dann höre ich auch schon die Klingel. Der halbe Schultag ist um. Noch zwei Stunden Mathematik und ich kann mich an den Fluss, welcher am Schulgebäude vorbei fließt setzen und abschalten. Doch vorher heißt es Potenzen, Funktionen und Gleichungen. Das wohl seltsamste an jedem Mathelehrer ist es, dass er Mathe mag. Kein Schüler mag Mathe, heißt das dann, dass es in Zufkunft keine Mathelehrer mehr geben wird? Und selbst wenn ein Schüler Mathe mag, wird er wohl kaum deshalb Mathematiklehrer. Ich liebe Kunst und trotzdem würde ich niemals in meinem Leben Kunst unterrichten wollen, sei es auf einer Hochschule, einem Gymnasium oder einer Uni. Niemals. Obwohl ... nein! Niemals! Ich schleife mich den Flur des Westflügels, in welchem die naturwissenschaftlichen Fächer unterrichtet werden. Der Flur ist leer. Nur selten kommt mir ein Schüler entgegen, mit seinen Büchern, Kopien oder einem großen Stapel Arbeitsblätter, die im Grunde genommen auch nur Kopien sind. Mit dem Klingeln betrete ich den ziemlich kleinen und stickigen Mathematikraum, in dem schon der Lehrer am Beamer herumbastelt und die Schülerinnen und Schüler, alias meine Kurskameraden oder wie man sie auch nennen will fleißig ihre Hefter sortieren, den Stoff der letzten Stunde wiederholen oder ausgelassen mit ihrem Vordermann über den Christmasball am nächsten Wochenende reden und mit wem sie hingehen beziehungsweise hingehen wollen. Ich gehe aus Prinzip schon nicht hin, denn a) hat mich nich nie ein Junge gefragt, b) hab ich sowieso kein Kleid und c) ... was war c)? Na egal! Ich hab sowieso keine Lust einen ganzen Abend in der stickigen Sporthalle herumzusitzen und den anderen beim Tanzen zuzusehen. Ich setze mich auf meinen Platz und lasse die Stunde revü passieren. Mit dem Klingeln zum Stundenende verlasse ich das Zimmer und wenig später lasse ich auch das Schulgebäude hinter mir. Ich laufe schnell zum Mädchenhaus, schneiße dort meine Tasche aufs Bett, hole meine Staffelei und meine Zeichenkohle und laufe zum Fluss.
Es ist jedes Mal die gleiche Landschaft, die sich hinter dem, vielleicht einem Meter breiten, Flussbett erstreckt, doch sie wirkt jedes Mal anders auf mich. Feiner Schnee fällt vom Himmel, doch er bleibt in den Baumkronen hängen, aber sollte er es doch in Bodennähe schaffen, schmilzt er, bevor er diesen berühren kann. Ich setze mich auf einen Stein am Wasser und hole mein Handy hervor.
***
Authors Note
Hey ihr Gurken, wie gefällt euch Kapi Nr 2??? Wenn nicht schreibt mir das bitte auch. In den nächsten Tagen kommt vermutlich nichts, weil ich im Chorlager bin und dort meinen Lappi nicht hab und jetzt schreib ich über mein Handy und zwar im Bus. Also abstimmen und kommentieren nicht vergessen. Eure Jetee ♡
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Farbenspiel
Teen FictionFarben können nur in völliger Dunkelheit strahlen. Ohne schwarz kein weiß, ohne Dunkelheit kein Licht.