Vorfreude, ohne Freude

8.9K 218 31
                                    

Tsukishima wachte wie jeden Morgen von dem nervigen Klingeln seines Weckers auf und schaltete ihn mit einer routinierten Bewegung aus. Dann langte er auf dem Nachtisch nach seiner Brille und setzte sie sich auf. Noch so ein langweiliger Tag dachte er und stieg aus dem Bett. Aus seinem Schrank holte er sich seine Schuluniform, ein weißes T-shirt mit dem Schulaufdruck und eine schwarze Stoffhose. Auf dem Weg zum Bad griff er sich noch seine schwarze Volleyball Jacke und begann dann mit seiner Morgenroutine. Während er Zähne putzte sah er kurz in den Spiegel. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab und wirkten unordentlich, deshalb entschied er sich schnell noch zu duschen.
15 Minuten später als er gerade in sein T-shirt schlüpfte wurde mit Schwung die Badezimmertür aufgerissen und sein Bruder kam herein.
"Hey, kannst du nicht warten bis ich fertig bin, Akiteru"?
"Habe ich ja, Mama ruft aber schon das zweite Mal nach dir und du antwortest einfach nicht", erklärte sein älterer Bruder mit einem entschuldigenden Grinsen.
"Was ist denn"?
"Keine Ahnung, ich glaube Yamaguchi ist schon da, du bist spät dran"?
Schnell sah er auf die Wanduhr im Flur und fluchte, er war wirklich spät dran.
"Ich komme gleich", rief er die Treppe herunter und lief bereits genervt in sein Zimmer um seine Tasche und seine Kopfhörer vom Schreibtisch zu holen.
Keine fünf Minuten später stand er im Flur wo sich sein Freund schon mit seiner Mutter unterhielt. Er kannte Yamaguchi Tadashi schon seit sie in der Grundschule waren, deshalb redete der sonst meist unsichere braunhaarige locker mit seiner Mutter und stand wie selbstverständlich in seinem Haus.
Eigentlich waren sie recht ungleiche Freunde. Tadashi war ein eher ängstlicher Junge und traute sich oft nicht das zu sagen was er dachte. Anderseits machte er sich oft vielmehr Gedanken darüber was andere über ihn dachten als nötig wäre. Kei hingegen sagte offen seine Meinung auch wenn sie manchmal ziemlich hart klang, wenn sie wahr war, musste sie gesagt werden.
Er machte sich nie Gedanken darüber was andere über ihn dachten, sollten sie doch denken was sie wollten. Und wenn einer ihn doch mal schräg ansah konnte er ihn dank seiner Größe und eines gut einstudierten Blickes ganz schnell zum Schweigen bringen. Mit dieser gleichgültigen Art hatte er Tadashi mal vor ein paar gemeinen Grundschülern "gerettet", so erzählte er es zumindest immer. Er hatte die beiden Hohlköpfe nur angesehen und gesagt, das das, was sie da taten, echt nicht cool von ihnen war und dann waren sie auch schon abgedampft.
Seitdem waren sie also befreundet und seit sie auf die Karasuno gingen, holte Tadashi ihn jeden morgen ab, da sein Haus auf dem Weg zur Schule lag.
"Ich dachte wir sind spät dran", unterbrach er unwirsch das Gespräch der beiden und schlüpfte in seine Schuhe.
"Äh ja, schon, wir sollten dann mal los", stotterte der angesprochene und wurde etwas rot. Schnell verabschiedete er sich von seiner Mutter und sie verließen das Haus.
Schweigend machten sie sich auf den Weg und nach ein paar Minuten holte er seine Kopfhörer heraus und koppelte sie mit seinem  Handy.
Das er dadurch seinen Freund irgendwie ignorierte kam ihm nicht in den Sinn. Der andere war das gewöhnt, manchmal erzählte er einfach weiter obwohl er wusste das Tsuki ihm nicht mehr zuhörte. Von Zeit zu Zeit, wenn zum Beispiel ein Lied endete hörte er durch die Kopfhörer ein paar Wortfetzen und wenn er etwas dazu sagen wollte tat er es.
So wie gerade.
Yamaguchi hatte scheinbar irgendwas vom Training erzählt und gerade war das Wort Trainingslager gefallen deshalb schaltete er kurz auf Pause um zuzuhören.
"...ist ja nicht mehr lange bis zum Trainingslager. Ich glaube da kommen ganz bekannte Mannschaften dazu. Nekoma zum Beispiel und Aobajohsai die haben echt gute Spieler, vielleicht können wir von denen ja was lernen."
"Ja die zwei haben echt starke Spieler", stimmte er trocken hinzu während sie auf das Schulgelände liefen.
"Meinst du wir haben Gelegenheit gegen sie zu spielen, ich meine richtig nicht nur zu Trainingszwecken? Vielleicht könnten wir sie besiegen?"
"Es ist möglich das wir gegen sie gar nicht mal so schlecht aussehen. Wenn wir diese Woche nutzen und..."
In diesem Moment rannte ein kleiner Rotschopf an ihnen vorbei und schrie irgendwas und gleich darauf hörte man ein: "Du Idiot, das war Frühstart, bleib stehen". Ein zweiter größerer schwarzhaariger rannte an ihnen vorbei und Tsukishima rollte mit den Augen. "Wenn die beiden ihre Energie doch nur mal ins Spiel stecken würden als hier wie kleine Kinder rumzurennen", sagte er und schüttelte misbilligend den Kopf.
Kageyama und Hinata, seine zwei Teamkameraden aus dem Volleyballclub waren zwar genauso alt wie er, benahmen sich aber trotzdem manchmal wie kleine Kinder. Den orangehaarigen konnte er eh schon schwer ernst nehmen da er so winzig war und ständig herum schrie. Von Kageyama hielt er zwar etwas mehr, zog ihn jedoch gern damit auf, das er in der Mittelschule ein ziemich arroganter Zuspieler gewesen war und deshalb von seinem damaligen Team ausgegrenzt wurde. Dabei hatte er sich auch den Spitznamen egoistischer König eingefangen und wurde ihn schwer wieder los, obwohl er sich stark verändert hatte seit damals.
"Das sie auch immer um die Wette rennen müssen, woher kommt nur dieser unbändige Drang zu gewinnen", fragte sich Yamaguchi laut und betrat die Treppe zu ihrem Klassenzimmer.
"Auf jeden Fall zeugt es nicht von übermässiger Intelligenz", raunte er und sah in das Zimmer der Parallelklasse wo sich die besagten gerade lautstark darüber stritten wer zuerst durch die Tür gehen sollte.
Die folgenden Stunden waren wie immer tödlich langweilig. Er hätte sich jetzt nicht als übermässig intelligent bezeichnet, doch ihm fiel das lernen ziemlich leicht und deshalb machte er sich nur hin und wieder Notizen.
Yamaguchi zwei Reihen weiter vorn, schräg rechts von ihm, schien jedoch begierig auf seinen Block zu kritzeln. Wie konnte er nur so viel von diesem sinnfreien Gelaber des Lehreres zu Blatt bringen. Gelangweilt sah er aus dem Fenster und dachte über das nach, was sein Freund vorhin über das Trainingslager gesagt hatte. Dort kamen wirklich viele gute Mannschaften zusammen. Wahrscheinlich würden sie die ganze Zeit über Volleyball reden, über Aufschläge, Annahmen, Techniken und anderes Zeug. Es würde ihm gehörig auf den Geist gehen. Durch Tadashi war er damals zum Volleyball gekommen und mit seiner Größe war das auch durchaus sinnvoll und naja ein bisschen Sport war ja nie verkehrt. Aber manch einer steigerte sich so rein in diesen Sport das es zum Kopfschütteln war. Es war doch alles nur ein Spiel. Er würde sich einfach da raus halten. Klar würde er mittrainieren aber zu irgendwelchen sinnlosen Zusatzstunden würde er sich nicht überreden lassen.
Vielleicht gab es ja bei all den Spielern doch noch gleichgesinnte die sich in das ganze nicht so reinsteigerten.

Kurotsuki Wilde GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt