Der kalte Wind wehte stürmisch unter seine Klamotten und trieb ihn dazu sich die Kaputze noch weiter ins Gesicht zu ziehen und seine Hände im Anschluss wieder tief in seine Jackentaschen zu vergraben. Es hatte mehr als Willenstärke gebraucht um ihn aus dem Bett zu bekommen. Er war heute morgen aufgewacht und ihm hatte alles wehgetan. Die Augen waren geschwollen und rot und gefühlt jeder einzelne Wimpernschlag tat weh. Sein Brustkorb schmerzte von den Schluchtzattaken und den widerkehrenden Krämpfen. Aber das alles war nichts im Gegensatz zu dem was in seinem Herzen abging. Eingentlich fühlte er in sich nur gähnende Leere, als wäre der Platz an dem einmal sein Herz geschlagen hatte nun unbesetzt. Am liebsten hätte er sich einfach wieder im Bett verkrochen doch er hatte sich geschworen wenigstens die Sache mit Tadashi zu klären, auch wenn er lieber in eine Zitrione gebissen hätte als dieses Gespräch zu führen.
Nun war er also auf dem Weg zu dessen Haus das gott sei Dank nur wenige Straßen weiter lag. Der kalte Dezember Wind lies ihn erneut erschaudern. Als er endlich vor dem vertrauten Haus ankam sah er etwas wehmütig zu Tadashis Fenster.
Zwar hatte er sich schon ein paar Formulierungen zurechtgelegt und doch kamen ihm die Worte immer falsch vor. Egal, er musste das in Ordnung bringen. Yamaguchi war sein Freund, sein bester Freund und er war ihm wichtig. Das was da zwischen ihnen passiert war, war wirklich mehr als falsch gewesen auch wenn es definitiv einen Moment gegeben hatte in dem er es genossen hatte.
Einmal tief Luft holen und einfach durch.
Tsuki drückte die Klingel und trat dann einen Schritt zurück.
Wenige Sekunden später wurde die Tür geöffnet und ein paar braune liebevolle Augen sahen ihn an.
"Hallo Tsukishima schön dich zu sehen, wir haben dich ja schon lange nicht mehr gesehen. Schön das du vorbei schaust. Tadashi ist in seinem Zimmer, komm doch rein". Frau Yamaguchi bat ihn wie immer freundlich herein. Mit der Zeit war die Frau mit den langen braunen Haaren die sie meist hochgesteckt trug wie eine zweite Mutter für ihn geworden. Sie war genauso gutherzig und mitfühlend wie ihr Sohn und hatte ihn immer wie ein Familienmitglied behandelt. In Tsuki kam das starke Bedürfnis auf sie zu umarmen, entschied sich aber dagegen. "Danke, wie geht es ihnen", fragte er stattdessen möglichst freundlich und schlüpfte aus seinen Schuhen.
"Oh es geht mir gut, lieb das du fragst. Ich hoffe dir geht es auch gut, warst du krank letzte Woche? Tadashi hat mehrmals versucht dich zu erreichen? "
"Ja mir gings nicht so gut", versuchte er so nah an der Wahrheit zu bleiben wie möglich.
"Das sieht man dir auch an. Soll ich dir einen Tee machen? "
"Nein danke ist schon in Ordnung, ich wollte nur ähm ein bisschen mit Tadashi lernen". Noch so eine Halb-Wahrheit, man das wurde ja noch zur Gewohnheit.
"Ist gut, dann lass sich euch zwei mal in Ruhe lernen. Hoffentlich ist mein Sohn besser drauf als gestern. Wenn ihr doch etwas braucht ruft bitte einfach. Du kennst dich ja aus. "
Mit diesen Worten lies sie ihn im Flur stehen und ging zurück in die Küche.
In Tsukis Hals sammelte sich gerade ein dicker Klos und verzweifelt versuchte er ihn runterzuschlucken was ihm natürlich nicht gelang. Er nahm also die Stufen hinauf, zweite Tür rechte Seite. Unentschlossen bedachte er den blauen Teppichboden des Flurs auf dem er schon unzählige Male barfuß gelaufen war. Bilder und vergangene Augenblicke huschten vor seinem inneren Auge an ihm vorbei.Tadashi und er wie sie durch den Flur jagten. Der kleine braunhaarige Junge vorne, mit Tsukis Kopfhörern in der Hand und er mit panischem Blick hinter ihm.
Sie beide wie sie im Garten Volleyball spielten oder im Winter auf der Couch im Wohnzimmer saßen und Viedeospiele zockten.
Wie sie stundenlang nebeneinander auf dem Bett lagen. Sein Freund in ein Buch versunken und er mit Kopfhörern und Musik in einer anderen Welt versetzt. Sie hatte selten tiefergehende Gespräche geführt und doch waren sie sich immer nahe gewesen, auf eine andere Art und Weise.
In seinem Bauch spürte er ein Zwicken und ihm wurde schlecht. Wenn er sich vorstellte das es nie wieder so sein würde wie früher...
Er musste das grade biegen, unbedingt.
Entschlossen klopfte er.
"Komm rein", kam es leise von drinnen und er drückte die Türklinke nach unten.
Sein Freund saß am Schreibtisch und hatte ihm den Rücken zugekehrt. "Hey", sagte er ruhig weil ihm keine richtigen Worte für so ein Gespräch einfielen. Die Scene kam ihm daraufhin bekannt vor. Wie Kuro gestern.
Tadashi drehte sich erschrocken um und wurde leicht rot.
"Tsuki was machst du denn hier", fragte er überflüssigerweise und stand auf. Kei schloss leise die Tür hinter sich und sammelte sich innerlich für das was er vorhatte zu sagen. "Ich, ähm, wollte mich entschuldigen. Das was da vorgestern passiert ist, hätte... Er schluckte... Nicht passieren sollen. "
Seine eigenen Wangen glühten etwas als er seinem Gegenüber in die Augen sah. Yamaguchi wand sofort den Blick ab.
Für eine kleine Ewigkeit blieb es still zwischen ihnen und das machte Tsuki fast wahnsinnig. War er sauer? Würde er ihm verzeihen? Würde er wieder anfangen zu weinen? Wie gerne hätte er ihn angeschrien das er doch bitte irgendwas sagen sollte, irgendwas. Dann horchte er auf. Kratzen eines Stuhles über Parkett. Tadashi war aufgestanden, lehnte sich unsicher an den Schreibtisch und sah ihn dann seufzend an.
Tsukis Herz pochte, er verabscheute es, nicht die Kontrolle zu haben und sich jemanden so offen zu zeigen. Doch für ihn würde er es tun. Er hatte es ihm noch nie gesagt oder ihn spüren lassen wie wichtig er ihm war. Aber es war die Wahrheit. Die vergangenen Jahre seit der Grundschule war er immer an seiner Seite gewesen und er hatte es nie zu schätzen gewusst. Das alles wurde ihm jetzt erst richtig bewusst.
"Du bist mir wichtig", platzte es aus ihm heraus. Ohne ihn anzusehen offenbarte er was in ihm los war.
"Ich will das du weißt das du mir wichtig bist. Du bist mein bester Freund und das schon seit Jahren, du hast immer zu mir gestanden und es tut mir leid wenn ich das manchmal nicht richtig gewürdigt habe".
"Tsuki, ich... "
"Lass mich ausreden", unterbrach er den etwas kleineren der sich unsicher an seinem Stuhl festhielt.
"Der Kuss im Trainingslager, das war ein Ausrutscher, ich war ziemlich durcheinander und habe mich dazu hinreißen lassen. Es hätte nicht passieren dürfen, ich habe dich damit ziemlich verwirrt das weiß ich und es war auch für mich nicht einfach. Ich bin dir deswegen aus dem Weg gegangen weil ich nicht wusste wie ich es hätter erklären sollen". Die Wahrheit sprudelte nur so aus ihm heraus während er die Schuhe des anderen fixierte. "Und dann warst du wieder bei mir zuhause, alles schien völlig normal aber ich... Ich war.. " Er brachte die Worte einfach nicht raus. Wahrscheinlich war es komplett idiotisch, das was sie getan hatten war eindeutig nicht hetero, wieso zierte er sich dann so es zuzugeben, was sowieso offensichtlich war?
"Tsuki ich weiß es".
Er hob den Kopf und sah ihn verwirrt an. In Tadashis Blick lag Vertrauen und jede Menge Gefühl.
"Ich weiß das du schwul bist, ich hatte lange Zeit darüber nachzudenken."
Yamaguchi kam langsam auf ihn zu.
"Du hast Recht der Kuss hat mich verwirrt aber noch schlimmer fand ich das du danach einfach abgehauen bist und mich allein gelassen hast."
Scheiße, er wusste das er sich wie ein Arsch benommen hatte, aber es jetzt von diesen ehrlichen Jungen zu hören war irgendwie schlimmer.
"Sugawara hat mich gefunden und hat mir gut zugeredet und mich beruhigt sonst wäre ich wahrscheinlich durchgedreht. "
Tsuki schluckte, einerseits war er froh das jemand seinen Freund beigestanden hatte während er feige weggelaufen war, andererseits gab es nun eine weiter Person die zuviel wusste. Eine weitere Person der er etwas vorlügen musste.
"Was hast du ihm gesagt? "
"Ich hab die Wahrheit gesagt und das ich mir Sorgen mache... "
"wegen was denn"?
"Man Tsuki, ich hab den Kuss nicht erwidert, ich hatte Angst das ich dich verletzt habe damit. Das unsere Freundschaft auf dem Spiel steht. Du hattest dich das gesamte Trainingslager eh schon so distanziert und irgendwie komisch benommen."
Es war ihm also doch aufgefallen, natürlich war es ihm aufgefallen, niemand kannte ihn so gut wie Tadashi. Was hatte er sich nur vorgemacht?
"Aber wieso..?
"Wieso ich es dann nocheinmal versuchen wollte", unterbrach Yamaguchi ihn prompt und fing nun an unruhig im Zimmer herumzulaufen.
"Scheiße du hast mich beim ersten Mal so überrumpelt das ich gar nicht darüber nachdenken konnte, ob mir das gefällt. Ich wusste nur das es dir gefallen hat und ich wollte nur das du... "
"das ich glücklich bin", murmelte Tsuki und schloss für einen Moment die Augen.
"Tsuki das klingt jetzt schleimig aber du bist mein bester Freund und ich wollte dich nicht verlieren. "
Tadashi stand nun direkt vor ihm. In seinen Augen glitzerten erneut Tränen. Er meinte jedes Wort toternst das sah er ihm an und es berührte ihn wahnsinnig. Einen Freund wie Tadashi zu haben war mehr als er verdient hatte. Er konnte den Drang nicht mehr unterdrücken und zog ihn in seine Arme. Es fühlte sich richtig an, nicht komisch wie er am Anfang gedacht hatte. Vertraut und freundschaftlich.
"Sind wir noch Freunde? ", nuschelte der braunhaarige in die Umarmung.
"Klar, was sonst", sagte er und musste lächeln.
Sein Gegenüber löste sich von ihm und sah ihn aus geröteten Augen aber mit einem unsicheren glücklichen Lächeln an.

DU LIEST GERADE
Kurotsuki Wilde Gefühle
Non-FictionTsukishima Kei ist ein blonder Junge in einer Volleyballmannschaft, trotz seiner bestattlichen Größe fällt er nicht sonderlich auf da er nicht einen solch ausgeprägten Kampfgeist hat wie manch andere Spieler. Aber sein bester Freund Yamaguchi Tadash...