Ich fror. Unbewusst zog ich die Decke näher an meinen Körper und rollte mich weiter zusammen. Zum gleichen Zeitpunkt kam es mir aber so vor, als würde ich direkt neben einem Heizkörper liegen, der mich zu überhitzen schien. Mehr wachend als schlafend, versuchte ich Platz zwischen mir und der Hitze zu bringen, doch etwas hielt mich fest. Langsam aufwachend realisierte ich, dass es ein Arm war, der mich festhielt. Panik erfasst mich. Weder konnte ich mich daran erinnern wie ich hier her gekommen war, noch wusste ich wer das neben mir war. Nun komplett wach, schob ich den Körper kraftvoll von mir weg und flüchtete über das Bett so weit weg es ging. Sekunden später saß ich mit der Decke desorientiert am Boden. Jetzt erst nahm ich mir die Zeit, mich umzuschauen und das Zimmer kam mir irgendwie bekannt vor. Es dauerte ein paar Momente, bevor ich realisierte, dass ich wieder in der Villa sein musste. Mit vor Kälte und Angst zitternden Händen zog ich mir die Decke über den Kopf, was mich etwas beruhigte. Vorsichtig spähte ich über die Bettkante. Im Zwielicht konnte war nur eine Gestalt zu erkennen, die dort oben lag. Logischerweise musste es wohl Leif sein und selbst wenn meine Angst mir sagte, mich von der Gestalt fern zu halten, zog ich mich doch wieder aufs Bett hoch.
Zögerlich legte ich meine Hand auf die zu mir gedrehte Gestalt und fühlte deutlich eine Narbe auf der nackten Haut der Schulter.
„Leif?", fragte ich leise und rüttelte an der Schulter. Das Ganze musste ich ein paar Mal wiederholen, bevor sich das unterbewusste Knurren in ein bewusstes Augenreiben verwandelte.
„Was ist passiert?", wollte ich wissen, denn meine Erinnerung endete damit, dass mich jemand über seine Schulter warf und in einen verschneiten Wald aufbrach. Statt eine Antwort zu geben, schoss Leif in die Höhe und umarmte mich stürmisch.
„Gottseidankgehtesdirgut", murmelte er atemlos. Eine ungekannte Hitze ging von Leifs Körper aus, was seltsam war, weil er doch normalerweise recht kühl war. Ich schob die Hände zwischen uns und ihn von mir weg. Wenn er so nah war, kam es mir gerade so vor, als wäre ich ein Eiswürfel in praller Sonne.
„Was ist passiert?", fragte ich erneut.
Leif blickte mich lange an: „Du wärst fast erfroren."
Unbewusst wusste ich das irgendwie und langsam begannen meine Erinnerungen weiter zurückzukehren.
„Wie hast du mich gefunden?"
„Du hast das Handy deines Entführers gestohlen und mich damit kontaktiert. Mit der Hilfe meines Bruders konnte ich dich gerade rechtzeitig finden."
Ich nickte. Es würde wohl stimmen, selbst wenn in meiner Erinnerung ein riesiges Loch klaffte.
„Aber was war der Sinn des Ganzen? Mich erst mitnehmen und dann irgendwo zurücklassen? Das ergibt doch keinen Sinn."
„Ich hoffe wir können etwas aus dem Handy herauslesen. Entweder es ist noch im Auto oder Sol hat es herausgeholt. Aber das werden wir morgen dann herausfinden."
Ich musste gähnen. Das Gespräch hatte mich irgendwie beruhigt und langsam kam die Erschöpfung und damit verbundene Müdigkeit zurück. Leif schüttelte sich und wollte aufstehen: „Ich dreh die Heizung weiter auf."
Ich wollte ihn an seinem Hemd festhalten, doch strich nur über seine nackte, unebene Haut. Die Berührung tat ungewollt das, was ich wollte und Leif hielt inne.
„Geh nicht weg", meine Stimme war leise, doch Leif sank zurück. Der Heizungsregler war keine zwei Meter entfernt, doch ich hatte Angst wieder alleine gelassen zu werden. Ich zog die Decke fester um mich und ließ mich wieder zurück auf die Kissen sinken. Wortlos zog Leif eine weiter Decke über uns und ließ sich ebenfalls nieder. Fast sofort driftete ich wieder in den Schlaf ab, wobei ich diesmal wusste, dass ich in Sicherheit war.Grelles Morgenlicht kitzelte mich wach. Ich war mir nicht sicher, ob ich viel zu wenig oder viel zu viel geschlafen hatte, doch in jedem Falle fühlte ich mich wie zerschlagen. Dunkel konnte ich mich an das Gespräch in der vorangegangenen Nacht erinnern, doch war ich mir nicht komplett sicher, ob es wirklich passiert war oder nicht. Leif war jedenfalls nicht da.
Ich glitt aus dem Bett und ließ die Decken hinter mir. Selbst wenn mir die Kälte nicht mehr bis aufs Mark in den Knochen steckte, sehnte ich mich nach einer heißen Dusche. Ich klopfte kurz an der Badtür und stellte dadurch sicher, dass dort nicht Leif drin war und trat nach einer kurzen Stille ein. Mein Blick blieb an der Wanne hängen selbst wenn ich eigentlich duschen sollte und dann herausfinden sollte, was die neusten Informationen waren. Man gönnt sich aber ja sonst nichts, dachte ich, verschloss den Ausfluss und drehte das Wasser auf und heiß. Da Handtücher bereits bereit lagen, ging ich nur noch einmal raus um mir frische Klamotten zu holen. Ein heftiger Nieser brachte mich ins Stolpern, doch ich ignorierte ihn ansonsten. Das dunkle Wissen, dass ich mein Handy eh nicht mehr hatte, hielt mich davon ab, es zu suchen.
Zurück im Badezimmer, als ich meine Klamotten los wurde, bemerkte ich erst, dass sie zum größten Teil gar nicht mir gehörten. Ich trug eh untenherum nichts außer meiner Unterwäsche und obenherum hatte ich einen von Leifs Pullovern an. Für einige Zeit suchte ich mich im Spiegel nach Verletzungen ab, doch fand nur die Bisswunde von Leif, sowie einige blaue Flecken. Es hätte mich nicht überrascht, wenn schlimmeres dabei gewesen wäre, dachte ich und stieg in das heiße Wasser, selbst wenn die Wanne noch nicht gefüllt war. Mein Körper schmolz in das heiße Wasser und die restliche Kälte wich langsam aus mir. Es war eigentlich seltsam, doch in diesem Moment fühlte ich mich so in Frieden, wie schon lange nicht mehr. Es war ein Moment so ohne Sorgen, als wäre der gestrige Tag nicht passiert. Immerhin lag das in einem Jahr, mit einer anderen Jahreszahl und ändern konnte ich eh nichts mehr daran.Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich mich dazu entschied, aus dem Wasser zu steigen. Noch geistesabwesend hüllte ich mich in das Handtuch und starrte für einen weiteren Moment vor mich in die Leere, bevor ich mich abtrocknete. Weil ich keine Energie in das Kämmen meiner Haare stecken wollte, wickelte ich diese in das Handtuch, genau wissend, dass ich später aufgeplatztes Sofakissen spielen würde. Das Konstrukt rutschte zwar fast wieder herunter, als ich niesen musste, doch auch es zu richten schien mir in diesem Moment zu unnötig. Ich zog meine kuschelig-warmen Socken an, sowie generell eine Lage zu viel, denn selbst wenn ich mich nicht mehr wie ein Eiszapfen fühlte, wollte ich doch auf Nummer sicher gehen.
Langsam fragte ich mich wirklich, wo Leif war, denn alleine durch dieses Haus zu gehen, gab mir das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Der Drang etwas zu essen war jedoch größer als dieses Gefühl und so tapste ich durch die Gänge und fand sogar ohne mich zu verlaufen den Speisesaal, aus dem leise, morgendliche Gespräche drangen, sowie eine größere Diskussion. Vorsichtig lugte ich erste durch die offene Tür und sah genug von Leifs Verwandtschaft um die großen, gedeckten Tische essend und plaudernd sitzen. Am hinteren Ende des Nebentisches saß Leif mit ein paar seiner Brüder und auch Delci, wobei sie die Quelle der Diskussion waren. Leise betrat ich den Raum und machte mich auf den Weg zu Leif, der mich nicht bemerkte, bis Delci etwas sagte und Leif aufschaute. Er lächelte mir zu und zog den freien Stuhl neben sich weg vom Tisch, als Aufforderung mich zu setzten.
„Wie geht's dir?", fragte er besorgt, während ich mich setzte.
„Gut", behauptete ich und nieste heftig, kaum hatte das Wort meine Lippen verlassen.
„Du fühlst dich wirklich schon wieder gut auf den Beinen?", harkte er mit gesenkter Stimme nach. Stumm zuckte ich nur mit den Schultern und nickte. Genauso wortlos legte Leif seine Hand auf mein Bein und ich begann etwas zu frühstücken. Ich hatte unglaublichen Hunger, doch gleichzeitig war mir auf eine seltsame Art schlecht, wie ich es kannte von dem Tag im Monat, an dem meine Periode begann – nur das war nicht dieser Tag.
„Jedenfalls-", begann Ilias dort, wo er anscheinend vorher unterbrochen wurde, „Solltest du der Sache nicht weiter nachgehen. Wir haben Beweise für was sie getan haben und das offiziell zu machen, wird ihnen wahrscheinlich mehr schaden, als ein Rachefeldzug."
„Denkst du wirklich, sie werden auf Regeln und Diplomatie hören, nachdem sie bereits so ein dreckiges Ding durchgezogen habe?", entgegnete Leif, wobei eine mir fast unbekannte Wut in seiner Stimme mitschwang.
„Unsere Familie würde es tun, egal was sie machen. Aber wenn du dich weiter mit ihnen anlegst, dann fällt es wieder auf uns zurück."
„Aber was hindert uns daran beides zu tun? Es ihnen auf zwei Wegen heimzuzahlen!"
Ilias warf mir einen müden Blick zu und selbst wenn ich nicht wirklich wusste, worum es ging, konnte ich es doch gut erahnen. Ich legte meine Hand auf Leifs, die immer noch auf meinem Bein lag und murmelte, gerade so laut, dass er mich verstehen konnte: „Bring dich für mich nicht in Schwierigkeiten." Zwei Sekunden später, nieste ich.
„Vorsicht, dass du jetzt nicht krank wirst", meinte Delci, woraufhin ich nur mit den Schultern zuckte. Meine drückenden Kopfschmerzen, die ich nur dann hatte, wenn ich krank war, zeigten mir, dass dieser Rat einen Ticken zu spät kam. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis mehr Symptome auftraten.
„Darf ich dann nicht wenigstens ihr Handy zurückholen?", Leif ließ nicht locker. Ich drückte seine Hand mit einem leisen „Lass es einfach" und Leif warf mir für einen kurzen, wütenden Blick zu.
Ilias zögerte für einen Moment, bevor er meinte: „Du könntest einen Handel vorschlagen? Jeder hat am Ende sein Handy zurück, jeder ist glücklich."
Leif ballte seine Hand zur Faust und zog diese weg, er wollte Ilias etwas erwidern, doch dieser hob seine Hand und ließ ihn inne halten.
„Mehr erlauben wir dir nicht. Alles andere wäre zu gefährlich für die Familie."
„Seit wann sprichst du für die Familie?", fauchte Leif.
„Seit wann weißt du, wer für die Familie spricht?", fauchte Ilias zurück.
Die beiden starrten sich wütend für einen Moment an, dann legte Ilias das fremde Handy, das ich dem Entführer gestohlen hatte, auf den Tisch.
„Entweder tauschst du oder du lässt es", meinte er.
„Und was ist mit den Beweisen?"
„Du sagst das, als hätte ich nicht schon alle Daten kopiert", Ilias Ton war herablassend, sein Blick auch.
„Dann wohl ein Tausch", murmelte Leif unzufrieden. Ilias ließ das Gerät über den Tisch gleiten, stand auf und nach einem kurzen „War nett dich kennen gelernt zu haben" in meine Richtung, verließ er den Esstisch und den Raum.Unsicher ob und wie ich Leif beruhigen könnte, welcher neben mir vor Wut kochte, aß ich mein Frühstück weiter. Meine Übelkeit wurde aber schnell schlimmer und so schob ich bald den Teller leicht von mir weg. Leif schien nur auf diesen Moment gewartet zu haben, denn kaum hatte ich das getan, knurrte er: „Lass uns von hier verschwinden. Du kannst den Rest einfach stehen lassen."
Ich nickte, wir standen auf. Leif packte meine Hand mit etwas zu viel Kraft und führte mich nach draußen. Man musste anmerken, dass er mich nicht zerrte, doch die Art, wie er meine Hand hielt, sagte mir schon genug über die Wut in ihm.
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Vampirbiss
Storie d'amore„Leif!", rief ich recht laut und er zuckte zusammen, „Sag was du willst, nachdem ich bis eins gezählt habe, sonst geh bitte wieder." Er nickte zögerlich und ich schloss die Augen, bevor ich langsam von drei herunter zählte. Als ich die „Eins" ausges...