𝗕 𝗘 𝗡 𝗘 𝗔 𝗧 𝗛 ⠀𝗢 𝗨 𝗥 ⠀𝗦 𝗞 𝗜 𝗡 𝗦

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Sekunden.
Minuten vermutlich.
Wie lange es auch immer dauerte, bis dein Gehirn verstand, was du gerade ausgesprochen hattest...nein...viel mehr, was er geantwortet hatte.

„ Überrascht?"

Wie zur Hölle, konnte er so einfach diese Gegenfrage stellen?
War er sich überhaupt darüber im Klaren, was das bedeutete?
Ja, war er vermutlich.
Aber mit was für einer Leichtigkeit er das sagte, dazu noch dieser sorglose Blick, es wollte nicht in deinen Verstand gelangen.

Weder der Fakt, noch die Reaktion.
Menschen stehen nicht von den Toten auf.
Der Tod ist etwas finales, permanent..
für immer.
Du wusstest also nicht ob du schreien oder weinen solltest, der Klos in deinem Hals ließ auf beides schließen.

Doch jetzt sahst du es.
Wieso war es dir nicht vorher klar?
Es war zweifellos nicht mehr viel von 'Touya' übrig, sowohl äußerlich, als offensichtlich auch innerlich ; umso mehr sahst du den Schurken Dabi.
Doch hinter all diesen Narben, diesem tiefschwarzem Haar, konntest du ihn sehen.
Denn das Einzige, das sich kein wenig verändert hatte, das Einzige, was auch nach all den Jahren gleich blieb,
waren diese Augen.
Genauso leuchtend, doch ebenso trüb.
Geteilt zwischen Schmerz und welch auch immer andere positive Emotion in diesem Menschen übrig war, die ihn die ganze Zeit über am Leben ließ.

„D-Du..du bist doch..-"

„ Tot?"
Er schmunzelte.
'Wieso zum Teufel grinst er?'

„ Ich seh vielleicht nicht ganz so aus. Aber ja, soweit ich weiß, bin ich quicklebendig.."

Fing er an zu scherzen, doch sein Grinsen und amüsierter Tonfall endete schon, als er weiter redete.

„..aber du hast nicht ganz Unrecht. Touya..ist tot. Ich bin schon lange nicht mehr derselbe."
Sagte er und klemmte einen Arm hinter seinen Kopf, seine Augen an die Decke gerichtet, wo er nachdenklich in die Ferne starrte.
Dann befreitest du dich aus seinem anderen Arm, der immernoch um dich geschlungen war und richtetest dich im Bett auf, das Laken gegen deinen nackten Oberkörper gepresst und sahst mit einem fassungslosen Blick zu ihm.

Es gab so vieles, das du sagen wolltest.
So vieles, das du sagen musstest.
Warum?
Wie?
...
Die Fragen waren endlos.
Und trotzdem, verstandest du gar nichts, erst recht nicht, wie locker er dir das erzählte und damit umging.

„...weißt du eigentlich, wie viele Menschen darunter leiden? Sich Vorwürfe machen? Ich mein...ich hab deinen Namen Minuten zuvor quasi noch geschrien und jetzt willst du mir sagen, dass Touya tot ist?"

Dein Tonfall war hart. Härter als du ursprünglich wolltest, aber deine Gefühle gewannen die Oberhand und es bewirkte sowieso lediglich nur einen müden Blick aus seiner Richtung.
Dir wurde schlecht.
Und als keine weitere Reaktion seinerseits kam, hattest du einfach nur das Bedürfnis, aus dieser Situation zu fliehen.

„ Ich...ich geh mal kurz an die frische Luft."

Du schnapptest dir ein oversized Shirt und wickeltest dir eine Decke um dich herum, bevor du auch nur ohne einmal zurück zusehen, aus deinem Zimmer, zu dem kleinen Balkon gingst.
Du wusstest, dass er dich ansah, aber du musstest wortwörtlich einmal Luft holen.

Die kalte Abendluft war eine willkommene Abwechslung, doch trotzdem fühlte es sich an, als konntest du nicht richtig atmen.
Er überrumpelte dich einfach mit dieser Nachricht..nicht, dass es irgendeinen schonenden Weg gab, Jemanden zu erzählen, dass man eigentlich gar nicht tot, sondern lediglich abgetaucht ist und eine komplett neue Identität angenommen hat.

Und deine Gedanken richteten sich plötzlich an Natsuo.
Gar nicht auszudenken, wie er reagieren würde, wenn du schon so überfordert warst.

War es ihm wirklich so gleichgültig?
Wie es den Menschen ging, denen er wirklich was bedeutete ?
War er wirklich ein komplett anderer Mensch, der lediglich an sich dachte, ohne Rücksicht auf Verluste?
Aber dachte man mal darüber nach...machte es fast schon Sinn.
Jahrelange Erniedrigung, Missbrauch und nie die Liebe erfahren, die man als Kind braucht, um eine gesunde Persönlichkeit zu entwickeln.
Alles, was jemals mit ihm gemacht wurde, war in eine Schublade gesteckt zu werden, für einen größeren Grund geschaffen worden zu sein, nur damit sein Vater sein Ziel erreichen würde.
Kein Wunder, dass er also ein komplett anderes Leben einschlug.
Aber dennoch.
Es gab Menschen, die sich ernsthaft um ihn sorgten. Mehr, als genug.
Hatte er das alles vergessen?

𝐇𝐄𝐀𝐋  𝐌𝐄Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt