∭ Kapitel 7 ∭

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„Ich denke, dann bin ich jetzt dran, oder?", fragte der gut gelaunte junge Mann, der sich mittlerweile ebenfalls an den Rand des Aufzugs gestellt hatte, damit er alle ansehen konnte.
Je besser man mit einem Menschen bekannt wurde, desto geringer wurde auch das Bedürfnis nach körperlichem Sicherheitsabstand. Man merkte es, denn langsam aber sicher wurden alle Anwesenden lockerer, und weder Namjoon noch Jimin schienen ein Problem damit zu haben, dass sich der Unbekannte einfach dicht zwischen sie gestellt hatte.

„Also. Mein Name ist Jung Hoseok. Aber eigentlich nennen mich alle J-Hope." Sein Blick ging provozierend zu Yoongi in seiner Ecke. "Und bevor du irgendeinen blöden Spruch dazu raus haust: Ich hab wenigstens Freunde, die mir einen Spitznamen geben, also weiter im Text."

Jungkook beobachtete Yoongis Reaktion genau, doch dieser schien diesmal kein böses Wort fallen lassen zu wollen, sondern wendete einfach nur stillschweigend seinen Blick von ihm ab.

Hoseok sah wieder die anderen an. „Naja und ich bin heute hier, weil ich noch ein paar Dinge in dem Sportladen besorgen wollte."

„Hey, den Laden kenne ich, da kauf ich auch öfter ein", grinste Jungkook und hielt Hoseok freundschaftlich die geballte Faust hin. Schnell ließ Hoseok seine eigene Faust kumpelhaft gegen die andere schnellen und lachte dabei zufrieden. "Cool!"

Ja, doch. Dieser Hoseok ist wirklich gar nicht so übel, dachte Jungkook, und in diesem Moment hätte er sich gut vorstellen können, sich vielleicht sogar mit ihm anzufreunden.

Menschenmagnet, der schnell Freunde findet, wiederholte Jungkook in Gedanken seine erste Einschätzung über Hoseok und fragte sich nun, ob seine jetzige Einstellung zu ihm eine selbst erfüllte Prophezeiung war, oder ob dieser J-Hope wirklich einfach ein Händchen dafür besaß, schnell mit anderen Freundschaften zu knüpfen.

„Was für Sport machst du?", fragte Jungkook schließlich neugierig und konnte schon beim Stellen seiner Frage das Glänzen in Hoseoks Augen erkennen.

„Ich tanze für mein Leben gerne. Deswegen habe ich mir jetzt auch meinen Lebenstraum erfüllt", brabbelte er sofort drauf los. Keiner der Anwesenden konnte sich seiner beinahe kindlichen Begeisterung entziehen und lauschte aufmerksam seinen Worten.

„Ich hab keine besonders leichte Jugend gehabt und irgendwann hat ein Freund mich mitgenommen zu einer seiner Tanzstunden. Ich war sofort begeistert. Und das war der Zeitpunkt, wo ich angefangen habe, mein Leben zu verändern. Ich konzentrierte mich nur noch aufs Tanzen und wurde immer besser. Irgendwann habe ich an einem Wettbewerb teilgenommen und dort Melissa kennen gelernt. Sie war spitze und wir beiden lieferten uns ein Battle in der Finalrunde. Kurz danach kamen wir zusammen und sie war sofort hellauf begeistert, als ich ihr erzählt habe, dass ich von dem Gewinn ein eigenes Tanzstudio aufmachen wollte. Also ist sie als Partnerin mit eingestiegen."

Krass, wie offen der das alles so erzählt, dachte Jungkook, denn er war sich sicher, dass es viele Jahre und harte Selbstanalyse benötigte, damit so offen umzugehen.

Jimin hatte seinen Worten ebenfalls aufmerksam zugehört, allerdings schien er davon noch begeisterter zu sein, als die anderen. Er wurde ganz hibbelig neben Hoseok. Und bei seinem nächsten Satz wusste auch jeder, wieso.

„Wirklich? Wo wirst du das eröffnen? Ich wollte immer schon richtig tanzen lernen..."

„Echt? Wie cool! Das ist von hier nicht weit, zwei Seitenstraßen weiter, da wo früher mal dieser Musikladen war. Du kannst gerne mal vorbeikommen. Das kostet dich auch nichts. Wirklich - ich würde mich echt riesig freuen!", rief Hoseok nun euphorisch aus, und weil Jimin gerade passenderweise neben ihm stand und keine Scheu vor körperlichem Kontakt hatte, zog er ihn in eine kumpelhafte Umarmung.

Jungkook betrachtete, wie Jimins Gesichtsfarbe wieder einen rötlicheren Ton annahm, und schmunzelte über diese Tatsache. Allerdings fragte er sich, wie dieser J-Hope es sich erlauben konnte, das ganze umsonst zu machen. Ladenmiete, Equipment, Nebenkosten, Gehälter für Angestellte, das musste doch Unsummen verschlingen auf die Dauer. Daher stellte er Hoseok gleich die Frage, wie er sich das vorstellen würde. Immerhin kannte Jungkook die sonst üblichen Preise, und die waren hier im Zentrum oftmals einfach Wucher. Umso glücklicher war er damals gewesen, dass er in dem Fitnessstudio seiner Uni umsonst trainieren konnte.

„Naja. Erstmal habe ich noch Geld von den Wettbewerben. Ich werde mich damit denke ich noch einige Zeit über Wasser halten können. Ich tanze ja selbst auch weiter. Und ansonsten bin ich eben auf Spenden angewiesen."

„Ziemlich unsicher, oder findest du nicht? Ich meine, wieso nimmst du denn nicht einfach Gebühren dafür?", schaltete sich nun auch Namjoon ein, der das zwar alles sehr rühmlich fand, aber begründete Zweifel an der Vorstellung hatte.

„Ganz einfach. Das ist kein Tanzstudio für Jedermann wie eine gewöhnliche Muckibude. Ich will das machen für Jugendliche, so wie ich früher, die einfach keine sinnvolle Beschäftigung haben und ihre Zeit lieber mit Drogen oder sonst was Unsinnigem vertreiben. Es soll eine Anlaufstation sein, wenn sie mal nicht weiter wissen. Sie sollen dort die Chance haben, auf Gleichgesinnte zu treffen. Und gemeinsam einen Weg aus ihrer Lage finden. Ich unterrichte sie im Tanzen und unterstütze wie nebenbei, ihr Leben zurück in geordnete Bahnen zu lenken."

WOW! Die nächsten Sekunden fehlten einfach jedem die Worte. Die Idee war wirklich... gutherzig. Anders konnte Jungkook es einfach nicht beschreiben. Hoseok hatte anscheinend selbst schon viel durchgemacht, aber er hatte es dennoch geschafft, sein Leben zu ändern. Es steckte also viel mehr hinter dem nahezu immer fröhlichen Gesicht, als zunächst angenommen. Jungkook nahm ihm sofort ab, dass er genau wusste, wovon er redete.

„Das Problem an der Sache ist nur, das Melissa irgendwann meinte, es würde ihr alles zu stressig werden und dass ich nur noch Augen für das Tanzstudio hätte. Naja. Sie hat mich sitzen gelassen. Und jetzt muss ich sehen, dass ich das alles auch alleine gestemmt kriege."

„Dann viel Glück beim Scheitern!", lachte Yoongi nun, der diese Idee einfach mehr als absurd fand. Jugendliche würden nicht einfach durch ein bisschen Tanzen aufhören, schwierig zu sein. Und dieser J-Hope würde innerhalb eines halben Jahres bankrott gehen und aus der Schuldenfalle nicht mehr rauskommen. Viel Vergnügen! Desinteressiert richtete er seine Augen auf die Edding-Schmierereien auf den Blechen der Fahrstuhlwand.

Die Anderen rechneten damit, dass Hoseok nun wieder in einen Streit einsteigen würde, und hielten die Luft an. Doch der lächelte stattdessen nur traurig und antwortete Yoongi unerwartet sanft: „Weißt du, was ich glaube Yoongi? Du hast verlernt, an das Positive zu glauben. Du bist genauso negativ wie deine ganze Art zu reden. Eigentlich tust du mir leid. Und nein, ich denke nicht, dass ich dumm und naiv bin und damit auf die Schnauze fliegen werde. Sondern ich habe ganz einfach gelernt, die kleinen Dinge zu schätzen, weil ich eben schon ganz andere, härtere Zeiten hinter mir habe. Mein Leben hat nicht immer Spaß gemacht, aber ich habe gelernt, es zu genießen. Solltest du vielleicht auch mal probieren, dann musst du mit deiner übertriebenen Abwehrhaltung nicht immer allen auf die Nerven gehen." Von Yoongi kam keine Reaktion mehr außer einem leisen, abfälligen Schnauben.

„Also ... ich finde die Idee großartig. Und ich glaube auch, dass das den Kids schon viel helfen wird", mischte sich nach ein paar Schrecksekunden Jimin wieder ein.

Schnell hatte Hoseok sein Lächeln wieder gefunden.
„Vielleicht hast du ja Lust, mich manchmal ein bisschen zu unterstützen. Also, nur wenn du willst. Es gibt jeden Tag tausend Dinge zu tun, die mir manchmal echt über den Kopf wachsen."

„Total gerne", lächelte Jimin und richtete sich ein wenig auf. Hoseok schien mit seiner positiven Art auf eine gewisse Weise ansteckend zu sein, denn das war das erste, aufrichtige Lachen von Jimin, dass sie bislang zu sehen bekommen hatten. Er wirkte auf einmal viel sicherer als am Anfang.

Es gab ja immermal wieder diese Menschen, die es irgendwie schafften, alles zusammen zu halten. Stark und langanhaltend wie Zweikomponentenkleber. Hoseok schien genau dieses Talent zu besitzen, denn er brachte es scheinbar mühelos fertig, dass sie sich langsam aber sicher öffneten und zusammenfügten. Wie auch immer er das machte. Es war faszinierend.

Die Frage war nur, wie stark seine bindende Fähigkeit wirklich war.

Und ob sie auch noch dann bestehen würde, wenn sie in wenigen Minuten aus dem Aufzug gerettet werden würden. Denn nun musste doch allmählich der Wartungstrupp hier eintreffen und sie befreien.

𝗲𝗹𝗲𝘃𝗮𝘁𝗼𝗿ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ|ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰWo Geschichten leben. Entdecke jetzt