Kapitel 1

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Mein Fokus war mal wieder auf den Boxsack in meiner Garage gerichtet. Mit jedem Schlag, wurden meine Gedanken leiser und das Geräusch meines pulsierenden Blutes lauter. Sollen sie mir alle mit ihren Ratschlägen ersparen bleiben. Kennt ihr das, wenn Leute die euch nur als herzensguten Menschen kennen, über euch urteilen? Würden diese Leute in meinem Kopf schauen würden sie weinen. Für heute reicht es mit den Schlägen. Ich beschloss eine kalte Dusche zu nehmen und am Ende mich in meinem Zimmer zurückzuziehen. Unser Haus ist riesig aber trotzdem engt es mich ein. Ich wohne alleine mit meinem Vater in New Jersey in der reichen Gegend und ich sehe ihn, wenn es gut läuft zum Glück nur dreimal die Woche. An eine Mutter kann ich mich nicht erinnern, in meiner Familie behaupten manche sie sei mit dem Auto weggefahren und ist an einem Autounfall gestorben. Mein Vater sagte sie wollte sich das Leben nehmen. Es würde nichts an der Tatsache ändern, wenn ich den wahren Grund wüsste, also habe ich aufgehört nach der Wahrheit zu suchen, was in meiner Familie nicht verkehrt ist. Außer meiner Tante Linda die letzten Mittwoch verstorben ist habe ich niemanden aus der Familie mit gutem Gewissen im Kopf. Tante Linda ist die Schwester meines Vaters und das genaue Gegenteil von ihm. Sie ist keine gewalttätige Alkoholkonsumentin und verheimlicht nicht alles und bleibt immer pessimistisch. Sie ist meine Ersatzmutter sozusagen. Doch das allerbeste an ihr ist, dass ich durch sie meine Leidenschaft fürs Theater entdeckt habe. Wer denkt, dass der Sport mein Leben ist, liegt falsch da es nur etwas nebensächliches ist fürs bessere Aussehen. Theater erlaubt mir abzuschalten und jemand anderes zu sein ohne dafür bestraft zu werden. Seit ich neun bin hatte sie keine Premiere von mir verpasst und war das einzige Familienmitglied was sich je für mich Zeit genommen hat. Mittlerweile spiele ich seit sechs Jahren auf der Bühne was heißt das ich demnach 17 Jahre alt bin. Für mich legte sie so oft eine sehr weite Strecke zurück um mich zu besuchen oder für die Ferien abzuholen. Doch trotzdem hatte sie immer ein Lächeln auf den Lippen und war eine harte Kritikerin was das Thema Schauspielerei eingeht. Eine wundervolle Heldin und ich vermisse sie wie verrückt. Mittlerweile habe ich blaue Lippen und steige aus der Dusche. Mit einem um die Hüften geschlungenen Handtuch verlasse ich das Badezimmer und gehe in mein Zimmer. Gerade als ich mich anziehen wollte, wurde meine Zimmertür mit Aggression aufgerissen. Ein wahrscheinlich betrunkener Vater stand im Türrahmen und hielt zusammengeklappte Umzugskartons in der zittrigen Hand. Meine Güte seine Präsenz erzeugt schon pure Abneigung gegen ihn. „Ich hoffe du weißt noch wo Linda wohnt, sie hat dir nämlich ihr Haus hinterlassen und ich schmeiße dich offiziell von hier raus damit du wegziehst du bist alt genug. Falls du das Jugendamt rufst erzähle ich ihnen die Geschichte mit James, klar? Ab Montag gehst du da auf die Highschool, die Broschüren habe ich in einen Karton reingelegt. Um 20 Uhr bist du raus von hier, aus Freundlichkeit habe ich dir das Haus mit Lebensmitteln auffüllen lassen.", waren seine letzten Worte bevor er mit neutraler Miene mein Zimmer verlässt. "Ich hasse dich!", schreie ich ihm noch hinterher, aber das geht unter vom Geräusch des knirschenden Kies in der Einfahrt. Jeder andere Jugendliche müsste jetzt traurig sein, das eigene Heim zu verlassen, doch auf einmal kam mir so ein unbeschreibliches Gefühl der Leichtigkeit hoch. Irgendwie stieg mir ein Lachen in den Hals und ich ließ es herzlich raus. Ich hätte nichts zu Verlieren, da ich meine Premieren letzten Monat hatte und ich deshalb an kein Theaterstück gebunden war. Meine Beliebtheit könnte ich mir auch an der neuen Schule erkämpfen, die mit Sicherheit auch eine Theatergruppe hat. Freunde hab ich schon immer schnell gefunden obwohl ich nie einen länger als fünf Jahre hatte. Also werde ich meine Aktuellen nicht vermissen, was sich ziemlich hart anhört. Mit Mädchen hatte ich noch nie etwas längeres am laufen, da ich eher der Typ für kurzes bin. Bekannt als „Connor Perez, der spanische Macho" Und ehrlich gesagt bin ich schon etwas stolz darauf. Als ich merkte wieviel Zeit ich schon vertrödelte, zog ich mich schnell an und begann sofort mit dem Packen da ich in 90 Minuten schon raus muss. Nachdem all meine Kartons sicher in meinem neuem Audi verstaut waren, fischte ich mein Handy aus der Hosentasche um eine social media Nachricht zusammenzufassen, dass ich wegziehe. Da ich eine relativ große Reichweite habe, sehen in den ersten Sekunden schon 92 Leute meine Verkündung. Direkt reagieren schon ein paar mit traurigen Emojis.

Diese Leute können mir ab heute gestohlen bleiben. Ab jetzt beginnt ein neues Lebenskapitel.



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