Kapitel 3

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Das Haus hatte sich kein bisschen verändert seitdem Tante Linda gestorben ist und jetzt, wenn ich hier stehe, vermisse ich sie umso mehr. Es wird mir nämlich keiner mehr mit so viel Liebe begegnen und sich so dermaßen freuen mich zu sehen wie sie. Aber wenn ich anfangen würde zu weinen,  dann wäre es schon ziemlich peinlich vor einem anderen Menschen und vor allem einem kleinen Mädchen mit einer Verletzung. Apropos kleines Mädchen mit Verletzung: Dalia schaut mich erwartend an während noch Bluttropfen aus ihrer Wunde kommen.  Ich weiß, dass die Inneneinrichtung sie umhauen wird, da das Haus von außen wirklich sehr simpel aussieht. Während die Außenfassade aus älterem Holz besteht und das Dach teilweise mit Moos bedeckt wird, befindet sich im Inneren das absolute Traumhaus. Die Böden sind mit weißen Fliesen belegt und die Möbel sind in schlichten und hellen Farben. Die Küchenplatten bestehen aus Granit und alle Geräte sind immer auf dem neuesten Stand. Jetzt sollte ich ernsthaft aufhören zu schwärmen und die Tür aus Kirschbaumholz aufschließen, in der ein Rabe eingeschnitzt ist. Dalia tritt ein bevor ich überhaupt eine Wand anschauen konnte. Und ich hatte das Haus wirklich sehr genau beschrieben. So ziemlich die Definition von perfekter Einrichtung. Natürlich musste ich mich erstmals um meinen Gast kümmern den ich aus den Augen verloren habe. Ich lief die Treppen hinauf und rief immer wieder ihren Namen, der durch die Flure hallte. Doch dann sah ich Licht im Schlafzimmer meiner Tante brennen. Als ich den Raum betrat sah ich Dalia auf dem Boden sitzen und mit meinem alten Kuscheltier spielen. Es war ein kleiner Hund mit einem Ohr das angenäht wurde. Ich musste als siebenjähriger so weinen als das Ohr abfiel und so hatte Tante Linda keine Sekunde gezögert um ihr Nähzeug rauszuholen. Warum muss Krebs existieren? In diesem Moment sind aus mir alle Emotionen die ich in vergangener Zeit in mich rein gestopft habe raus geflossen. Wortwörtlich rausgeflossen. Ein Heulkrampf übermannte mich und verursachte ein Stechen in der Brust. Ich ließ mich an der Wand hinuntergleiten, da ich nicht mehr aus eigener Kraft stehen konnte und sich meine Sicht durch den Tränenschleier betrübte. Hört sich zwar total unreif an aber das musste alles raus, egal wer anwesend ist. Ich merkte gar nicht mal mehr, dass Dalia im Zimmer war, bis sich eine warme kleine Hand auf mein Knie legte und eine andere versuchte mir die Tränen weg zu wischen. Als ich zu ihr aufsah, bemerkte ich das ihre Augen glasig waren und deshalb nahm ich sie in den Arm. So was Wundervolles passiert nicht oft im Leben und egal was passiert und egal wie schlecht ich sie kenne weiß ich jetzt schon, dass ich für immer für sie da sein werde.  Mittlerweile merkte ich wie ihre Atmung sehr langsam wurde und als ich mich zu ihr runter beugte, stellte ich fest das ihre Augen geschlossen waren. Eigentlich sollte ja noch ihre Wunde versorgt werden, was aber momentan keine Priorität mehr hatte. Mit Dalia in den Armen stand ich auf und ging rüber ins Gästezimmer. Dort lud ich sie ab ins Bett und deckte sie sorgfältig zu. Bevor ich das Zimmer verließ um sie in Ruhe schlafen zu lassen holte ich ihr noch schnell das Kuscheltier und legte es neben sie. Genau dann, als ich die Treppenstufen runter gekommen bin, klopfte es an meiner Haustür.


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