Das erste Geheimnis

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Dracos Sicht


Die Zeit, in der die jährliche Zuordnungszeremonie mit diesem gammeligen, alten Hut stattfand, nutzten meine Freunde und ich stets, um uns über unsere Sommerferien zu unterhalten. Da meine Ferien aber nichts waren, über das ich angesichts der Tatsache, dass ich in diesen offiziell zum Todesser geworden war, gerne sprechen wollte, schweifte mein Blick immer wieder zu dem Lehnstuhl ab, auf den sich abwechselnd die Erstklässler setzten. Ich runzelte die Stirn.


„Malfoy?", sprach Zabini mich von der Seite an. Ich riss den Kopf herum und blickte in das hämische Grinsen meines Freundes. „Hast du sie schon gesehen?"

„Wen?", fragte ich und drehte mich wieder um.

„Gwyneth Jade Cherleton", drang die Stimme von McGonagall in dem Augenblick durch die Große Halle. Gwyneth schritt, ohne zu zögern, die Stufen zur Empore hoch, strich sich den Umhang glatt, bevor sie sich auf die Kante des Lehnstuhls setzte und die Beine überschlug. Blaise tippte mir auf die Schulter.

„Was?", zischte ich, ohne ihn anzusehen.

Gwyneth trug ihr honigblondes Haar in einem unordentlichen Dutt, der aussah, als hätte sie ihn sich binnen Sekunden gebunden.


Wenn ich nicht gewusst hätte, dass sie eine reinblütige Hexe und Tochter von zwei hochrangingen Todessern war, dann hätte ich sie für ein einfaches Schlammblut gehalten. Wie konnte man sich nur so gehen lassen? Vater verabscheute Mädchen, die sich nicht um ihr Äußeres scherten.

„Malfoy? Hast du mir zugehört?"

Wütend riss ich den Kopf herum. „Verdammt, was willst du, Zabini?"


Ein hämisches Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Du solltest vielleicht eines wissen, bevor du dich Hals über Kopf in die Neue verliebst."


„Ich werde mich nicht –"

„Sie ist verlobt."

Ich hielt wie versteinert inne. „Was?" Dann verzog ich das Gesicht zu einer Grimasse. „Blaise, was redest du da? Sie ist doch nicht..."


„Sie ist verlobt", sagte er eindringlich. „Meine Mutter ist mit ihrer Mutter befreundet. Sie hat sich diesen Sommer jemandem versprochen. Wundert mich, dass du es nicht weißt."


Mittlerweile hatten auch die anderen ums uns herum unser Gespräch mitbekommen. Pansy Parkinson, die sich seit etwa einem Jahr als meine Freundin bezeichnete, ohne dass ich dieser Beziehung tatsächlich zugestimmt hatte, verengte die Augen zu Schlitzen.

„Draco-Schatz, was redet er da für einen Schwachsinn?", fragte sie mit zuckersüßer Stimme, obwohl ihr Blick Bände sprach. Ich winkte ab. „Halt die Klappe, Pansy. Mit wem hat sie sich verlobt, Blaise? Und wie hätte ich das wissen sollen?"

Obwohl ich probierte, die Neugier in meiner Stimme zu verbergen, funkelte Pansy mich wütend an.

„Sein Bruder ist mit deiner Tante verheiratet." Er schob die Augenbrauen zusammen, als könne er nicht glauben, dass ich diese Information noch nicht bekommen hatte. Wie auch? Bis vor ein paar Wochen hatte ich nicht einmal von ihrer Existenz gewusst.

Ich dachte einen Moment nach, bevor ich die Augen aufriss.

„Rabastan", sagte ich erst überrascht, bevor ich abfällig lachte. „Rabastan Lestrange."

„Ist der Typ nicht hundert Jahre alt?", fragte Pansy mit gerümpfter Nase, obwohl keiner mit ihr gesprochen hatte.

Deshalb hatte er mir also bei der Geburtstagsfeier meiner Mutter so gehässige Blicke zugeworfen... Er hat geglaubt, ich würde seiner Verlobten Avancen machen.

„Dreiunddreißig hat meine Mutter gemeint." Dann lehnte er sich verschwörerisch vor und richtete das Wort nur an mich. „Aber das soll wohl erstmal ein Geheimnis bleiben. Verständlich, wenn du mich fragst – nicht mal wenn es zwei Reinblüter sind, ist so eine Ehe in der Zaubererschaft hoch angesehen. Also, wenn ich meine sechszehnjährige Tochter mit einem dreiunddreißigjährigen Todesser verheiraten wollen würde, würde ich das auch für mich behalten."

„Warum interessiert es euch, wen diese Schlampe heiraten wird?", mischte Pansy sich ein.

Dabei hatte sie dieses hinterhältige Funkeln in den Augen, das sie nur hatte, wenn sie eine Intrige plante. In dem Moment rief der sprechende Hut laut „Slytherin!" und die meisten Slytherins applaudierten, die einen euphorischer als die anderen. Gwyneth Cherleton, die Protagonistin dieses frischen Skandals, kam mit federnden Schritten auf unseren Tisch zu.

„Ich werde mal testen, wie treu die Kleine ihrem Traummann tatsächlich ist", flüsterte Blaise mir noch dreckig grinsend zu, ehe er Gwyneth heranwinkte. Sie setzte sich zwischen Pansy und Blaise und nickte reserviert in die Runde, ehe sie sich ohne ein weiteres Wort die Zeremonie ansah.

Pansy, der man ansah, dass sie ein solches Verhalten nicht tolerierte, räusperte sich. Erst leise, aber als sie feststellte, dass Gwyneth nicht reagierte, wurde ihre Stimme lauter.

„Ich bin Pansy Parkinson", stellte sie sich vor und streckte dem Mädchen die Hand entgegen. Gwyneth schüttelte sie nach kurzem Zögern.

„Wer du bist, weiß ich", redete Pansy weiter, jetzt mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ich bin hier die Vertrauensschülerin, zusammen mit Draco. Ihn kennst du ja schon. Also tust du besser, was wir dir sagen, wenn du es dir nicht schon am ersten Tag mit deinem Hauslehrer verscherzen willst."

„Ah, Professor Snape", sagte sie, ihr Blick huschte kurz zum Lehrertisch rüber. Ihre Miene erhellte sich in dem Moment, in dem sich Pansys verfinsterte. „Er ist ein jahrelanger Freund der Familie. Ich glaube nicht, dass er es mir übelnimmt, wenn ich, sagen wir, meinen freien Willen behalte."

Gwyneth beendete ihren Satz mit einem Lächeln und was mich wunderte, war, dass es genauso ehrlich und aufrichtig aussah, wie das, was sie mir vor ein paar Wochen an der Eingangstür des Malfoy Manor geschenkt hatte.

Zwischen Schwermut und LeichtsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt