Zu Hause angekommen schminke ich mich ab und mache mich bettfertig. Irgendwie bin ich noch ein wenig aufgekratzt. Ich habe heute Abend einfach soviel Neues erlebt. Irgendwie fühle ich mich komisch. Komisch, aber gut. Ich freue mich auf jeden Fall, dass Lou mich eingeladen hat. Und dass es ihr scheinbar viel bedeutet hat, wie ich nach eingehenden Analysen des Abends für mich entscheide. Und auch, dass Jo mich in seinem Team haben wollte. Und dass er gesagt hat, er findet, dass ich gut aussehe. Generell war er einfach so nett und... normal zu mir. Als wäre ich ein ganz normales Mädchen, so wie die anderen auch. Und keine Langweilerin.
Ich denke darüber nach, ob ich ihn mag. Und ich stelle schnell fest: ja. Und dann denke ich darüber nach, ob ich in ihn verliebt bin. Und da muss ich sagen: Ich weiß es nicht. Ich war noch nie richtig verliebt. Klar, ich habe immer mal wieder für einen Jungen geschwärmt. Aber so richtig verliebt war ich noch nie. Und einen Freund habe ich natürlich erst recht noch keinen gehabt.
Aber ich mag Jo. Ich mag ihn wirklich. Und ich schlafe mit den Überlegungen dazu ein, ob ich jetzt in ihn verliebt bin, oder nicht. Und ob ich überhaupt eine Chance bei ihm hätte.
Am nächsten Tag gehe ich mein Fahrrad bei Lou holen. Schließlich brauche ich es spätestens am Montag, um zur Schule zu kommen. Mama bringt mich mit dem Auto kurz bis zu ihr. Als ich gerade dabei bin, das Schloss zu lösen, geht die Tür auf. Lou steht im Rahmen, in kurzen Jeans Shorts und Tanktop.
"Hey, alles klar?" ,fragt sie lässig an den Türrahmen gelehnt.
"Ja, und bei dir? Wollte nur kurz mein Rad holen kommen"
"Auch. Komm doch rein, oder hast du noch was vor?"
Ich schüttele den Kopf und schließe mein Rad wieder ab. Dann folge ich Lou rein. In der Küche holt sie eine Flasche Wasser und zwei Gläser. Wir gehen hoch in ihr Zimmer.
"Ist Jo nicht da?" ,frage ich auf der Treppe.
"Nein, der ist unterwegs" ,sagt Lou.
"Oh", sage ich nur, und versuche nicht allzu enttäuscht zu klingen.
Den Nachmittag über liegen wir auf Lous Bett, hören Musik und reden über alles und nichts. Sie hat die Fenster weit geöffnet, und immer wieder fluten Vogelgezwitscher und Sommerluft das Zimmer. Die Vorhänge bewegen sich im Wind.
Als ich abends nach Hause komme, ist zu Hause ziemlich schlechte Stimmung.
"Kannst du uns bitte verraten, wo du warst? Wir haben uns tierische Sorgen gemacht!" ,mault mich Papa an, als ich zur Tür rein komme.
"Ich war noch bei Lou" ,sage ich kleinlaut.
"Schon wieder? Ich denke, ihr habt euch erst gestern gesehen?"
"Ja, schon wieder. Manchmal sieht man Menschen öfter, wenn man sie mag." ,erkläre ich augenverdrehend.
Das kennen meine Eltern nicht von mir. Ich schaue Papa an, erschrocken von meinem eigenen Verhalten. Der sieht aus, als würde er im nächsten Moment platzen. Sprachlos starrt er mich an, aber in seinem Inneren wird der Ballon der Wut immer größer und größer, ich kann es sehen. Gleich platzt er, und dann brüllt er los. Bei so was versteht er keinen Spaß.
"Ich gehe hoch" ,sage ich schnell und flüchte die Treppe hoch. Noch ehe ich meine Zimmertür erreicht habe, höre ich die Bombe platzen. Papas Worte füllen das ganze Haus mit Ärger und Wut. Ich verdücke mich in meine eigenen vier Wände und schließe schnell hinter mir ab.
Ich höre Papa unten noch eine ganze Weile wüten. Einmal kommt er hoch und poltert an meine Tür, aber ich traue mich nicht, aufzumachen. Verschreckt habe ich mich in mein Bett gekuschelt und versuche, die Welt draußen mit meiner Bettdecke von mir abzuschirmen.
Heute Mittag war doch noch alles gut. Und jetzt dieser Ärger. Meine gute Stimmung ist natürlich komplett weg. Betrübt liege ich da und beobachte, wie das Licht im Raum langsam dunkler wird, bis ich nur noch die Konturen meiner Möbel erkennen kann.
Irgendwann klopftes wieder an der Tür. Diesmal aber zaghaft. Dann höre ich Mama sprechen:
"Elisa? Ich bin's... Hör mal, uns geht es doch nur darum, dass du uns Bescheid sagst, wenn du weg bist, ja? Ich freue mich sehr für dich, dass du dich mit Louise so gut verstehst. Aber wir haben uns doch nur Sorgen gemacht. Ruf einfach das nächste Mal an, wenn so was ist."Es ist leise hinter der Tür. Fast denke ich schon, dass Mama sich lautlos weggeschlichen hat, doch dann höre ich sie erneut sprechen:
"Wir gehen jetzt auch ins Bett. Gute Nacht, Schatz".Dann höre ich ihre Schritte, die sich Richtung Badezimmer bewegen. Kurze Zeit später höre ich auch Papas Schritte auf der Treppe. Ich lausche, und höre sie beide ins Bett gehen. Dann ist das Haus ruhig. Ich bleibe noch eine Weile reglos im Bett liegen. Schließlich stehe ich auf und setze mich auf mein Fensterbrett. Es ist noch immer warm. Das Fenster ist auf und Nachtluft weht herein. Ich atme sie tief ein. Ich sitze noch lange so da und denke über alles nach. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen wird.
![](https://img.wattpad.com/cover/217585812-288-k364e7b.jpg)
DU LIEST GERADE
Lilly & Lou
Teen FictionLillys beschauliches Leben ändert sich, als sie sich mit der neuen Mitschülerin Lou anfreundet. In Lou findet sie seit langem die erste Freundin, und Lou wird nicht nur Lillys einzige, sondern vor allem auch ihre beste Freundin. Zwischen Schule, Par...