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In den nächsten zwei Wochen freunden sich Lou und ich mehr und mehr an.

Lou ist unglaublich. Sie kennt keine Langeweile. Sie hat immer gute Laune. Sie kann mich immer aufheitern. Mit ihr zusammen komme ich mir vor wie ein normaler Mensch, und nicht wie der Loser, als den ich mich immer gesehen habe.

Auch in der Schule hat unsere ungewöhnliche Freundschaft Aufsehen erregt. Ich habe es ja von Anfang an gesagt, Lou ist jemand, mit dem jeder befreundet sein möchte. Und meine Vermutung hat voll ins Schwarze getroffen. Alle möglichen Leute buhlen um sie. Selbst Kira und ihre Freundinnen, die zweiffellos zu den beliebtesten der ganzen Stufe gehören, suchen immer wieder Lous Aufmerksamkeit. Jedes Mal, wenn Kira mich mit Lou reden sieht, schaut sie mich ziemlich böse an. Und mit jedem Tag ist sie dafür netter zu Lou. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Lou mich für eine von ihnen stehen lässt, denke ich.

Aber Bis jetzt schlägt Lou sich wacker.

Eines Morgens kommt sie wieder zu mir, mit einem Strahlen im Gesicht, dass tausend Glühbirnen ersetzen könnte.

"Ich habe tolle Neuigkeiten!" ,flüstert sie mir zu, als wir zu unserem nächsten Kurs gehen.

"Lass hören" ,wispere ich zurück.

Kira hat mich bereits wieder im Blick. Sie sieht alles andere als glücklich aus.

"Nächsten Freitag veranstaltet einer von Jo's Freunden eine Party, und du und ich und Paula gehen da hin"

"Komtt Jo auch?" ,rutscht es mir heraus.

"Ja, der kommt auch."

Am Freitag machen wir uns wieder bei Lou zu Hause feritg. Paula ist auch da, aber dieses Mal ohne ihren Freund. Lou hat Musik angemacht und bietet an, uns alle zu schminken. Ich nehem das Angebot erleichtert an, ich habe einfach kein Talent dafür.

Ich habe mich die ganze Woche darauf gefreut. Nicht nur, mit Lou zusammen was zu unternehmen. Die ganze Woche über habe ich mir vorgestellt, wie es wohl ist, Jo wieder zu sehen.

Aber jetzt sind wir hier in Lou's Zimmer, und meine Stimmung sinkt von Minute zu Minute immer tiefer. Ich weiß auch nicht genau, woran es liegt. Irgendwas ist einfach komisch.

Ich versuche eine Zeit, mich ganz normal wie immer mit Lou zu unterhalten, während wir uns weiter fertig machen. Bald schon habe ich analysiert, was hier der störende Faktor ist. Und der stört mich gewaltig. Aber das würde ich nie offen zugeben. Viel zu sehr befürchte ich, dass Lou mir den Laufpass für unsere Freundschaft geben wird und sich für Paula entscheidet. Denn genau die ist es, die hier die Stimmung vergiftet.

Lou und ich sind soweit beide ganz normal. Aber jedes Mal, wenn ich einen Witz mache oder etwas sage, reagiert Paula entweder überhaupt nicht, oder sie antwortet entwas Abfälliges. Und außerdem versucht sie die ganze Zeit, Lou's Aufmerksamkeit nur für sich zu beanspruchen.
'Lou, kannst du mir die Haare machen? Kannst du mir das Kleid zu machen? Kann du mir kurz zeigen, wo ihr im Bad eine Steckdose für das Gätteisen habt?'.
Das geht die ganze Zeit so. In einer Tour versucht sie, Lou von mir weg zu ziehen, am besten ganz in einen anderen Raum.

Schweigend und bedrückt mache ich mich fertig und schaue mich im Spiegel an. Zurück schauen traurige Augen.

"Hey, bist du startklar?" ,fragt Lou mich, die gerade aus dem Bad kommt.

"Ja, klar" ,sage ich, und will an ihr vorbei gehen. Aber sie hält mich am Arm fest und zieht mich zurück.

"Was ist denn los?"

"Ach, nichts, bin nur noch nicht in der richtigen Stimmung. Das kommt sicher gleich" ,weiche ich aus. Sie lässt meinen Arm los und lässt mich gehen.

Auf der Party angekommen treffen wir sofort auf Jo. Er will uns alle Bier in die Hand drücken, aber ich lehne dankend ab. Meine Erfahrungen damit von letztem Mal reichen mir. Jo scheint es zu akzeptieren, jedenfalls hakt er nicht weiter nach und lässt mich mit dem Thema einfach in Ruhe. Schon bald merke ich aber, dass mir etwas in der Hand fehlt, an dem ich mich festklammern kann. Ich gehe also los, und hole mir ein Glas mit Fanta, auch wenn es irgendwie blöd aussieht. Trotzdem ist es besser, als mit leeren Händen dazustehen. Verrückt, wie einem ein Glas so viel Sicherheit geben kann.

Es sind viele Leute da. Vor allem im Wohnzimmern tummeln sich alle möglichen Menschen. Hier steht die Anlage, hier ist die Musik am lautesten. Viele tanzen zwischen Sofas und Fernseher.

Lou und Paula bahnen sich abwechselnd den Weg durch die Menge. Ich laufe ihnen einfach hinterher. Sie kennen hier bestimmt eine Millionen Menschen. Ständig halten sie an um irgendjemanden zu begrüßen. Ich stehe daneben und halte mein Glas fest. Ich bin ziemlich unsichtbar.
Irgendwann sehe ich Jo wieder, und als er meinene Blick bemerkt, winkt er mich zu sich rüber. Erleichtert gehe ich hin. Wir unterhalten uns eine ganze Weile. Er ist immer noch so unglaublich nett zu mir. Ständig bringt er mich zum lachen. Wenn ich mit Jo rede, bin ich nicht unsichtbar. Wenn ich mit Jo rede, bin ich ein Mädchen wie jedes andere. Und das ist gut.

Während Jo weiter und weiter redet, und ich an seinen Lippen hänge, sein Lächeln bewundere, seine Augen betrachte, drängt sich mir wieder der eine Gedanke auf: Bin ich in Jo verliebt? Und in diesem Moment weiß ich: Ja!

Es dauert nicht lange, da wird meine Gewissheit mir aber auch schon zum Verhängnis. Ich bin gerade dabei, mich immer besser zu fühlen. Ich bin hier mit ihm, ich weiß, dass ich in ihn verliebt bin, ich denke, dass ich Chancen habe, dass er sich auch in mich verlieben könnte, ich meine, er mag mich zumindest, oder? Und ich stehe hier, bei ihm, und wir unterhalten uns, und er hält mich vermutlich sogar für witzig, letztes Mal hielt er mich für schön, vielleicht ja jetzt auch? Bestimmt! Ja, ich habe gute Chancen, sehr gute, die besten, die ich jemals hatte! Also sage ich noch etwas Lustiges und Jo lacht, und ich liebe sein Lachen, ich sehe ihm zu, wie er lacht...

Da hört er plötzlich abrupt auf, und fixiert etwas hinter mir.

Irritiert drehe ich mich um.

"Hey, sorry, aber ich muss mal kurz mit jemandem reden" ,sagt er zu mir, ohne mich anzusehen, schiebt mich zu Seite, und geht auf das Mädchen zu, das gerade hinter mir den Raum betreten hat. Unsicher stehe ich mitten im Raum und weiß nicht, wohin mit mir.

"Na, das ging aber schnell" ,höre ich plötzlich eine Stimme neben mir. Ich drehe mich um. Es ist Paula.

"Hast wohl gedacht, Jo könnte sich für dich interessieren? Vergiss es. Der hat doch nur Isabel im Kopf, und selbst wenn nicht, als ob er sich ernsthaft für dich interessieren würde."

Mit diesen Worten verlässt sie mich und verschwindet im Party Getümmel. Ich stehe wieder verlassen mitten im Raum.
Mühsam versuche ich, keine Mine zu ziehen. Jetzt bloß cool bleiben, und ja nicht heulen! ,rede ich mir ein. Endlich erwache ich aus meiner Starre und gehe los. Ich muss hier weg. Das mit Jo war schon schlimm genug, aber das mit Paula? Das war echt das Sahenhäubchen! Ich hätte wissen müssen, dass Jo sich niemals für jemanden wie mich interessiert. Trotzdem hätte Puala mir das nicht auch noch so unter die Nase reiben brauchen! Von einer Sekunde auf die nächste ist der Turm an guten Gefühlen in mir eingekracht, als bestünde er aus Bauklötzen.

Im Flur finde ich Lou, die gerade für die Toilette ansteht.

"Hey, alles klar bei dir? Du siehst irgendwie nicht gut aus" ,fragt sie mich besorgt.

"Ja, also, ähm, nein. Ach... Das hier ist einfach nicht so mein Ding, okay? Ich gehe am besten einfach nach Hause"

"Warte, du kannst nicht alleine nach Hause gehen!" ,sagt sie und fasst mich am Ärmel, damit ich nicht weglaufen kann. "Das ist viel zu gefährlich!"

"Lass doch die Langweilerin einfach gehen, Lou. Im Ernst, warum gibst du dich mit der überhaupt ab?" ,tönt es plötzlich hinter ihr. Es ist wieder Paula. Immer muss sie auftauchen, wenn es nicht passt.

Aber Paulas Worte bestärken meinen Entschluss nur noch. Während Lou etwas erwidert (was, kann ich nicht sagen) reiße ich mich los und laufe zur Haustür. Auf dem Weg angele ich noch schnell nach meiner Jeansjacke. Dann bin ich auch schon die Tür raus und auf der Straße. Ich renne schnell. Und Lou holt mich nicht ein.  

Lilly & LouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt