Schmerz

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Das Blut rann über meinen Unterarm. Es hatte mir nie Spaß gemacht mich selbst zu verletzen. Aber so habe ich eben die Prügeleien meines Vaters kompensiert. Es half mir den ganzen Mist zu verarbeiten. Als ich die rote warme Flüssigkeit sah, war ich erstmal für den Moment beruhigt. Ich hatte die Macht dazu es fließen zu lassen oder das es aufhört. Ich hatte die Kontrolle über mich.
Das dachte ich zumindest.

„Wie lange lebst du schon hier Satori?", fragte Ushijima und riss mich aus meinen Gedanken.
„Seit paar Monaten.", antwortete ich knapp. Es war bereits dunkel geworden und Mondlicht fiel durch das schmale Fenster auf den Boden.
„Gefällt es dir hier?"
Warum will er ein Gespräch mit mir anfangen? Ich hatte keine Lust von Yōkai zu Yōkai zu reden.
Ich wollte diese Seite nicht wieder von mir fühlen.
„Keine Ahnung.", murmelte ich und kehrte ihm den Rücken, indem ich mich auf die Seite legte. Ein klares Signal meinerseits.

Der ist komisch. Nachdem er hier einfach aufgetaucht ist und meine Arme abgeleckt hat, hatte er sich das Gelände angesehen.
Ich konnte nicht herausfinden was seine Mission hier war, aber er hatte wohl mit den Menschen zu tun. Es ist doch immer so, wenn wir Wesen uns in die menschliche Welt begeben, das eben sie der Grund sind. Warum auch sollte es nicht so sein?

Er soll meine Narben nie nie wieder anfassen! Das war nicht zum aushalten!
Noch immer spürte ich seine feuchten Lippen auf meiner Haut.
Ekelhaft.
Ich kniff meine Augen zusammen und machte keinen Ton mehr. Ich merkte das meine Glieder irgendwann doch schwerer wurden und schlief ein.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte stellte ich fest das ich verschlafen hatte. Ich wollte schon aufspringen und hektisch meine ganzen Sachen zusammen suchen, da fiel mir ein das ich Freitag die ersten drei Stunden frei hatte, aber dafür am Nachmittag länger.
Fuck.
Ich seufzte gequält die Luft aus meinen Lungen und lies meinen Kopf hängen. Mein Blick hob sich langsam als nackte Beine in mein Sichtfeld kamen. „Warum läufst du im Zimmer nackt rum?!", maulte ich anstatt guten Morgen zu sagen.
„Weil wir im Zimmer sind. Stört es dich?"
„...Nein..."

Ushijima hatte kräftig trainiert Waden, seine Beine wirkten perfekt. So makellos, jede einzelne Muskelfaser war schön definiert. Aber das perfekte Bild wurde von Narben unterbrochen, was mich nicht störte. Narben gehörten zu meinen täglichen Aufgaben, zog ich mich an sah ich Narben, zog ich mich aus ebenso. „Du hast Narben.", brummte ich.
„So wie du welche auch hast." Die Beine verschwanden in einer weißen Jogginghose. „Nur ich bin nicht kaputt. Du aber schon.", sprach er weiter.
Ich schloss meine Augen, er sollte aufhören so über mich zu reden. „Ich bin nicht kaputt!", sagte ich daraufhin. „Ich bin... nicht mehr so kaputt! Bitte nenn mich nicht so."
„Wie soll ich dich dann nennen? Satori ist mir zu langweilig. Und Yōkai findest du ja auch nicht passend.", meinte er. Er hatte sich vor mich gesetzt. Ich sah es, da ich endlich meinen Blick gehoben hatte und er mir in die Augen sah. Ruhig erwiderte ich den Blick. „Ich bin auch kein Yōkai.", vertrat ich stur meine Lüge weiter.
Ich bin nicht so wie du. Eben einfach nicht vollwertig.
„Du solltest dich doch nicht verleugnen Monsterchen."
Hatte ich richtig gehört? Monsterchen?
„Wie hast du mich gennant?" Auf seine restliche Aussage gab ich nichtmal mehr acht.
Ushijima lachte, was bitter und traurig klang. Er stand auf und kam vor mich, beugte sich zu mir herab, sodass unsere Lippen sich fast berührten. „Monsterchen passt zu dir. Ich finde schon noch heraus was dein Problem ist." Seine Finger wanderten wieder über meine Arme. Er zeichnete die Narben entlang, so als ob er sie abzählte. Wie wenn Magersüchtige ihre Rippen abzählen, so fühlte es sich an.
„Ich habe kein Problem. Eher das du mich bedrängst, hör auf damit." Sein Atem prallte auf meine Lippen, er wich nichtmal zurück als ich sprach.
„Ich finde dich süß. Gebrochene Yōkai waren schon immer meine Schwäche... egal ob männlich oder weiblich. Euer Schmerz ist einfach... das was ich brauche."
„Das klingt krank."
„Ich weiß. Ist es auch. Aber ich bin ein Oni, also passt das."
Ich schwieg und wollte zur Seite starten, aber das spürte ich seine Lippen auf meinen.
Yōkai sehnten sich nach einem Licht, einer Wärme, die nur von Menschen ausging. Fast jeder Yōkai machte diese Phase einmal durch. Aber ich wusste nicht das es auch solche gibt die wie Ushijima waren.
Die den Schmerz der Personen wohl aussaugten.
Also erwiderte ich, schloss meine Augen und schmeckte seine Lippen. Seine Zunge. Ich kostete von seiner rauen Art, erlaubte das er mehr von meinem Schmerz haben konnte. Unsere Zungen tanzten etwas miteinander, ich hatte angenommen er würde noch mehr machen, weiter gehen, aber da löste er sich. „Wie lange bist du schon so alleine?", hauchte er.
„Ich bin nicht alleine."
Wann hatte ich nochmal mit meiner Ex Schluss gemacht? Als ich beschloss aufs menschliche Internat zu gehen. Also knapp vor einem Jahr. Seit einem Jahr war ich also Single. Meine Beziehung zu Yuki hielt zwei Jahre. Aber wir hatten uns auseinander gelebt, das hatten wir beide gemerkt. Nur hatte ich erst den Mut dazu ihr es zu sagen, als sich die Chance bot zu den Menschen zu verschwinden.
Traurig aber ich wahr.
Meine Beziehung zu meinem Ex-Freund hielt fünf Jahre. Er hatte Schluss gemacht da er jemanden anderen gefunden hatte und. Er meinte es tut ihm leid, aber Vorspielen wollte er mir auch nichts. Reife Entscheidung von ihm. Ich habe trotzdem rotz und Wasser geheult.

Männer fand ich schon immer attraktiver, aber bei Frauen war ich nun auch nicht abgeneigt.
Ich spürte Ushijima's Lippen an meinem Hals wieder. „Doch bist du. Ich finde heraus was mit dir los ist..."
„Es ist nichts los.", murmelte ich nochmals. Warum lies er nicht locker?

Oni ließen nie locker.
Ich seufzte wohlig auf, da er mein Schlüsselbein küsste. Also hatte er nun auch schnell meine Schwachstelle gefunden.
„Dafür das ich dich bedränge gefällt dir das aber sehr gut Monsterchen.", raunte er als er sich kurz von meiner Haut löste.
Ich hatte gar nicht gemerkt das ich meine Finger an sein Shirt gekrallt hatte.
„Halt's. Maul.", knurrte ich. Ich kann doch nichts dafür das mein innerlicher Trieb mich dazu bringt geil zu werden und sich wohl fühlen zu wollen.
Dahingestellt das ich dich nicht kenne.
„Wir haben beide Freistunden... wenn du willst können wir es treiben. Dann sitzt du viellicht besser gelaunt im Unterricht." haute er einfach raus. Ich zog meine Augenbraue hoch und blickte ihn an. Hatte ich es so nötig? Ja. Aber...
„Nein." Ich drückte ihn mit einem Ruck weg, diesmal lies sich Ushijima auch zurück drängen. Erstmal musste ich wissen was er hier wollte. Und danach konnte ich ja noch immer mit ihm schlafen. Ich schnappte mir meine Sachen und lief stumm ins Badezimmer wo ich die Tür schloss.
„Monsterchen!"
„Hm?"
„Schmerz lässt einen stark werden."
Ich seufzte und schloss meine Augen. Der hat doch keinen Plan.
Was uns nicht umbringt macht uns stärker, so sagt man doch... ich hatte mir aber immer gewünscht das es mich doch getötet hätte. Wäre ich paar Prügeleinheiten meines Vaters entgangen.

YōkaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt