Narben

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!Tw! - sensible Themen! Es ist niemals zu spät zum reden oder sich Hilfe zu holen!

Ushijima

Er saß auf seinem Bett. Ich hatte ihn gezwungen sich bis auf seine Unterwäsche auszuziehen. Es änderte nichts wirklich daran, denn immerhin hatte er er schon halb nackt auf dem Boden gelegen.
Seine Wunden waren tief. So tief das ich die einzelnen Strukturen der Haut sah.
Oberhaut, damit fängt es ja an.
Lederhaut.
Unterhautfettgewebe.
Selbst mit Wunden sieht er schön aus.
„An was denkst du?" fragte ich ihn leise.
„Weiß ich nicht.", raunte er.
Ich sah das er seine Arme musterte. Diese hatte ich weitgehend gesäubert, von Schmutz und unnötigem dreck entfernt. Nun waren seine Beine dran. „Hast du schmerzen?", fragte ich daraufhin. Er zuckte leicht zusammen, auch wenn er es nicht zeigen wollte.
„Nein... nicht so wirklich. Ich weiß es nicht." Satori drehte seinen Kopf weg, er wollte nicht mehr reden.
Also machte ich schweigend weiter. Am Ende trug er weiße Verbände an seinen Extremitäten, welche aber alle nach paar Minuten wieder mit Blut besprenkelt waren. „Muss das nicht genäht werden?", meldete er sich zu Wort.
„Hast du dich jemals genäht?"
„Nein. Aber ich habe die Wunden auch nie so gesäubert... wie du..." Seine Augen blickten mich leer an.
„Ach das wird schon gut gehen." Leicht klopfte ich ihm auf die Schulter, nicht mit dem Ziel ihn aufzumuntern. Aber ich wollte für ihn da sein.
Jedoch musste er selber durch diese Hölle laufen,
Immerhin hat er es sich selbst eingebrockt.
Auch wenn ich der Auslöser war.
Ich zog seinen roten Schopf zu meinen Lippen und gab ihm einen leichten Kuss. „Du solltest schlafen. Ich kümmere mich um die Menschen die dich gesehen haben."
„Gesehen? Wer hat nicht gesehen?"
„Menschen." Ich löste ihn von mir und drückte ihn sanft aufs Bett, hinunter auf seine Matratze.
„Kann nicht sein.", murmelte er. „Ich kann mich nicht mehr dran erinnern aber Menschen... nein..." Er schloss erschöpft seine Augen.
„Ich kümmere mich um alles Monsterchen."
„Nenn' mich nicht so!", hauchte er. Seine Atemzüge wurden langsamer und er schlief ein.

„Wie ist dein Schüler so?" Die raue Stimme eines alten Bekannten riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte die Menschen denen Satori kurz begegnet war, manipuliert. Für sie wirkte nun alles wie ein verschwommener Traum.
Die Stimme war rau, aber sprach er mit seinem Freund war die lieblich und dämlich. Naiv und einfach nur nervig. Aber sobald er ernst oder wütend wurde, hatte er einen rauen Ton. Der mir angenehm war.
„Tōru..."
„Hm?" Der braunhaarige blickte mich nicht an. Wir saßen nebeneinander und tranken von dem Gesöff namens Rum. Schmeckt das scheiße.
„Ich wollte dich sehen aber nicht weil ich über meinen Schüler sprechen will."
„Ich hätte dich so oder so gefragt. Du hast ihn in der Anzeige sofort gesehen und bist aufgesprungen. ‚Den will ich haben!' hast du geschrien. Natürlich merkt man sich sowas mein liebster Freund."
„Er ist kaputt."
„Deswegen wolltest du ihn doch.", antworte er. Aus dem Augenwinkel sah ich wie er seine Narben auf den Armen begutachtete. So fein und zart. Sie passten gar nicht zu seiner rauen Art.
„Er ist sehr kaputt. Er ist anders kaputt."
Tōru sah zu mir auf. „Das ist ja auch unser Geschäftsprinzip. Wir erfassen die Daten über sämtliche Han'yō. Dann schauen wir wie viele bei uns in der Welt sind und welche sich in die menschliche Welt begeben. Sobald sie sich in der menschlichen Welt eingelebt haben, tauchen wir bei ihnen auf. Wir machen sie zu unserem verlängerten Arm. Han'yō sind die Brücke zu den Menschen. Haben wir sie, können wir einfacher uns gegen die Menschen stellen."
„Ich hasse es wenn du diese Lüge erzählst. Wir wissen doch beide das wie Han'yō wegen was anderem aufsuchen."
Er lachte los.
Auch ich blickte ihn verschmitzt grinsend an. Am liebsten würde ich ihm eine reinhauen. „Deswegen kann ich dir Bezeichnung Schüler auch nicht ausstehen. Denn sie ist falsch."
Ich nahm mein Glas und trank den Inhalt leer. Rum schmeckt noch immer beschissen. Hat sich in den wenigen Minuten nicht geändert. „Weißt du wo der Unterschied zwischen unseren Narben und denen der Han'yō ist?..."
„Na klar.", murmelte Tōru und fasste wieder über seine eigenen. „Wir sind besser dran als sie. Klar ist es nicht sinnig das wir mit schmerzen uns lebendig machen... wir können es ja nichtmal schmerzen nennen. Denn es tut nicht weh. Aber ich denke mal so fühlt sich der Schmerz von angestautem Leid an. Wir sind es Leid die Monster zu sein. Die Oni. Die immer nur Unheil bringen."
Jetzt klang die raue Stimme gebrochen und leise. „Han'yō dagegen fühlen alles. So viel. Und sie wollen so dem ganzen ein Ende setzen. Aber ihr innerer Trieb erlaubt es nicht, also machen sie weiter. Und weiter. Entweder lernen sie damit zu leben oder sie verlieren sich in ihrem Loch. ...wir haben nur gutes im Sinne..."
„Wir wirken niemals gut Tōru. Niemals."
„Ich weiß." Er fuchtelte mit dem Glas rum.
„Schneide dich nicht. Oder verspürst du leid?"
„Nein... irgendwie nicht. Aber langweile. Ohne Hajime ist er erdrückend."
„Hat er sich nun endlich mit dir abgefunden ja?"
„Hey!" Seine braunen Augen sahen mich angepisst an. „Wir sind seit knapp zwei Jahren zusammen. Ich kann nichts dafür das seine Mutter noch lebt und wenn er sie besucht mich nicht da haben will!"
„Du würdest sie nur erschrecken."
„...ich weiß...", zischte er.

Wir werden von den Narben der anderen angezogen. In der Hoffnung das wir ihnen einiges Tages...

„Tōru!"
„Hm?...."
„Gut gemacht."
„Mach weiter und ich kann das bald zu dir auch sagen." Da war wieder seine Stimme die ich nicht ausstehen konnte, naiv. Nervig. Jung und unerfahren.

YōkaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt