Kapitel 2: Im Zeichen des Bösen

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Ich denke viele von uns, vielleicht sogar die ganze Stadt, wünschen sich, dass Jason Blossom nicht am vierten Juli ertrunken wäre. Dass wir am Montagmorgen zur Schule kommen würden und Jason plötzlich da wäre. Oder dass wir ihn und Cheryl einfach an einem Tisch im Pop's sehen würden. Aber sein aufgedunsener, durchnässter Leichnam ließ diesen Wunsch zerplatzen wie eine Seifenblase. Ein Leichnam mit einem Einschussloch in der Stirn und schrecklichen Geheimnissen, die nur die kalte Stahlklinge des Skalpells des Gerichtsmediziners offenlegen konnten; oder das verräterische Klopfen eines schuldigen Herzens.

Am Montag in der Schule redeten alle natürlich von Jason Blossom und vor seinen Spind waren Blumen gelegt und Kerzen aufgestellt worden. „Da eine Romanze nicht mehr in Frage kommt, sag ichs ganz direkt", sagte Kevin gerade und ich warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Ist ja mal ganz was neues", meinte ich grinsend, aber er ging nicht darauf ein und redete weiter. „Sind wir hundert Prozent sicher, dass Archie ne Hete ist? Weil kein Heteromann hat so n Body", meinte er schwärmerisch, während er Archie nachsah, der vor uns den Gang entlang lief. „Apropo Body... Hast du dich davon erholt, Jasons Leiche zu finden?", wollte Betty wissen und Kevin antwortete, dass es traumatisierender war, seinem Dad zu erklären, was er mit Moose nachts unten am Fluss gemacht hatte. „Sowas darf ein Sohn des Sheriffs doch nicht machen", imitierte er den Oberlehrertonfall und ich sah ihn etwas mitleidig an. Er hatte sich vor seinem Vater bis jetzt noch nicht geoutet und ich hoffte, dass sein Dad es akzeptieren würde, ohne ein Problem daraus zu machen. Als wir im Sekretariat angekommen waren, stand dort ein großer Strauß mit gelben Rosen auf dem Schreibtisch. „Oh mein Gott, die sind wunderschön! Sind die für Betty, Mrs. Phillips?", fragte Kevin, während er auf die Blumen zu ging. „Ja, deswegen hab ich sie hergerufen", erklärte die schon etwas ältere Sekretärin der River High. „Liebe Betty, bitte vergib mir. Küsschen Küsschen, V", las Kevin den Text auf der kleinen weißen Karte vor, die in den Blumen steckte. „Wer zum Teufel ist V?", fragte er nach, aber bevor ich meinen Verdacht äußern konnte, wer sich dahinter verbergen konnte, kam Veronica auch schon in das Zimmer. „Also gelb steht für Freundschaft", sagte sie etwas verlegen und deutete auf die Blumen. „Sollten wir uns jemals streiten und du möchtest dich bei mir entschuldigen, dann greif lieber zu Schokolade als zu Blumen bei mir", warf ich halb scherzhaft ein und Veronica lächelte mir zu. „Hör nicht auf sie, die Rosen sind wunderschön!", stellte Kevin richtig und ich grinste ihn an. „Es kann eben nicht jeder so sehr Mädchen sein wie du", gab ich scherzhaft zurück und Veronica wandte sich schließlich an Betty. „Oh, etwas schokoladiges hab ich auch dabei. Ich hab Magnoliacupcakes aus New York einfliegen lassen", erzählte sie und sah von Betty zu mir. „Gut, ein bisschen beeindruckt bin ich jetzt schon", gab ich halb als Scherz zu und Veronica sprach weiter zu Betty. „Weil, wie meine Mom immer sagt, der richtige Cupcake macht alles wieder gut. Und ich hab uns auch einen Termin reserviert im Nagelstudio Chez Salon, plus Styling", erzählte sie weiter und Kevin und ich sahen Betty an. „Es tut mir so unglaublich leid, Betty. Ich weiß nicht, was an dem Abend mit mir los war, das war so ne Zickenaktion; es war, als ob ich besessen wär von-", redete sie weiter, aber Kevin unterbrach sie und führte den Satz zu Ende. „Von Madame Satan?", schlug er vor, aber Veronica brachte den Satz selbst zu Ende. „... der alten Veronica", sagte sie und schaute zu Boden, bevor sie wieder Betty ansah. „Und ich werd dir niemals wieder so etwas antun, ich schwörs bei den Perlen meiner Mutter. Gib uns bitte, gib mir bitte noch ne Chance", endete sie schließlich und Betty sah von Kevin und mir zu ihr. „Okay", sagte sie einfach nur mit einem kleinen Lächeln und Veronica und Kevin fragten gleichermaßen erstaunt und völlig perplex: „Was?!" Betty zuckte mit den Schultern und Veronica sah sie erfreut an. „Wirklich? Unglaublich! Ich nutze sie, du wirst es nicht bereuen! Ich bring was zu essen mit, dann können wirs feiern", sagte sie aufgeregt und Betty nickte lächelnd, als es klingelte. Veronica reichte ihr die Schachtel mit den Cupcakes und ging dann zum Unterricht. „Bis dann", sagte sie zum Abschied, bevor sie aus dem Raum trat. „Das ist der Weg des geringsten Widerstands, Kevin", erklärte Betty dann auf Kevins fragenden Gesichtsausdruck hin. „Vor einer Woche kannten Veronica und ich uns gar nicht, nächste Woche nicken wir uns auf dem Flur zu wenn wir aneinander vorbeigehen, das wars. In zwei Wochen kennt sie nicht mal mehr meinen Namen und in drei Wochen hat sie dann ne andere Freundin, die sie vernichten kann", sagte sie und Kevin tauschte einen Blick mit mir. Ich glaubte zwar, dass es nicht so verlaufen würde, wie Betty voraussagte, aber das behielt ich erstmal für mich. „Guten Morgen liebe Schüler, hier spricht euer Schulleiter. Es gab einige Anfragen bezüglich der anstehenden Pep Rally. Ich will, dass eins klar ist: Sie wird wie geplant stattfinden. Und jetzt zu etwas weniger erfreulichem. Es spricht nun zu euch Sheriff Keller", hörten wir den Direktor über die Lautsprecher und im nächsten Moment übernahm Kevins Dad. „Die meisten von euch kennen die Einzelheiten. Euer Mitschüler Jason Blossom wurde Samstagnacht tot aufgefunden. Seit diesem Wochenende wird Jasons Tod nun als Mord eingestuft. Die Ermittlungen laufen nun in alle Richtungen", sprach er durch die Lautsprecher und plötzlich kam auch Cheryls Stimme. „Äh, wenn ich ergänzen darf: Weder ich noch meine Eltern werden ruhen bis Jasons Tod gerächt ist und sein kaltherziger Killer die grüne Linie entlang geht bis zum elektrischen Stuhl und gegrillt wird. Ich hab meine Vermutungen. Hashtag Riverdale bleib stark", endete die kurze Zwischeneinlage, bevor Sheriff Keller wieder übernahm. „Wenn jemand etwas weiß, das uns helfen könnte, Jasons Mörder zu finden oder wenn jemand irgendetwas über die Geschehnisse am vierten Juli weiß, bitte ich denjenigen dringend, sich unverzüglich zu melden. Er oder sie kann mit mir oder Principal Weatherbee reden. Dieser Tod betrifft uns alle. Lassen wir Jason nicht im Stich." Damit endete die Durchsage und meine Freunde und ich machten uns auf den Weg zu unseren Kursen. Zuerst hatten wir alle zusammen Bio und ich arbeitete mit Betty zusammen, als wir sahen, wie Moose zu Kevin ging, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir mussten einen Frosch sezieren und ich übernahm den Großteil der Arbeit, bis es zur Pause klingelte. „Also, was wollte Moose denn?", wollte Veronica von Kevin wissen, als wir uns auf den Weg zu einem der Tische machten. „Oh mein Gott, ich denke das weiß er gar nicht. Ich meine ich bin wahnsinnig gutaussehend, wie Montgomery Clift, auf die klassische Art, das ist ja wohl klar", fing Kevin an und wir lachten und verdrehten scherzhaft die Augen, als er weiter sprach. „Und Sexualität ist fließend, aber kann jemand wie Moose wirklich so fließend sein?", meinte er skeptisch und ich lachte in mich hinein. „Also ich glaub schon", meinte Veronica und Kevin hielt dagegen, dass sie als Großstadtmädchen die Dinge lockerer sah. „Nein, ich stimme Veronica zu. Jedenfalls wärs ja wohl nicht ausgeschlossen", stimmte ich ihr zu und sah Kevin herausfordernd an. „Du zählst auch nicht, ursprünglich kommst du aus Kalifornien", meinte er bloß und wir sahen zu Betty, während Kevin weiter redete. „Na ja ich mein nur, Moose hat offiziell ne Freundin, Midge", meinte er und jetzt erinnerte ich mich wieder daran. „Wie auch immer, ich würde schon gern mal mit ihm n paar Minuten in ner Kammer eingesperrt sein", sagte Kevin und wir schwiegen, als wir am Tisch ankamen, an dem Archie saß und zu uns hoch sah. „Oh, das hab ich eben nicht so gemeint...", versuchte Kevin verlegen, die Situation zu retten und wir setzten uns an den Tisch. „Archie, hast du neues Material, das du an nachsichtigen Zuhörern testen willst?", fragte Veronica, aber er schüttelte den Kopf. „Ach, ich...", wollte er anfangen, aber Veronica sah ihn eindringlich an. „Bitte", sagte sie mit einem kurzen Blick zu Betty, die sich ihm gegenüber hingesetzt hatte. „Hast du? Ich würd gern was hören", stimmte sie lächelnd zu und Archie meinte, dass er gerade noch am Text arbeitete und nahm die Gitarre, die neben ihm auf der Bank lag, hoch. „Come on, turn the radio on; and honey we'll dance, dance, dance; for the rest of the night", sang Archie, während er eine schöne Melodie auf der Gitarre dazu spielte. Betty schaute ihn an und ich sah, dass das hier vielleicht noch etwas zu früh war. Archie schien es ebenfalls am Ende seines kleinen Vorspielens zu bemerken und sah sie an. „Betty? Alles okay?", fragte er vorsichtig und ich sah, dass meiner besten Freundin Tränen in den Augen standen. „Ich glaube, ich sollte wohl ja sagen. Das sagen nette Mädchen doch immer, aber..." Sie brach ab und stand vom Tisch auf. „Nein, ist es nicht; ich möchte es, ich hab gedacht, ich könnte es, aber es ist zu viel, es geht zu schnell, Archie", brachte sie schließlich heraus und wollte gehen. „Betty! Betty, warte!", wollte Archie sie abhalten, aber sie ging in die andere Richtung davon. Archie legte die Gitarre ab und folgte ihr und ich sah kurz zu Kevin und Veronica und stand dann ebenfalls auf. Ich sah, wie Archie sie knapp vor mir einholte, an der Schulter berührte und sie sich zu ihm umdrehte. „Hör mir zu", sagte er, aber sie befreite sich aus seinem Griff. „Nein", sagte sie laut und ich blieb etwas von den beiden distanziert stehen. Ich konnte nicht wirklich viel verstehen, was sie zu ihm sagte, aber es war mir sowieso klar. Schließlich drehte sie sich wieder um und ging weiter. „Betty! Betty!", rief Archie ihr nach, aber sie hörte nicht auf ihn und ich folgte ihr. „Sie wird sich schon wieder einkriegen, gib ihr nur etwas Zeit", meinte ich, als ich auf Archies Höhe angekommen war, schenkte ihm ein kleines Lächeln und lief dann meiner Freundin hinterher.

Riverdale - Beneath The Town [German Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt