ᴅɪғғᴇʀᴇɴᴛ ᴡᴏʀʟᴅs || sᴍ

t h i r t y f o u r.

-Montag, 12. Oktober 2020-

Die letzten Wochen waren ziemlich stressig, weil wir so langsam auf die ernste Phase zukommen. Es dauert nicht mehr lange, bis ich tatsächlich mein Abitur schreibe und dann in mein eigenes, selbstbestimmtes Leben starten kann. Auch wenn es jetzt nicht mehr allzu lange dauert, fühlt es sich immer noch so fremd an, als wäre es nicht wahr und ich würde irgendwann aus einem Traum aufwachen.
Jetzt allerdings mache ich mir keine Gedanken um Schulsachen oder dergleichen, denn heute ist der erste Ferientag und Shawn wollte mich unbedingt zu sich holen. Hinter meinem Rücken hat er mit meinen Eltern einen Flug organisiert und natürlich haben meine Eltern es nicht für nötig gehalten, mir bis gestern etwas davon zu erzählen. Ich war ziemlich überrascht darüber, dass gerade meine Mom nicht dagegen hatte, dass ich zu Shawn fliege, denn immerhin ist heute ihr Geburtstag und normalerweise verbringen wir diesen Tag immer zusammen als Familie. Umso mehr freue ich mich, dass Mom mir diese Möglichkeit gibt, denn ich kann jetzt nichts mehr gebrauchen als ein wenig Entspannung und Ruhe. Zwar muss ich dafür erst noch einen Flug auf mich nehmen, aber wenn ich dafür Shawn endlich wiedersehen kann, ist mir das egal. 

Leise vor mich hinsummend verlasse ich das Flugzeug mit meinem Rucksack auf dem Rücken und folge einfach dem Strom. Alle laufen zu der Gepäckausgabe, wo es dementsprechend voll ist. Immer mal wieder werde ich angerempelt und die meisten sind so im Stress, dass sie sich entweder gar nicht oder nur flüchtig entschuldigen. Ich hebe eine Augenbraue und schüttle nur leicht den Kopf, bis ich meinen Koffer auf dem Fließband entdecken kann und ihn schnell hole, bevor er wieder verschwindet. Dann entferne ich mich von der Menschenmasse, die aus der Entfernung wie ein Haufen Wilder aussehen könnten, die seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen haben. Ich kann nicht anders, als über meine eigenen Gedanken zu lächeln und wende mich dann ab, um durch den Ausgang das Terminal zu verlassen. In der riesigen Empfangshalle schaue ich mich gespannt um, denn es ist ewig her, dass ich in Madrid war. Das letzte Mal war gemeinsam mit meinem Spanisch-Kurs in der 8. Klasse, als wir eine Sprachreise gemacht haben. Dieses Mal ist es aber so, dass ich gemeinsam mit Shawn in Madrid bleiben werde und nicht wie damals in eine kleine Stadt außerhalb von Spaniens Hauptstadt fahre. Nur durch Zufall entdecke ich einen großgewachsenen, jungen Mann mit Sonnenbrille, der etwas abseits der anderen steht und sich immer mal wieder umschaut. Als er sich durch die Haare fährt und ihm dann diese eine Haarsträhne ins Gesicht fällt, bin ich mir sicher, Shawn gefunden zu haben und gehe so grinsend auf ihn zu. Einige Meter von ihm entfernt scheint auch er mich endlich entdeckt zu haben, denn er fängt an, breit zu lächeln. "Ist es nicht etwas riskant, mich persönlich abzuholen?" frage ich provozierend. "Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, deinen persönlichen Chauffeur zu spielen." Ich lache leise und schlinge dann meine Arme um seinen Oberkörper. "Dann musst du aber damit leben, dass ich dich jetzt vor allen Leuten umarme." Ohne eine Antwort abzuwarten, lege ich meinen Kopf auf seiner Brust ab und atme laut aus. Gott, habe ich diesen Kerl vermisst... Shawn lässt nicht lange auf sich warten und legt seine Arme ebenfalls um mich, bevor er mir einen Kuss auf den Ansatz gibt und leicht über meinen Rücken streicht. "Ich habe dich vermisst." murmelt er in mein Haar und ich nicke. "Ich dich auch." gebe ich zurück, löse mich dann aber wieder. "Na komm, lass uns zum Hotel fahren." sagt Shawn dann und deutet mir mit einer Handbewegung, in welche Richtung es geht. Sein Auto steht nicht weit vom Ausgang entfernt und doch fühle ich mich selbst auf diesem kurzen Weg von einigen Passanten beobachtet. So schnell es geht, verstaue ich mein Gepäck im Kofferraum und lasse mich dann seufzend auf dem Beifahrersitz nieder. Shawn steigt kurz nach mir ein und startet den Motor, um dann auszuparken und sich in den Verkehr einzufädeln. Fasziniert beobachte ich, wie alles an uns vorbeizieht und versuche, mich an die 8. Klasse zurückzuerinnern. "Warst du schon einmal in Madrid?" fragt Shawn da wie aus dem Nichts und ich nicke gedankenverloren. "Vor etwa 5 Jahren war ich mit einem Kurs aus der Schule in Spanien und unter anderem eben auch in Madrid." Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Shawn lächelt, bevor er dann in ein Parkhaus einbiegt und auf einen Parkplatz zusteuert. Nachdem ich meine Sachen aus dem Kofferraum geholt habe, greift Shawn nach meiner Hand und verschränkt sie mit meiner. Überrascht schaue ich ihn an, doch er schmunzelt nur. "Hier kommen keine Paparazzi rein, also kann uns niemand zusammen sehen." Ich nicke leicht und lasse mich von Shawn ins Hotel ziehen, bevor wir dort dann einen Fahrstuhl betreten und darauf warten, das entsprechende Stockwerk zu erreichen. Noch immer hält Shawn meine Hand fest und streicht leicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken, bevor der Fahrstuhl angibt, dass wir da sind. Sobald wir den Flur entlang gegangen sind und Shawn die Tür seines Zimmers aufgeschlossen hat, weiten sich meine Augen. "Guck nicht so, ich wollte es uns so bequem wie möglich machen!" meint Shawn da und bringt mich so zum Lachen. "Dafür hätte aber auch ein normales Hotelzimmer gereicht. Diese Suite erinnert eher an ein ganzes Apartment als ein Hotel." Shawn grinst und nachdem ich die Tür geschlossen habe, zieht er mich an der Hand in die Mitte des Zimmers und legt seine Hände auf meine Taille. "Jetzt, wo wir unter uns sind, kann ich dich auch endlich richtig begrüßen." Mit diesen Worten beugt er sich zu mir herunter und verbindet unsere Lippen zu einem liebevollen Kuss, weshalb ich meine Arme schließlich in seinem Nacken verschränke und mich etwas auf Zehenspitzen stelle, um ihm näher sein zu können. Jetzt habe ich etwa zwei Wochen mit ihm gemeinsam, bevor ich wieder zurück nach Deutschland muss, aber ich freue mich jetzt schon darauf, viel mit ihm zu erleben.