Kapitel 3

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Die Hufen von Pferden spritzen kleine Wassertropfen in mein Gesicht, als sie in die Pfützen auf dem Boden traten. Regen durchtränkte meine eh schon vom Blut durchnässte Kleidung. Ich war schon eine Weile wieder bei Bewusstsein, wagte es jedoch nicht mit meinen Geiselnehmern zu sprechen. Mein Kopf schmerzte noch stark von dem heftigen Schlag, den ich mit dem Griff einer Axt auf diesen bekommen habe und bestärkt durch die sehr unbequeme Position auf dem Rücken des Pferdes, auf dem ich längs rübergeworfen wurde, und wodurch die eine Hälfte meines Blutes in meinen Kopf floss und die andere in meine Beine. Der Druck auf meinem Oberschenkel signalisierte mir, dass die Wunde wohl abgebunden wurde, die durch den Dolch des mittlerweile Toten entstand. Ein starkes Seil fesselte meine Hände und Füße und soweit ich erkennen konnte waren mindestens sieben Männer um mich herum. Ein Fluchtversuch wäre also zwecklos. Ich sollte es auch gar nicht riskieren und eher froh darüber sein, dass sie mich bisher nicht getötet haben, schließlich habe ich drei ihrer Männer niedergestreckt, aber das könnten sie ja immernoch nachholen. Oder schlimmer: vielleicht foltern sie mich für meine Taten.

Vorsichtig versuchte ich meine Kopf zu bewegen, ohne große Aufmerksamkeit auf mich zu richten. Solange sie dachten ich wäre noch ohnmächtig würden sie mich wohl in Ruhe lassen. Ich sah, dass vor und hinter dem Gaul, das mich trug noch jeweils ein weiteres Pferd lief. Das eine hatte einen Reiter auf sich, von dem ich nur den Rücken begutachten konnte und das andere zog einen Karren hinter sich, gefüllt mit toten Tieren. Jäger, dachte ich sofort. Dem Berg voller Tierkadavern nach zu urteilen, schienen sie zu einer großen Siedlung zu gehören. Da ich ihre Sprache teilte, musste ich wohl zu ihrem Volk gehören. Ob ihre Siedlung vielleicht auch meine war? Ganz abwägig ist dieser Gedanke nicht, wenn man bedenkt, dass ich nicht weit von ihr entfernt zu mir kam. Etwas Hoffnung loderte in mir auf. Möglicherweise wäre ich bald in meiner Heimat und würde herausfinden wer ich war.

"Heute haben wir gute Beute gemacht, auch wenn ich lieber mit König Ragnar nach England gesegelt wäre", hörte ich einen der Wikinger in einer recht hohen Stimme sagen, jedoch konnte ich das Gesicht des Mannes nicht ausmachen, da der graue Bauch des Pferdes mir die Sicht versperrte. "Sei froh Gorm, deine unaufhörliches Geplapper hätte dir vermutlich dein Leben gekostete, bevor überhaupt Land in Sicht gewesen wäre", lachte ein anderer, direkt hinter mir. Die anderen stiegen in das Gelächter ein. "Ich habe dafür gesorgt, dass wir die Kleine hier erwischt haben. Dir hätte sie vermutlich deine Kehle aufgeschnitten, so unbegabt wie du mit dem Schwert bist, also solltest du mir lieber danken", erwiederte Gorm ein wenig frustriert aber auch etwas belustigt. "Unsere Männer sollten eigentlich schon längst wiedergekehrt sein. Vielleicht wurden sie besiegt. Dann sollte jeder von uns den Göttern danken, dass sie uns hier behalten haben!" Die Stimme kam aus Richtung des Reiters. Er klang äußerst ernst, sodass jeder sofort zu lachen aufhörte.

Ragnar. Der Name kam mir bekannt vor. Ich wusste nicht woher, aber irgendetwas löste er in mir aus. Um mehr darüber in Erfahrung zu bringen nahm ich es in Kauf gefoltert zu werden, also beschloss ich mich doch zu Wort zu melden. "Wer ist dieser König Ragnar?" Ich spürte die Blicke auf mir und eisige Stille trat ein, bis schließlich eine Frauenstimme erklang. "Jeder kennt Ragnar Lodbrok. Die Geschichten über seine ruhmreichen Taten verbreiten sich über die ganze Welt." Es waren also doch nicht nur Männer, sondern auch Frauen unter den Kriegern. "Bei den Göttern, sein still Ingrid! Du weißt nicht ob sie eine Spionin ist. Niemand spricht mit der Gefangenen! Sie lebt bloß noch, damit sie Königin Aslaug die nötigen Informationen geben kann. " "Beruhig dich Fjell, sie hat doch nichts gesagt, was nicht eh alle wüssten", beschwichtigte Gorm den erzürnten Mann auf dem Pferd. Dieser Schnaubte nur. Spionin? Ich? Zugegebener Maßen wünschte ich es wäre so, dann wüsste ich zumindenst wer ich war und was meine Aufgaben sein würde. Jedoch beunruhigte mich ihre Annahme etwas, da diese meine Befürchtung auf kommende Folter bestärkte. Mit der Gewissheit, dass sie mir eh nicht glauben würden sagte ich dennoch: "Ich bin kein Spion!" Niemand beachtete mich. Es war mir recht, denn besser ich würde ihre Ignoranz zu spüren bekommen, als ihre Schwerter. Also nahm ich meine Situation an und schwieg eine ganze Weile des Weges.

Es ist mehr als eine Stunden vergangen, als der Wald schließlich sein Ende nahm und wir zwischen den äußersten Bäumen hervortraten. Einer der Männer band meine Beine los und zerrte mich vom Pferd. Es war angenehm endlich dieser schmerzlichen Position zu entfliehen. Das längere Ende des Seils, welches meine Handgelenke fest umschlungen, nahm der riesige Wikinger mit dunklen, langen Haaren, welche zu einem Zopf gebunden waren in seine großen, starken Hände, um sie als eine Art leine für mich zu benutze. Als ich an mir hinab schaute, erkannte ich, dass mein einst weißes Nachtgewandt nun bedeckt von rotem Blut war. Ich schaute mir die anderen Heiden um mich herum an. An der Zahl waren sechs Männer und Zwei Frauen, allesamt mit einer Ledernen Weste, einem dunklen Hemd und einer ebenso dunklen Hose, welche in groben ledrigen Stiefeln endete. An ihren Hüften hängte eine Scheide mit einem Schwert und ein Dolch war direkt daneben. Sie sahen furchtlos und äußerst gefährlich aus. Selbst die Frauen strahlten eine ungemeine Dominanz aus, sahen aber dennoch sehr feminin und hünsch aus. Alle Haare waren geziert mit geflochtenen Zöpfen.

"Wir bringen sie zu der Königin und ihr schafft die Beute ins Lager", sagte der Mann, den alle Fjell nannten, während er von seinem Ross stieg. Eine der Frauen mit wunderschönem blonden Haar stellte sich zu mir, genauso wie Gorm, zumindenst ging ich davon aus, dass er es war. Die anderen vier führten die Pferde samt dem Karren in Richtung des einen Endes der Siedlung und ich wurde genauso wie die Tiere auf das andere Ende geführt, an der Spitze Fjell, welcher weitaus älter aussah als die anderen, jedoch nicht zu alt um ein guter Kämpfer zu sein. Erst jetzt begann ich das riesige Dorf, das sich vor mir in all seiner Pracht erstreckte genauer zu begutachten. Dorf war der falsche Begriff - eher war es eine Stadt. Sie lag in einer Bucht, an dessen Ufer sich ein riesiger Hafen ausbreitete. Die späte Sonne erleuchtete die zahlreichen Häuser, zwischen denen sich hunderte von Menschen tummelten wie Ameisen, die ihrer Arbeit nachgingen. An dem Ende abseits vom Ufer, auf welches wir grade zuliefen, war mittig ein Gebäude auszumachen, größer als alle anderen. Das muss das Haus der Königin sein.

Ungeduldig zerrte mich der Heide voran, wobei er immer wieder ruckartig zog. Die anderen drei blieben dicht bei mir, um darauf zu achten, dass ich keine Fluchtversuche anstellte. Dies kam mir in Anbetracht ihrer Überlegenheit gegenüber mir nicht in den Sinn, schließlich waren sie zu viert und ich gefesselt und unbewaffnet. In diesem Moment, sah ich den roten Stein meines Schwertes in der  Hand von Fjell aufblitzen. Es beruhigte mich, dass mein Schwert in meiner Nähe war, denn aus irgendeinem Grund hatte es einen besonderen Wert für mich. Einen der über eine Waffe hinaus ging. Es brennte diese eine Frage auf meiner Zunge: "Wo sind wir?". Ohne mich anzublicken sagte die Schildmaid voller Stolz: "Kattegat".

Bloody Fate (Vikings FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt