Kapitel 4

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Die riesigen Tore öffneten sich mit einem ziehenden Knarren. Ich wurde in die große Halle geschubst, dessen Zentrum eine lange Tafel darstellte, welche in einem Podest, gekrönt von einem Thron und zwei kleineren edel aussehenden Sitzgelegenheiten mündete. Die Wände waren faziert von den Gebeinen toter Tiere und sämtlichen Waffen, von Langschwertern, über Äxten bis hin zu Bögen. Der Raum war so groß, dass sicherlich mehr als hundert Personen hinein gepasst hätten, wobei in dem Moment etwa die Hälfte ansässig war. Mehrere Türen deuteten darauf hin, dass noch weitere Räume von der zentralen Halle abgingen. Im warmen Licht der Fackeln, welche in regelmäßigen Abständen an der Wand aufgestellt waren, konnte ich auf dem anmutigsten Thron das  fahle Gesicht einer Frau erkennen. Ihre Erscheinung strahlte, trotz ihrer sehr schmalen Statur eine ungemeine Macht aus. Sie verzerrte keine Miene, als ich unsanft vor den Stufen zu ihren Füßen geschubst wurde. Dies konnte man von den restlich anwesenden Leuten nicht behaupt, denn man konnte aus jeder Richtung Getuschel und Flüstereien vernehmen. die Königin begutachtete mich kurz mit einem scharfen Blick, bevor sie sich an meine Peiniger wendete.

"Was führt euch dazu, diese äußerst wichtige Besprechung zu stören?", sagte sie scharf zu Fjell, der sich dicht neben mir aufstellte, womöglich um mich von kämpferischen Aktionen abzuhalte. "Wir haben die hier im Wald gefunden", er stubste mich unsanft mit einem Tritt an. Mein Blick ruhte auf der Stufe vor mir, ich wollte dem tiefen Blick von Königin Auslaug nicht länger Stand halten. "Sie hat drei unsere Männer getötet, als wir auf Jagd waren. Es ist gut möglich, dass sie eine Spionin im Auftrag von Harald Schönhaar ist." "Dies zu entscheiden ist nicht deine Aufgabe, Fjell! Aber ich gebe dir Recht, möglich wäre es, vor allem wenn sich die Nachricht bis zu ihm kund getan hat, dass Ragnar und seine Söhne noch nicht wiedergekehrt sind. Auch wenn mir nicht bewusst war, dass König Harald seine Krieger mitten im Schlaf, bloß mit Nachthemd bekleidet, losschickt." Gelächter füllte den Raum. "Also Liebes, ist es wahr? Bist du hier um uns auszukundschaften?" Ich spürte förmlich wie ihr Blick mich durchbohrte. Kurz überlegte ich zu lügen. Zu sagen ich hätte Schiffsbruch erlitte. Aber sobald ich mit weiteren Fragen durchlöchert werden würde und ich keine passende Antwort finden würde, würde sich ihr Verdacht bloß bestätigen, dass ich ihnen schaden wollte. Und wer weiß, vielleicht stimmte ihre Theorie. Vielleicht war ich tatsächlich auf dem Weg zu ihnen um Informationen für besagten König zu sammeln.

"Ich weiß es nicht." Meine Stimme war leise, aber dennoch gefasst, während ich weiterhin auf die steinige Stufe schaute, in welche ich gerne versunken wäre. Auch wenn ich einen emotionalen Sturm in mir wahrnahm und Angst ein großer Teil von diesem ausmachte, wollte ich keinem meine Schwäche zeigen. Also entschloss ich meinen Blick zu heben und erwiederte somit den der Königin. "Du hast unsere volle Aufmerksamkeit. Erzähl uns was du damit meinst, wir hängen gebannt an deinen Lippen." Sie führte eine Kelch zu ihren Lippen und trank einen Schluck, ihre Augen weiterhin auf mich gerichtet. Also begann ich:

"Es tut mir leid, aber leider kann ich euch keine Antworten zuteil werden lassen, da sie mir ebenso gänzlich fehlen. Meine Erinnerung ist wie ausgelöscht, seit ich an einer Küste am Waldrand zu mir kam. Als ich auf eure Jäger traf wollte mich der eine schändigen, woraufhin ich ihn tötete und da ich von den anderen das gleiche erwartete benutzte ich auch bei diesen meine Waffe. Vermutlich hätte jede Frau so gehandelt. Ich weiß nicht wer ich bin oder wo ich herkomme, bloß mein Name ist mir geblieben." "Und der lautet?", fragte sie bevor sie zu noch einem Schluck ansetzte. "Kaira." "Also Kaira, trotz dieser doch recht unglaubwürdigen Geschichte neige ich dazu sie dir zu glauben. Es würde doch kein Mensch auf die Idee kommen solch eine Geschichte zu erfinden. Womit hast du dich verteidigt? Mit einem Ast wirst du wohl kaum drei erfahrene Kämpfer niedergestreckt haben." Ohne, dass ich was sagen konnte trat Fjell nach vorne und streckte mein Schwert aus. "Das hatte sie bei sich. Es ist feinste Schmiedekunst. So ein gut gearbeitetes Schwert habe ich in meinem ganzen Leben bisher noch nicht gesehen."

Aslaug stand auf und ging auf das Stück Metall in den Händen des Wikingers zu. Sie nahm es in die Hand, doch sobald ihre Finger den Knauf umschlungen, viel sie zu Boden und begann wie in Trance zu zittern. Ihre Augenlieder sprangen auf und zu und hinter ihnen konnte man bloß das weiß ihres Augapfles entnehmen. Erschrocken von dem was ich sah sprang ich auf und wich zwei Schritte zurück. Sofort eilten zwei Sklavinnen zu ihr. Eine Schildmaid wies alle an die Halle zu verlassen, also griff Fjell meinen Oberarm und schob mich hinaus. Man merkte, die Aufruhr, die sich in den Leuten verbreitete,  jedoch schienen sie noch lange nicht so geschockt zu sein wie ich es war. Verwundert über die Situation, die sich grade vor meinen Augen abspielte warf ich meinen Blick nochmal zurück, doch alles was ich sehen konnte, war der schlaffe Körper von der Königin, welcher in einer der anderen Räume getragen wurde. Was war geschehen? Ist sie gestorben? Durch mein Schwert? Nein, das war nicht möglich! Mit noch mehr Fragen als zuvor wurde ich die Starße entlang geschubst, immernoch begleitet von den selben Personen, die mich nach Kattegat brachten.

Wir steuerten auf eine kleine Hütte zu, die einer Vorratskammer ähnelte. Ich wurde hinein gezerrt. Innen war es leer, der Boden war mit einer dünnen Strohschicht versehen und dicke Balken aus massivem Holz stützten das Dach. "Was ist dort eben geschehen?", fragte ich die vier, während Gnorm mich an einen der Balken drückte, damit Fjell das Seil um meine Hände daran anbinden kann. "Du fragst ganz schön viel, dafür, dass du so wenig Antworten hast. Du bleibst hier drin bis die Königin wieder in der Lage ist dein Urteil zu fällen." Diese Worte beruhigten mich, da vermutlich ich im Falle ihres Todes veranwortlich gemacht werden würde. Aber da die Menschen diese Reaktion von ihr scheinbar öfter gesehen haben, wird es vermutlich nichts derart schlimmes gewesen sein. Zumindenst für sie.

Bloody Fate (Vikings FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt