Wie sich meine Eltern über eine Anmachschüssel verliebt haben

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"Violet-Rose, es gibt Abendessen" schallte die Stimme meiner Mutter durch die Wohnung.

"Komm, wir gehen jetzt was essen, danach ist alles besser" munterte mich Helena auf, und es funktionierte überraschenderweise. Der Gedanke an Essen machte mich gleich glücklicher. Im Notfall würde ich einfach Essen heiraten als meinen Seelenverwandten.

Vor dem Essen mussten wir wir immer den "Gewürzgruß" machen, so nannte es jedenfalls meine Mutter. Alle anderen vermieden es, darüber zu reden.
Helena hatte sich mittlerweile schon an die Tradition gewöhnt, so schnappte sie sich den Salzstreuer, ich den Brotkorb, und wir stellten uns um den Tisch herum. Nun mussten wir im Rhythmus von spanischer Musik um den Tisch laufen. Ja ich vermied tatsächlich darüber nachzudenken oder zu reden, wenn ich konnte. Nachdem nun die letzten Takte der spanischen Musik verklungen waren, setzten wir uns um den Tisch herum. Ich nahm wie immer meinen Standart-Platz auf der linken Seite ein.

"Und, wie läuft es bei dir so?" erkundigte sich Mutter bei Helena, während sie sich ein Brötchen aus dem - nun gesegneten- Brotkorb nahm.

"Ganz gut, ich arbeite immer noch bei Pizzeria Mamma Mia, in der Schule läufts ganz gut, joa", gab sie eine knappe Antwort.

"Ist dein Vater mittlerweile wieder aus Spanien zurück?", erkundigte sich meine Mutter besorgt, woraufhin ich kichern musste. Helena hatte keine Lust gehabt, Daegesaege mit vollem Namen anzusprechen und hatte deswegen gesagt, dass sie aus Spanien stamme, wo der Name angeblich "Daisy" ausgesprochen wird. Helena war deswegen der einzige Mensch, der sie nicht mit richtigem vollem Namen ansprechen musste. 

"Wusstest du eigentlich schon, wie Malangthen und ich uns kennengelernt haben?", stand sie plötzlich energetisch auf, und grinste breit.

Ja, das wusste sie schon. Diese Geschichte war unsere Standard-Gutenachtgeschichte, und jeder, der zum ersten Mal zu Gast in unserem Haus war, bekam die Geschichte erzählt.

Flashback, 17.04.1988,Cambridge

Gelangweilt stand ich an der Bar. Um mich herum tanzten meine Mitschüler. Heute war unser letzter Schultag, und alle anderen feierten. Was für seltsame Menschen. Ich atmete tief ein, und tief aus und öffnete meine Augen wieder.

Immer noch tanzten sie. Natürlich. Morgen würden ihre Gewissen bestimmt ganz schön schmutzig sein. 

An der Decke hing eine Diskokugel, die buntes Licht überall in den Raum warf. Mir wurde davon ganz schwindelig, und ich schloss wieder meine Augen. 

"Hey, Dae, willst du nicht mittanzen?" winkte mir Melina von der Tanzfläche zu. Warum hatte keiner nach 8 Jahren Schule zusammen akzeptiert, dass ich nur reagierte, wenn man mich bei vollem Namen rief?

"Hey, Daegesaege," rief jetzt Daniela, die gerade mit Melina tanzte, "Komm schon."

Widerwillig ging ich zu ihnen. Nur ein par Minuten. Dann würde ich sowieso gehen. Diese Musik konnte man ja nicht aushalten.

It takes two to make a thing go right
It takes two to make it outta sight

Das war ja unmöglich. Es war doch universelles Wissen, dass "I feel like I'm fixing to die rag" das beste Lied aller Zeiten war.

Oh, Mist, ich hatte mein Getränk an der Bar vergessen. Komisch, jetzt stand dort Malangthen, und er hielt eine Schüssel in der Hand. Warum brachte er eine Schüssel mit in die Bar?

Jetzt sah er mich und winkte mich rüber. Schnell drängte ich mich aus de Menge, und lief auf ihn zu. 

"Warum hast du eine Schüssel dabei?" fragte ich ihn neugierig, aber deutlich verwirrt.

"Ähm...Das ist eine Anmachschüssel...und ich fand dich seit der 10.Klasse total cool, und da dachte ich bin ich doch mal kreativ, und ähm...ja" stotterte er.

"Achso, ja dann versteh das" erwiderte ich.

"Ähm...also, was sagst du?" fragte er unsicher.

"Na, für diese kreative Anmache muss ich doch ja sagen," antwortete ich erfreut.

"Und, wisst ihr was, diese Schüssel steht seitdem wir hier leben auf diesem Schrank" beendete sie ihre Geschichte, und zeigte die Schüssel rum.

"Cool," kommentierte Helena grinsend, "die hab ich ja noch nie gehört die Geschichte"

Den leichten Ton von Sarkasmus überging Mutter gekonnt-wahrscheinlich erkante sie ihn einfach nicht.

"Ja, und am nächsten Tag hat er mich bei der Bandprobe überrascht, während wir gerade meinen neuen Song geprobt haben" erklärte sie weiter.

"Stimmt, habt ihr nicht 'R.I.P Granny' geübt?" schaltete sich nun Vater ein. 

Mutter lächelte ihn an. "Aww, das du dich daran noch erinnerst"

Nach dem Essen befanden wir uns wieder in meinem Zimmer. Wir waren gerade durch die Tür getreten, als sie anfing zu Lachen.

"Mann, deine Eltern haben echt einen Knall." Sie schüttelte fassungslos den Kopf

"Ja", lachte ich mit, "Manchmal mache ich mir Sorgen, dass ich im Alter auch so werde wie sie"

Sie kicherte wieder. "Aber guck mal, auch die beiden haben sich gegenseitig gefunden. Auch wenn es innerhalb einer Geschichte war, die eine 'Anmachschüssel' beinhaltet"

"Wenn selbst die beiden sich finden, dann findest du deine auch. Glaub mir." Sie sah mir in die Augen. 

Ich seufzte, aber lächelte.


Wir guckten gerade Brooklyn 99, und wir lagen beide auf meinem Bett, und ich starrte meine neuen Klamotten in der Tüte an. Ein Glück, dass Helena heute Zeit hatte, einen Tag länger hätte ich es in Bruces Klamotten wohl kaum ausgehalten.

Helenas Augen fielen immer wieder zu, aber sie wachte doch immer wieder auf. Vielleicht lag es an den Witzen in B99, die sie auch zum Lachen brachten, wenn sie gerade die Augen geschlossen hatte.

Als ich bemerkte, dass Helenas Augen endgültig zugefallen waren, schaltete ich den PC aus und versuchte ebenfalls, in Gedanken an meine neuen Klamotten ebenfalls zu schlafen, als mein Handy sich meldete. 

Danger-Familienchat

Daossuiegazssei, 23:15- "Ihr könnt, das Baby natürlich immer nach mir benennen, wenn es ein Mädchen ist"

Ich seufzte und legte mein Handy zurück auf meinen Nachttisch, und versuchte erneut einzuschlafen. Und meine Augen wurden immer schwerer...


Ich schnellte nach oben.

"Helena, Helena, wach auf", flüsterte ich eindringlich, und schüttelte ihren Arm.

Sie drehte sich und stöhnte leise. "Was ist denn los?"

"Ich kann sie ja noch gar nicht treffen. Ich hab mir ja noch gar nichts gewünscht. Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen?"

"Ach ja, Stimmt"

 Ich stürmte zu meinem Computer. Find  war immer noch geöffnet, und ich klickte auf 'Meine Posts'

"Ich, 17,weiblich, bin heute 20 Zentimeter größer und mit Muskeln aufgewacht" 

Vielleicht hatte sie es schon gesehen. Vielleicht hatte sie schon versucht zu antworten, aber plötzlich fiel das Internet aus. Es gab die seltsamsten Geschichten, wie das Universum verhinderte, dass man seinen Seelenverwandten traf. Vielleicht hatte sie auch jeden Tag auf den Text gestarrt, und sich darauf gefreut, mich zu treffen. Vielleicht sah sie sich den Text gerade jetzt an. Vielleicht wachte sie jeden Tag auf, und wünschte sich, dass ich endlich einen Wunsch äußern würde. Also, dann, jetzt ging es ans Überlegen. Aber schnell.



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