"Nein, Mister Miller, tut mir leid, wir haben Ihren kleinen Mogli nicht gesehen.", sagte Louis' Mama zu dem alten Mann am Telefon, während sie ihren Sohn mit der anderen Hand wegdrückte.
Sie legte den Hörer auf die Brust und fragte seufzend: "Was ist denn?" Die Antwort ihres quengelnden Sohnes wartete sie erst gar nicht ab und hörte weiter Mister Millers jammernder Stimme zu. "Ich verspreche Ihnen, dass wir uns sofort melden, solten wir Ihren Kater irgendwo sehen. Ich gebe auch Louis bescheid. In Ordnung, auf wiedersehen."
Johannah legte auf und wandte sich gleich an Louis, der wie eine Klette an ihrem Beim hing. "Wenn ich telefoniere, sollst du mich nicht stören.", sagte sie und sah leicht verärgert ihren Sohn an. "Aber ich will doch mit Niall draußen spielen.", mit großen Kulleraugen guckte er seine Mama an. "Wieso fragst du dann nicht deinen Vater?", erwiderte sie unbeeindruckt. "Weil der sagt, ich soll dich fragen.", gab Louis trotzig zurück.
"Wer war das?", rief plötzlich Louis' Papa aus dem Wohnzimmer. "Ach, nur Mister Miller wegen seiner Katze. Wieso schickst du Louis zu mir, wenn ich telefoniere?" "Was?", hallte es aus dem Wohnzimmer. "Ich sagte, wieso...", fing seine Mama erneut an und lief in das geräumige Wohnzimmer.
Louis blieb allein im großen, lichtdurchflutenden Flur stehen und starrte seiner Mama hinterher. Niall war bestimmt schon auf dem Schulhof und wartete auf ihn. Er wollte keine unnötige Zeit mehr verlieren. "Ich geh' raus!", rief er noch in Richtung Wohnzimmer, hielt kurz inne, um die Reaktion seiner Eltern abzuwarten und lief dann zur Tür. Gerade als er seine heißgeliebten Schuhe anzog, hörte er seine Mama rufen: "Sei aber zum Abendessen wieder hier!"
Louis nickte, als könnte ihn seine Mama durch die dicken Wände sehen, zog die Tür auf, die fast doppelt so groß war wie er selbst und verschwand in einen perfekten sonnigen Nachmittag. Es war mitten im Hochsommer und ein müder, träger Tag hier in Doncaster. Die meisten Leute waren weggefahren oder lagen hinter ihren großen, hohen Hecken im Schatten. Nur Louis war unterwegs, mit seiner geliebten alten, zerissenen Hose und einem alten Shirt.
Er und Niall wollten heute in den Wald gehen, um Dinosaurierknochen auzubuddeln. Stan, ein Junge aus ihrer Parallelklasse, hatte behauptet, welche gesehen zu haben. Natürlich hatte er keine Beweise vorzeigen können, aber sein Wort zählte. Unter kleinen Jungs ist das nun mal so.
Louis kickte einen kleinen grauen Stein vor sich her, balancierte dann auf dem hellen, schmalen Rand des Bordsteins und bog rechts zu ihrer kleinen, aber modernen Schule ab.
Dort saß beteits Niall auf den breiten Treppenstufen vor dem großen Eingang, das Gesicht in die Hände gestützt und wartete ungeduldig auf ihn.
"Hallo Niall!", begrüßte er seinen kleinen irischen Freund. "Hi Louis. Es ist so scheiße heiß.", wurde er von diesem, leicht jammernd, ebenfalls begrüßt. "Hast du Geld dabei?", fragte Louis an Niall gewandt. "Nein, und du?" Sein bester Freund sah ihn fragend an. "Fünf Pfund. Wir können doch zum Bäcker und uns Eis kaufen."
Niall, Louis und heiße Sommertage, natürlich brauchten sie da auch Eis. Niall erhob sich wie ein alter, fetter Kater, der kurz vorm sterben war, von den Treppenstufen, riss anschließend den Mund weit auf und gähnte, nur um sich im nächsten Moment der knallenden, heißen Sonne entgegenzustrecken.
"Man gähnt nicht mit offenem Mund.", wies ihn Louis zurecht. "Wie gähnt man denn mit geschlossenem Mind?", wollte Niall erstaunt wissen. "Man hebt die Hand davor, wenn man gähnt. So..." Louis demonstrierte Niall, wie man richtig gähnte, indem er den Mund öffnete und seine kleine, geballte Faust, mit der Stirnseite zuerst, davor hielt.
Für Niall war das keine Offenbarung, er wusste schließlich, wie Erwachsene gähnten, aber er war nun mal viel zu faul, um sich darum zu kümmern. Außerdem war weit und breit kein einziger Erwachsener zu sehen. Die andauernde Hitze hatte sie alle in die Flucht geschlagen.