Wehmut, Zweifel und ein letztes Lied

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Liv

Ich spüre förmlich, wie meine Augen begeistert glänzen, als ich die Energie der Menschenmasse vor mir aufsauge und dieses irre Kribbeln, das ich bei jedem Auftritt habe, erfüllt mich vom Haaransatz bis in die Zehenspitzen. Diese Nacht bettelt förmlich danach, von mir genutzt zu werden. Die Luft, die ich atme, schmeckt nach unausgesprochenen Wünschen und der Klang meiner Gitarre trägt Träume über die Menschen hinweg, von denen ich selbst nicht weiß, was sie sind.
Und doch empfinde ich schon jetzt so etwas wie Wehmut. Ich weiß, dass meine Entscheidung richtig ist. Richtig sein muss. Aber wie kann sich etwas Richtiges so kompliziert und falsch anfühlen?
Jacob ist mein Leben. So einfach ist das. Und er hat so vieles dafür geopfert, damit ich meinen Traum leben kann. Ich meine, Herr Gott, er hasst Papparazzi ungefähr so sehr wie die Pest, aber kümmert sich trotzdem darum, dass sich meine Reichweite erhöht, meine Lieder öfter gestreamt werden und meine Fanbase wächst. Obwohl er immer wieder aufs Neue eifersüchtig ist, dass so viele junge Männer zu meinen Auftritten kommen.

Mit anderen Worten: Er hilft mir, immer berühmter zu werden. Dabei ist das doch gar nicht mein Stil. Nicht meine Aufgabe. Ich habe das Rampenlicht schon immer gerne meiner Schwester überlassen, weil ich dachte, dass ich das gar nicht will oder verdiene. Was kann also besser sein, als mein Leben auf der Bühne zu beenden?
Ganz ehrlich? Ich befürchte, es hat sich tatsächlich als mein Wunschleben entpuppt, vor Leuten Musik zu machen. Na toll Liv, herzlichen Glückwunsch, du hast, was du dachtest zu hassen, lieben gelernt und jetzt leidet der einzige Mensch darunter, der dir wirklich wichtig ist.
Na ja und Zoe auch und die ist auch schon ziemlich wichtig. Und Teddy, natürlich, der kam hier ja noch gar nicht vor. Der ist bis zu Saison Ende bei Zoe und das geht mal so absolut gar nicht.
Es ist also die richtige Entscheidung.
Direkt heute Abend noch, holen wir unseren Hund bei meiner besten Freundin ab, werden uns aufs Sofa kuscheln und über Jays Zukunft sprechen. Und darüber, was ich jetzt mit meinem Leben anfangen will. Es muss was mit Musik sein (selbstverständlich) und irgendwas in mir sagt mir, dass es etwas gibt, das mich mit noch mehr Freude erfüllen würde, als hier oben zu stehen.
Ich singe für Menschen, aber ich kann ihnen nie genau vermitteln, was es für mich heißt, Musik zu machen, Musik zu lieben.
Gerade verklingt der letzte Ton meines Songs. Jetzt werde ich die Ankündigung machen und dann mein Abschlusslied singen.
Puh, ich hab ganz schön Herzrasen. Relax, Olivia, alles wird gut. Ich fahre mit der Hand in meinen Nacken, wo unter meinen dichten Locken ein hübscher Notenschlüssel tätowiert ist.
Er erinnert mich an meinen Vater und ich hab ihn mir direkt an meinem 18. Geburtstag stechen lassen.
Einatmen.
Ausatmen.
Los geht's.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 04, 2020 ⏰

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