Wumm. Das tat weh.
War mein Vater wirklich so grausam?
Wieso hatte ich all die Jahre so auf ihn vertraut, wieso war ich so stolz auf ihn gewesen?
Wieso hatte ich nie auch nur daran gedacht, dass er in Wahrheit ein gutes Herz habe?
Hatte meine Mutter davon gewusst?
Wusste sie, mit was für einem grausamen Mann sie zusammen ist?Er hat mir meinen Vater genommen...
Deshalb immer diese Traurigkeit in seinem Gesicht. Jedes Gespräch über ihn erinnerte Kai an den Verlust.
Jedes Wort bestätigte, was er von meinem Vater dachte und zeigte, dass auch ich nicht wirklich einen Vater hatte. Was ich hatte war ein Erzeuger, aber väterlich hatte er sich nie gezeigt.Ich stützte mein Gesicht in meine Hände. Womit hatte ich das verdient?
Auf einmal fühlte ich mich schrecklich alleine. Hier waren nur Maskierte, klar gab es da Kai, aber auch er war mein Entführer. Meine Mutter war weit weg, mein Vater war nie wirklich bei mir gewesen und meine Freunde wussten nicht einmal wieso ich mich nicht mehr bei ihnen meldete. Was würden sie von mir denken? Klar, ich konnte nichts dafür, aber sie wussten es ja auch nicht.Die Tür wurde aufgeschlossen. Eine ganze Gruppe an Maskierten kam herein. Eine Kamera und ein Mikro waren dabei. Was sollte das denn werden?
"Richtet die Kamera ein", sagte einer der Männer. Ich erkannte meinen ersten Entführer wieder. Er kam auf mich zu, betrachtete mich kurz, dann begann er mein Haar zu zerstrubbeln.
Er riss an meiner Kleidung.
"Maske", rief er. Ich zuckte zusammen. Eine Frau eilte herein.
"Sie sieht nicht fertig genug aus."
Die Frau nickte richtete much her, dabei achtete sie darauf, dass ich ihr Gesicht nicht richtig sah.
Wimperntusche, die mit Wasser nach unten verwischt wurde, Augenringe.
Sie waren wirklich sehr bemüht darum, mich misshandelt aussehen zu lassen. Schön, dass sie mich nicht wirklich misshandelten.
Das werde ich nicht zulassen, hatte Kai gesagt. Er hatte Wort gehalten.Dann kam der Maskierte vom Anfang wieder zu mir. "Los", wies er die anderen an, dann begann er zu reden.
"Herr Kanzler. Wir haben noch kein Geld bekommen, vielleicht haben Sie die Nachricht ja trotz aller Bemühungen nicht erhalten: 30.000€
Wenn sie bis heute Abend am vereinbarten Platz nicht vorzufinden sind, dann werden mit ihrer Tochter schlimmere Dinge, als schon geschehen, passieren."
Er strich mir über den Oberschenkel.
Ich zuckte zusammen. Er schlug mich ins Gesicht.
"Bis jetzt ist sie noch in einem guten Zustand, aber heute Abend könnte das anders aussehen...
Ach ja, wenn Sie versuchen, die Polizei auf uns zu hetzen... Seid sie ebenfalls sterben, also keine Bemühungen hier. Der neue Ort wird ihnen privat zugesendet."Der Kurzfilm wurde gestoppt. Er ließ von mir ab und ging zur Tür.
"Sachen zusammenpacken, Film und Standort wie vereinbart senden, dann geht's weiter."
Ich saß noch auf dem Bett, ich war ja angekettet. Meine Wange schmerzte. Ich hielt meine kalte Hand daran. Komischerweise störte es mich kaum, dass sie meinen Vater so hinhielten.
Nach allem, was er bereits getan hatte, allen was er mir im Moment antat...Jemand löste mich und führte mich aus dem Raum. Wir stiegen wieder in ein Auto und ich bekam wieder dieses Tuch vor den Mund gehalten.
Diesmal versuchte ich die Luft anzuhalten, doch ich kam nicht um das einatmen herum. Und wenige Minuten später war ich schon weg.Als ich aufwachte, war ich in einem neuen Raum, doch auch dieser Unterschied sich kaum von den anderen. Vier kahle Wände, keine Möbel, nur ein altes Bett. Kai war da. Irgendwie wusste ich, dass er es war. Er hatte Abschminktücher dabei.
Ich setzte mich auf. Er sah zu mir.
"Du siehst schrecklich aus, komm, lass mich dir helfen."
Hä? Wobei denn? Was zur Hölle...?
Mein Gehirn ratterte auf Hochtouren, dann fiel es mir wieder ein. Das Video, sie hatten mich ja geschminkt dafür. Vorsichtig lehnte er sich vor und begann ganz vorsichtig mein Gesicht abzuwischen. Ich hielt den Atem an und schloss die Augen. Ganz sanft strich er mit den Tüchern über meine Wangen und zu schnell, waren sie sauber. Vorsichtig wischte er eine Stelle noch mit dem Daumen sauber, dann verweilte seine Hand noch kurz dort. Ich öffnete die Augen und sah in seine. Kurz schien die Luft zwischen uns elektrisch geladen zu sein, dann nahm er die Hand weg und nahm eine Bürste zur Hand."Für deine Haare", er reichte sie mir.
Ich kämmte sie vorsichtig durch, sie waren verzottelter, als ich dachte, aber ich kannte das schon von meinen Haaren, deswegen störte es mich nicht.
Interessiert beobachtete er jede meiner Bewegungen und ich merkte, wie ich nervös wurde. Als ich fertig war, nahm er mir die Bürste wieder ab. "Komm mit", sagte er.
Ich folgte ihm durch einen Gang zu einer Tür. Er öffnete sie. Dahinter war ein großes Bad mit Badewanne Waschbecken und Klo.
"Lass dir ruhig Zeit. Wenn du fertig bist, rufst du einfach , okay?"
"Aber heute Abend..."
"Können wir dich immer noch neu herrichten, sollte es soweit kommen"
Ich nickte, dann schloss er die Tür und drehte den Schlüssel im schloss um. Ich war eingesperrt im Badezimmer... Es könnte schlimmer sein.Ich sah mich um, nach versteckten Kameras, konnte aber keine finden.
Also entledigte ich mich langsam meiner Kleidung. Ich sah mich im Spiegel an. Ich hatte angenommen. Sehr. Aber klar, wie viel hatte ich denn seit Freitag mittag gegessen? Eigentlich nur dieses Fertiggemüse Zeug. Gut, es war eine Hammer Portion gewesen, aber dafür auch das einzige. Leise seufzte ich. Wenigstens war mir noch nichts ernsthaftes passiert. Ich ließ Wasser in die Wanne und legte mich schonmal hinein. Ruhig beobachtete ich, wie das Wasser langsam meinen Körper bedeckte, dann begann ich den Dreck der letzten Tage von mir abzuwaschen. Als ich genug vom Baden hatte, duschte ich mich ab und nahm das Handtuch zur Hand.Als ich alles, was ich so zu erledigen hatte, erledigt hatte, klopfte ich an der Tür. Ich hatte mir noch das Handtuch umgewickelt.
"Fertig?", ertönte Kais Stimme.
"Nein, Frage", erwiderte ich, "soll ich das alte nochmal anziehen?"
"Nun ja, also, natürlich wäre es für das Video heute Abend von nutzen, nochmal das gleiche zu haben, aber lass uns Mal nachschauen."
Seine Schritte entfernten sich, nur um kurz darauf wieder näher zu kommen."Wir werden die Sachen waschen, bis dahin bekommst du was neues, Achtung, hast du... Alles bedeckt?"
Ich nickte, dann antwortete ich noch schnell, weil ich merkte, dass er mich ja nicht sehen konnte.
Die Tür wurde also aufgeschlossen, er kam rein und für einen Moment trafen sich unsere Blicke, seiner wanderte kurz über meine Schlüsselbeine und meinen Oberkörper auf meine Beine, dann wieder zu meinen Augen.
"Entschuldige" murmelte er und verließ schnell das Bad.
Ich blickte auf die Sachen, die er dagelassen hatte und zog mich um.
Dabei versuchte ihn einen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen.
Das durfte nicht passieren.
Er war immer noch mein Entführer.
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Mask
Teen FictionMalina Engel, die Tochter des Bundeskanzlers wird entführt - drei Wochen nach der Wahl. Zunächst beherrschen Angst und Terror das Mädchen, doch dann lernt sie Kai kennen und nichts ist mehr wie es war. Wem kann sie trauen? Wer ist gut und wer böse...