Kapitel 30: Ein Trauerspiel in fünf Akten - Akt 5: Ungewissheit und Trennung

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In meinem Traum verfolgte Coraline mich mit einem Messer. Ich rannte durch den Wald, stolperte über Wurzeln und krabbelte schließlich mehr, als dass ich lief. Und die ganze Zeit über hörte ich ihre Rufe hinter mir.

„Senpai! Komm raus, komm raus, wo immer du auch bist! Ich finde dich eh!"

„Nein", wisperte ich und kroch mit letzter Kraft in einen hohlen Baumstamm. Dort rollte ich mich zusammen und versuchte meine Angst unter Kontrolle zu bekommen. Aber der Gedanke, was sie mit mir machen würde, wenn sie mich fand stand viel zu sehr im Vordergrund, als dass ich mich auf irgendetwas anderes hätte konzentrieren können.

„Buh", hörte ich und als ich ruckartig hochblickte, sah ich Coraline durch den Spalt im Holz blicken. Ihr Gesicht war völlig verzerrt, ihre Augen funkelten tiefrot und von ihren Reißzähnen tropfte langsam Blut in Innere meines Baumstammes. „Hab dich." Sie grinste. „Genauso wie ich sie habe." Dann hielt sie den abgetrennten Kopf von Nalin Shanel in die Höhe. Er wirkte, als wäre er brutal abgerissen worden, Hautfetzen hingen herab und ein Stück der Wirbelsäule ragte unten heraus. „Jetzt bist du dran, Senpai." Damit griff sie nach meinem Kopf und ich schrie.

Mit rasendem Puls riss ich die Augen auf und ließ sie durch das Zimmer wandern, nur um sicher zu gehen, dass das Monster aus meinem Traum, das einst einmal meine Freundin gewesen war, nicht doch hier neben mir befand und mir gleich den Kopf abreißen würde.

Schaudernd fuhr ich mit der linken Hand an meinen Hals. Fast war ich überrascht, dass ich keine Narbe unter meinen Fingern spürte. Doch als ich meine bandagierte rechte Hand erblickte, erinnerte ich mich daran, dass ich nicht ganz unbeschadet aus der Nummer herausgekommen war.

„Nhhh", hörte ich Jean vor mir im Bett machen und ich richtete meine Aufmerksamkeit lieber auf ihn, als auf meine Hand. Wie es schien war ich am Bett sitzend eingeschlafen. Sissi hatte mir das Bett in einem anderen Zimmer gerichtet, aber ich wollte Jean nicht verlassen, die Nacht war hart gewesen, da hatte ich ihn unmöglich alleine lassen können.

Nachdem er das Bewusstsein verloren hatte war sein Fieber immer höher gestiegen, dann wurde es kritisch mit seiner Sauerstoffversorgung und zum Schluss kamen die Krämpfe. Wenn es ein Gutes hatte, dass meine Eltern so verdammt viel Geld besaßen, dann war es das, dass sie sofort die besten Ärzte verständigten, die Jean hier an Ort und Stelle versorgten.

In Windeseile hatten sie ihn untersucht und bei einem Bluttest kam heraus, dass Coraline Jean vergiftet hatte. Bei der Diagnose war mir das Herz nicht nur in die Hose, sondern gleich bis in die Zehenspitzen gerutscht.

„Können Sie ihm denn helfen?", hatte ich ängstlich gefragt, während Jean zuckend und nach Atem ringend in meinem Bett lag und notversorgt wurde.

„Wenn wir herausfinden welches Gift verwendet worden ist, dann ja", sagte die Schwester, die mich immer dann aus dem Weg dirigierte, wenn die Ärzte mehr Platz brauchten.

„Und wann wird das sein?", eine kalte Hand schloss sich um mein Herz.

„Unser Labor arbeitet mich Hochdruck daran", hatte sie mir versichert und mir geraten mich ein wenig hinzulegen. Das war auch der Moment gewesen, in dem Sissi mir sagte, dass sie mir ein Bett nebenan fertig gemacht hatte.

„Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich meinen Freund alleine lasse, wenn er um sein Leben kämpft! Er würde mir nicht eine Sekunde von der Seite weichen und das werde ich auch nicht tun, ist das klar!?" Vielleicht war ich etwas zu aufgebracht, wer hätte es mir verübeln können?

Sissi hatte geseufzt und gemeint, dass sie unten wäre, wenn ich sie bräuchte und die Schwester hatte mich weiter aus der Reichweite der Ärzte gehalten.

Wie ich zum Klischee wurdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt