▪1. Kapitel: Der Maskenball▪

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Celynn sah in den Spiegel und nickte sich selbst noch mal anerkennend zu.
Sie sah nicht schlecht aus.
Ihr hellbraunes Haar fiel ihr offen in Wellen bis zum Rücken und ihre himmelblauen Augen funkelten vor Vorfreude.
Doch ihr Kleid toppte alles: es war ein weißes Kleid, dessen dichter Stoff ab ihrer Hüfte in weißes Wellen bis zum Boden fiel.
In den Stoff waren dunkelblaue, hauchdünne Fäden eingesponnen, der obere Teil war auch weiß mit einer komplizierten dunkelblauen Stickerei.
Das Korsett saß zwar etwas eng, aber damit konnte sie klarkommen.
Jetzt fehlte nur noch der letzte, entscheidende Schliff: die Maske.
Celynn griff nach ihr und setzte sie auf.
Es war eine schneeweiße Maske, der Rand war mit dunkelblauen Perlen besetzt und sie ging ihr bis über die Nase.
Sie konnte ihre Vorfreude kaum verbergen, schließlich hatte der König höchstpersönlich sie eingeladen.
Nun, das war kein Wunder, ihre Familie gehörte zu einer der angesehensten des Landes, aber trotzdem war sie so aufgeregt, wie ein kleines Kind an Weihnachten.
Gut, manche würden sie mit ihren 17  Jahren noch ,,Kind" nennen und das war auch nicht ihr erster Maskenball, dennoch schlug ihr Herz schneller, als sie an das Essen, die Atmosphäre und die Musik dachte.
Celynn riss sich zusammen und drehte sich um.
Dann öffnete sie ihre Zimmertür und lief durch die Flure des Anwesens.
Ihr begegnete niemand auf dem Weg nach unten.
Hastig durchquerte sie den Garten, sie war schon fast zu spät.
Vor dem Tor wartete schon die Kutsche, gezogen von zwei wunderschönen, schneeweißen Pferden.
Der Kutscher hielt ihr die Tür auf und ließ sie einsteigen.
Celynn nickte ihm kurz lächelnd zu und ließ sich auf der ungemütlichen Sitzbank nieder.
Ihre Freundin- wenn man das so nennen konnte- wartete in der Kutsche schon auf sie.
Ella trug ein fliederfarbenes Kleid aus leichtem Stoff und eine schlichte, lila Maske.
Den Mund hatte sie wie immer abwertend verzogen, ihre roten Haare waren in einem Dutt zusammengebunden.
,,Was hat denn so lange gedauert?", wollte sie spitz wissen.
Celynn lächelte nur und richtete den Blick wieder aus dem Fenster.
Die Sonne ging schon langsam unter, die Bäume warfen lange Schatten und in der Ferne kommte Celynn den Bach plätschern hören, den sie als Kind so oft aufgesucht hatte.
Nun hatte sie allerdings keine Zeit mehr dafür.
Ein Rumpeln riss sie aus ihren Gedanken.
Gott, dieser Kutscher hatte es sich wohl zur Aufgabe gemacht, in alle Schlaglöcher zu fahren, die der Weg zum Anwesen aufwies.
,,Na, bist du schon aufgeregt?", durchschnitt Ellas schrille Stimme die Stille.
Celynn nickte nur, sie hatte keine Lust auf eine Unterhaltung.
,,Ja, ich bin auch schon aufgeregt, aber ich glaube, es wird schön, du auch?"
Konnte sie nicht einfach still sein?
Celynn überlegte mit ,,Also ich denke, es wird schrecklich!" zu antworten, letzendlich siegte aber doch der jahrelange Unterricht im Guten Benehmen und sie lächelte.
,,Ja, ich bin mir sicher, dass es wunderbar wird!", gab sie deshalb als Antwort zurück.
Ella lächelte strahlend zurück.
Celynn wandte den Blick ab aus dem Fenster.
Ella war keine Freundin. Sie wurde von Celynns Eltern dafür bezahlt, dass sie sich mit ihr abgab und nutzte das schamlos aus.
Auf einmal erspähte Celynn das Schloss und dieser Anblick vertrieb alle bösen Gedanken auf einen Schlag.
Das Schloss war ein riesiger steinerner Bau, der auf einem Berg hoch über dem Dorf drohnte.
Als die Kutsche das Stadttor passierte grinste Celynn voller Vorfreude.
Sie war noch nie in den Ballsälen des Schlosses gewesen, aber von ihren Eltern wusste sie, dass diese gewaltig und wunderschön sein mussten.
,,Das ist so schön!", rief plötzlich jemand neben ihr und erinnerte sie daran, dass sie leider nicht allein die Ballsäle des Schlosses betreten würde.
,,Ja, das ist wahr", stimmte Celynn zu und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, das allerdings nicht wegen Ella, sondern wegen des wunderschönen Anblicks auf ihren Lippen lag.
Inzwischen war die Sonne untergegangen, die Gaslaternen wurden entzündet, die Straßen leerten sich allmählich, Mütter riefen ihre Kinder nach drinnen und Vorhänge wurden zugezogen.
Nachts war die Zeit der Adeligen und der Feste. Und der Diebe und Mörder, fügte Celynn noch an und schauderte.
Es dauerte in Celynns Augen viel zu lang, bis sie endlich auf den Schlosshof fuhren und der Kutscher die Türen des Wagens öffnete.
Sie stieg aus, nickte ihm kurz höflich zu und lief zum Schloss, Ella würde schon kommen.
Sie musste sich zusammennehmen, um nicht vor Aufregung los zu rennen, weswegen sie langsam mit erhobenem Kopf lief und den Wachen höflich zunickte, als sie an ihnen vorbei kam.
Der Ballsaal war nicht schwer zu finden.
Man musste einfach dem Lärm und der Musik folgen.
Da niemand in Sichtweite war, rannte sie nun doch, sie konnte es kaum abwarten, endlich zu der Musik zu tanzen und es sich am Buffet schmecken zu lassen.
Vor der Tür kam sie zum Stehen und war froh, dass sie keine Schuhe mit Absatz anhatte.
Ella kam keuchend hinter ihr zum Stehen und schaute empört.
,,Celynn! Man rennt nicht! Das ist nicht die feine Art!"
,,Denkst du, das kümmert mich?", schnaufte sie, die Musik hatte sie ergriffen und ließ sie alle ihre guten Benimmregeln vergessen.
Ellas Augen weiteten sich und sie öffnete schon den Mund, um Celynn zu tadeln, doch diese hatte schon die Tür aufgestoßen und war in den Saal geschlüpft.
Der Anblick, der sich ihr dort bot war überwältigend.
Die Wand gegenüber, hinter der der Garten lag, war verglast, der Saal war erfüllt mit dem Licht, das ein juwelengeschmückter, riesiger Kronenleuchter von sich gab.
Die Wände waren weiß gestrichen mit goldenen Verzierungen und ein riesiges Bankett erstreckte sich an der rechten Wand.
Es gab eine Musikkapelle, eine riesige Tanzfläche und eine Empore, auf der die königliche Familie saß.
Der Raum war gefüllt mit Leuten, alle mit Masken, die sich zu der Musik bewegten.
Celynn witterte ihre Chance und tauchte in der Menge unter, während Ella noch immer verwundert da stand.
Es war ein wunderschöner Abend, die Stimmung war heiter und ausgelassen.
Celynn war gerade am Büffet, um dort noch eines dieser leckeren Käsebrötchen zu essen, als ihr Blick auf jemanden fiel.
Ein junger Mann, er konnte nicht älter als sie sein, stand in einer Ecke, einen Drink in der Hand und sah sich um.
Er war vollkommen in Schwarz gekleidet und trug einen Umhang, der mit Rabenfedern geschmückt war.
Seine Maske war ebenfalls schwarz wie die Nacht und lief bis über seine Nase.
Seine schwarzen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden und gingen ihm bis zu den Schultern.
Es schien, als würde er etwas suchen.
Celynn zögerte kurz, beschloss aber dann ihn anzusprechen.
Sie rückte noch mal ihre Maske zurecht, strich ihr Kleid glatt und lief auf ihn zu.
Als der junge Mann bemerkte, dass sie auf ihn zukam, stieß er sich von der Wand ab und kam ihr entgegen.
Celynns Herz schlug ihr bis zum Hals, als er vor ihr stehen blieb.
Er war etwas größer als sie, sie ging ihm etwa bis zur Schulter.
,,Hallo", fing sie überaus geschickt eine Konversation an.
Der Mann lächelte.
,,Hallo", erwiderte er, seine dunklen Augen funkelten unter seiner Maske amüsiert.
Celynn lief rot an und war plötzlich froh, dass sie eine Maske trug.
,,Ich heiß Celynn. Und Ihr?", versuchte sie das Gespräch zu retten.
Der Unbekannte lächelte.
,,Namen sind unwichtig. Nennt mich einfach Crow", antwortete er.
Celynn blinzelte verwirrt.
,,Gut. Darf ich Euch zu einem Tanz auffordern?", fragte Celynn schüchtern.
Crow nickte.
,,Gern", antwortete er, ergriff Celynns Hand und führte sie zur Tanzfläche.
Seine Hand war kalt und sein Griff fest, sie fühlte sich trotzdem nicht unwohl, auch wenn sie sich seine Hände weicher vorgestellt hatte.
Sie schaute kurz hinauf zum König.
Er war noch unter vierzig, seine Haare waren sorgfältig frisiert und seine grauen Augen waren aufmerksam auf die Menge unter ihm gerichtet.
Seine beiden Söhne saßen neben ihm und schienen sich schrecklich zu langweilen.
Es waren Zwillinge.
Das Königspaar hatte noch eine ältere Tochter, diese war aber schon verheiratet worden und die Königin war im Moment schwanger mit ihrem vierten Kind.
Die Königin war so ziemlich das Gegenteil von ihrem Mann.
Sie war sanftmütig und liebevoll, während der König vor keinem Konflikt zurückschreckte und das Land beinahe in den Ruin getrieben hatte.
Celynn wandte den Kopf wieder von der Königsfamilie ab und Crow zu.
Wie konnte man nur so umwerfend lächeln, wie dieser junge Mann?
Als die Musik wieder einsetzte, legte er vorsichtig seine Hand an ihre Hüfte, sie legte ihre auf seine Schulter.
Dann begannen sie zu tanzen.
Für Celynn war es, als würde sie in einer anderen Welt versinken, sie verlor sich in den dunklen Augen ihres Gegenüber und die anderen Besucher traten in den Hintergrund.
Es gab nur sie beide, seine starke Hand an ihrer Hüfte und seine Schulter unter ihrer Hand.
Sie tanzten weiter, bis ihre Füße wehtaten, aber das reichte ihr nicht.
Doch Crow führte sie von der Tanzfläche zurück in die Ecke, in der sie ihn angesprochen hatte.
,,Gut, könntet Ihr mir vielleicht sagen, wo die Küche ist, Celynn?", fragte er leise und lächelte verschwörerisch.
Celynn nickte.
Sie war schon ein Mal mit ihren Eltern hier gewesen und hatte sich von den Zwillingen das Schloss zeigen lassen. Nur waren damals alle Ballsäle geschlossen gewesen.
Sie deutet in eine Richtung.
,,Ihr müsst durch den Gang, zum Schluss kommt Ihr an eine Wendeltreppe. Dieser müsst Ihr nach unten folgen und dann die erste Tür rechts", erklärte sie und lächelte ihn an.
Crow lächelte zurück, nahm ihre Hand, küsste ihre Fingerspitzen und verschwand an.
Celynn blieb allein stehen und sah Crow lächelnd nach.
Plötzlich trat Ella neben sie.
,,Wer war das?", fragte sie aufgebracht.
,,Eifersüchtig?", grinste Celynn.
Sie war noch zu aufgewühlt, um an ihre guten Manieren denken zu können.
Ella verdrehte die Augen.
,,Du bist heute überaus frech!", bemerkte sie.
,,Noch eine Blitzmerkerin!", rief Celynn grinsend und nahm sich einen Muffin vom Büffet.
Ellas Nasenflügel bebten.
,,Das werde ich alles deiner Mutter erzählen", drohte Ella.
,,Gut", lächelte Celynn und lief durch die tanzende Menge, ihr war gerade nach Bewegung zu Mute, auch wenn sie eigentlich schon genug getanzt hatte.
Plötzlich ging ein Aufraunen durch die Menge, alle Blicke waren auf den König gerichtet.
Dieser saß zusammengekrümmt auf seinem Thron, die Königin sah ihn bestürzt und hilflos an.
Erste Aufschreie wurden laut und Ärzte rannten auf die Empore.
Die Königin stand auf.
,,Er hat nur etwas gegessen und plötzlich krümmte er sich zusammen!", erklärte sie den Ärzten aufgewühlt und panisch.
Celynn schrie mit allen anderen, als der König ein letztes Mal zuckte und dann tot zusammenfiel.
Jemand hatte den König umgebracht.

Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt