Ein leises Klopfen riss Celynn aus dem Schlaf.
Mürrisch richtete sie sich auf und sah zur Tür.
Wer konnte das um diese Zeit sein?
Es klopfte noch mal und da bemerkte Celynn, dass das Klopfen nicht von der Zimmertür, sondern von der Balkontür kam.
Sie erschauderte.
Da war jemand auf ihren Balkon.
Jemand, der wahrscheinlich keine guten Absichten hatte.
Als es ein drittes Mal klopfte nahm Celynn sich allen Mut, den sie finden konnte, packte ihren Kerzenhalter, rannte zur Tür und riss sie auf.
Vor ihr stand Crow, der die Hand gerade für ein weiteres Klopfen gehoben hatte.
Als die Tür so plötzlich aufgegangen war, hatte er anscheinend seinen Dolch gezogen, denn die polierte Klinge glänzte im fahlen Mondlicht.
Als er Celynns Blick bemerkte, steckte er den Dolch schnell wieder weg, auch Ceylnn ließ den Kerzenhalter sinken.
Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.
Crow war einfach zu niedlich mit seinem unsicheren Lächeln und seinem verlegenen Gesichtsausdruck.
,,Was tut Ihr... tust du... wollen wir uns nicht duzen?", fragte sie und trat zu ihn auf den Balkon.
,,Das hast du dich sowieso schon", erwiderte Crow und lehnte sich neben sie an die Hauswand.
Celynn lief rot an, als ihr bewusst wurde, dass sie nur in ihrem knielangen, leichten, dunkelblauen Nachthemd vor ihm stand.
Doch als sie in Crows dunklen Augen sah, vergaß sie alle ihre Sorgen wieder.
,,Warum bist du hier?", fragte sie erneut.
,,Wäre es dir lieber, ich wäre nicht hier?", wollte Crow wissen.
Celynn schüttelte hastig den Kopf.
,,Nein, so habe ich das nicht gemeint...", fing sie an zu erklären, stoppte aber, als sie Crows amüsiertes Grinsen sah.
,,Du bist doof", murmelte sie, kommte sich ein Grinsen, jedoch auch nicht verkneifen.
,,Ich weiß", entgegnete er.
Dann streckte er seine Hand aus und fuhr mit dem Daumen über Celynns Wange, woraufhin sich eine Gänsehaut über ihren Körper zog.
,,Ich weiß es nicht", beantwortete Crow nun endlich ihre Frage, ,,ich glaube, ich musste dich einfach sehen."
Celynn lächelte und schmiegte ihr Gesicht an seine Hand.
Plötzlich bekam sie ein schlechtes Gewissen als sie daran dachte, wie sie ihm heute Mittag eine Backpfeife gegeben hatte.
,,Tut deine Wange noch weh?", fragte sie und sah Crow fürsorglich an.
Auf einmal wich alle Zärtlichkeit aus Crows Blick.
Er zog seine Hand zurück.
,,Ich muss gehen", meinte er und drehte sich von Celynn weg
Diese schaute ihn fassungslos an.
Was auch immer hier gerade passierte, sie wollte es nicht.
,,Sehen wir uns wieder?", fragte sie und konnte das Zittern aus ihrer Stimme nicht ganz verbannen.
,,Kann sein", antwortete Crow knapp und schwang sich über das Geländer.
Dann kletterte er an der Hauswand hinunter.
Celynn schaute ihm nach, als er in den Schatten verschwand.
Natürlich, es war falsch.
Sie kannten sich erst seit gestern Abend, außerdem war er des Königs Mörder.
Celynn lief zurück in ihr Zimmer und ließ sich auf ihr Bett fallen.
Ohne Crow war ihr kalt.
Sie vermisste seine Nähe und wünschte sich, sie könnte ihre Stände einfach vergessen und ihn küssen und lieben.
Da flossen die Tränen wieder, rannen ihr über die Wange, an der zuvor noch Crows Hand gelegen hatte und durchweichten ihre Matratze und ihr Kissen.
Plötzlich fiel ihr etwas auf.
Heute Mittag war Crows Hand genau in die Richtung geschnellt, in die er seinen Dolch zurück gesteckt hatte.
Er hatte sie doch nicht etwa erstechen wollen!
Wenn er wirklich dazu bereit war, war er vielleicht doch nicht der Richtige für sie.
Aber dann war da wieder die Wärme in seinen Augen heute Nacht...
Konnte er sich nicht entscheiden was er wollte?
Konnte sie sich nicht entscheiden, was sie wollte?
Celynn setzte sich auf, dann schwang sie ihre Füße aus dem Bett und stand auf.
Sie drückte ihre Zimmertür auf und lief durch den Gang
Der Steinboden war eiskalt, in ihrem Zimmer lag zum Glück ein Teppich, sonst wäre sie wahrscheinlich niemals aufgestanden, um zu Crow auf den Balkon zu kommen.
Vor der Holztür blieb sie stehen und klopfte.
Es dauerte ein wenig, bis sich die Tür öffnete.
Doch dann schwang sie auf und Ella stand im Türrahmen.
Ihre roten Haare waren zerzaust und ihre braunen Augen schauten verschlafen.
,,Celynn, was -"
Celynn ließ sie nicht ausreden, sondern warf sich in ihre Arme und weinte.
Etwas überfordert umarmte Ella sie zurück, dann bugsierte sie sie in ihr Zimmer und schloss die Tür.
Als nächstes drückte sie Celynn sanft aber bestimmt auf ihr Bett und setzte sich neben sie.
,,Was ist los?", fragte sie fürsorglich und Celynn begann zu erzählen.
Sie erzählte von Crow, wie sie ihn zum ersten Mal gesehen und angesprochen hatte und endete damit, dass er sie heute Nacht besucht hatte und dann verschwunden war.
Nur dass er den König ermordet hatte ließ sie aus.
Sie wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.
Als sie geendet hatte, schloss Ella sie noch mal in die Arme und drückte sie an sich.
Als sie sich wieder voneinander lösten, beschloss Ella: ,,Was du brauchst, ist Ablenkung!"
Celynn zog die Nase hoch.
,,Wenn du meinst..."
Ella nickte bestimmt.
,,Ja, tue ich!"
Sie reichte Celynn ein Taschentuch.
Diese nahm es dankbar an und putzte sich die Nase.
,,Gut, was schlägst du vor?", fragte sie.
,,Zuerst einmal solltest du schlafen.
Celynn nickte.
Seit gestern hatte sie nicht mehr richtig geschlafen.
Müde streckte sie sich in Ellas Bett aus.
Es hatte ihr gut getan mal mit jemandem darüber zu reden und bei Ella fühlte sie sich geborgen und sicher.
War das Freundschaft?
Mit diesem Gedanken verfiel sie in einen festen, traumlosen Schlaf.Am nächsten Morgen wachte sie durch die Sonne auf, die durch das Fenster fiel und das Zimmer in ein goldenes Licht tauchte.
Celynn streckte sich und gähnte, sie hatte lange nicht mehr so gut geschlafen.
Plötzlich fiel ihr auf, dass sie nicht in ihrem Zimmer war.
Das hier war das von Ella, aber wo war sie?
Da fiel Celynns Blick auf das Sofa neben der Tür und auf diesem lag... Ella!
Diese schlief noch, ihr Haar fiel wie ein roter Wasserfall über die Sofalehne bis fast zum Boden.
Celynn seufzte und setzte sich auf.
Langsam kamen die Erinnerungen an die Nacht zurück.
Crow... dieser Junge machte sie verrückt!
Auf einmal bemerkte sie eine Bewegung und stellte fest, dass Ella aufgewacht war und sie verschlafen anblinzelte.
,,Guten Morgen, Celynn", grüßte sie mit verschlafener Stimme.
,,Morgen", erwiderte Celynn knapp und lächelte. ,,Gut geschlafen?"
,,Ja, schon, auch wenn das Sofa ziemlich ungemütlich ist."
Celynn bekam ein schlechtes Gewissen.
,,Oh, tut mir leid, ich wollte dich nicht aus deinem Bett vertreiben..."
Ella unterbrach sie: ,,Nicht schlimm, du hast das Bett eher gebraucht als ich. Gut und heute machen wir etwas richtig schönes, um dich auf andere Gedanken zu bringen!", hängte sie an und lächelte.
,,Was schlägst du vor?", fragte Celynn motiviert.
Ella lächelte.
,,Ich hatte an einen Ausritt gedacht!"Der Wind peitschte Celynn durch das Haar, als der dunkelbraune Wallach durch den Wald preschte.
Es war ein wunderschönes Tier, es war prächtig, hatte Kraft und Ausdauer.
Ella ritt auf einer weißen, zierlichen Stute hinter ihr her, etwas langsamer als Celynn aber so, dass sie sie nicht aus den Augen verlor.
Celynn liebte es zu reiten, sie hatte es schon viel zu lang nicht mehr gemacht.
Der Wind im Haar, die Freiheit, die man dabei empfand und das wunderschöne Gefühl des Pferdes unter einem konnte von nichts übertroffen werden.
Außer von dem Fliegen vielleicht, aber das war für Menschen unmöglich.
Celynn hielt an und wartete auf Ella, die im Trab neben sie geritten kam.
,,Und? Hat es dir gefallen?", fragte diese lächelnd und kam neben ihr zum Stehen.
Celynn nickte.
,,Ja, es war wundervoll, vielen Dank! Aber ich würde jetzt gern noch allein etwas weiterreiten", beschloss sie.
Ella nickte ihr zu.
,,Klar, kein Problem, ich überlege mir eine Ausrede für dich", versprach sie.
Celynn lächelte.
,,Ich danke dir, Ella."
,,Immer gern doch!", erwiderte sie, wendete ihr Pferd und ritt zurück zum Anwesen.
Celynn blieb kurz allein zurück, dann schnalzte sie mit der Zunge und der Wallach lief wieder los.
Sie wollte zum Bach.
Dort war sie schon so lange nicht mehr gewesen.
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Hinter der Maske
RomanceCelynn wurde auf einen Maskenball im königlichen Schloss eingeladen. Dort trifft sie auf einen mysteriösen jungen Mann, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Doch was sie nicht weiß ist, dass diesen Mann viele nicht gerade harmlose Geheimnisse umgeb...