s i x t y - t w o

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»Also, wollen wir zu dir ins Diner um noch einen Shake zu trinken?« hakte Alvia lächelnd nach und legte gerade ihre Bücher in ihren Spind. Ich hatte meinen Spind schon geschlossen und wartete nur darauf, dass sie bereit gewesen ist um endlich zu gehen.

»Klar. Meine Eltern müssten schon da sein« antwortete ich und zusammen spazierten wir aus der Schule. Shawn war heute krank gewesen und nicht zur Schule gekommen. Aber wie ich mitbekam, kriselte es zwischen den beiden momentan ein bisschen. Ich hatte nicht die Intention Alvia zu verletzen und ich wusste, dass sie traurig sein würde, wenn ich sie darauf ansprach, also ließ ich es einfach und versuchte ihr zu zeigen, dass ich für sie da gewesen bin und wollte ihr eine gute Freundin sein.

Ich war heute glücklich über meine gute Note gewesen, welche ich geschrieben hatte. Es war die letzte Matheklausur vor meiner Abschlussprüfung gewesen und ich hatte eine glatte zwei. Seitdem ich mich nur in Schularbeiten, Hausaufgaben und Bücher geschmissen hatte, lief alles wieder gut. Ich konnte meinen Schmerz anders nicht verarbeiten. Und ich versuchte dadurch die Tatsache zu verdrängen, dass ich James vermisste.

»Er soll wieder in der Stadt sein« murmelte ich kleinlaut und sie verstand sofort, was und wen ich meinte. »Dieser Junge. Ich habe ihn noch nie verstanden« gab sie etwas entnervt von sich und ich wusste genau, welche Haltung sie ihm gegenüber vertrat. Keine Gute. Und sie mochte ihn auch nicht. Aber sie hielt sich zurück und das war die Sache, die ich an ihr und unserer Freundschaft sehr schätzte. Alvia mochte James vielleicht nicht aber gab mir nie das Gefühl ein schlechter Mensch zu sein, nur weil ich mich in ihn verliebt hatte. Sie stand hinter mir und half mir. Egal ob ich mich für oder gegen ihn entschied.

»Ich hab das nur gehört. Vielleicht stimmt es gar nicht« ich schaute zu ihr rüber und sie bemerkte sofort meine Verzweiflung. Es war schon fast eine Woche her, dass meine Mutter mir das gesagt hatte, aber ich hatte ihn weder gesehen, noch hatte ich irgendwas von ihm gehört. Hatte er sich nicht melden wollen? War er gar nicht hier? Oder hatte er uns schon vergessen? Auch ich versuchte das seitdem er weg gewesen ist aber nichts war so wie früher. Mir gelang es nicht, James zu vergessen. Genau wie unsere Liebe. Aber auch die schlimmen Dinge die ich für ihn getan hatte verfolgten mich. Ich hatte schon überlegt in eine Kirche zu gehen um meine Sünden loszuwerden, aber war das nicht schon zu mies, was ich alles für die Liebe und für James getan hatte? Es war, als wäre ich in der Zeit in der er noch hier gewesen ist, ein anderer Mensch gewesen, als hätte ich einfach alles falsch gemacht was ich hätte falsch machen können.

»Du bist anders, seitdem er weg ist« stellte sie fest und es war das erste Mal, dass sie oder generell jemand diese Vermutung ausgesprochen hatte. Aber sie hatte recht. »Du hast abgenommen und deine Augen haben dieses Funkeln verloren« fuhr sie seufzend fort und ich erkannte diese Sorge und diese Traurigkeit, die sie meinetwegen mit sich trug. Ich wollte nicht der Grund sein, weshalb sie sich so schlecht fühlte.

»Ich habe.. ich.. Alvia, es ist schwer. Die Dinge die passiert sind kann ich nicht mehr rückgängig machen, so sehr ich das auch will. Ich habe miese Dinge getan. Dinge, die ich dir auch nicht erzählt habe, die ich wirklich niemandem erzählt habe und niemandem erzählen kann. Und ich kann das alles einfach nicht loslassen. Ich bin nicht bereit dazu. Jetzt zumindest noch nicht, vielleicht bald« antwortete ich ruhig. Ich hatte das Bedürfnis zu weinen aber ich hatte mir die letzten Wochen angewöhnt, dies zu unterdrücken. Und ich hatte es mittlerweile wirklich drauf.

»Du darfst nicht zulassen, dass er auch deine Zukunft verbaut, Mia. Man« fluchte sie ein wenig und betrat mit mir das Diner meiner Eltern. Ich war lange nicht mehr hier unten gewesen. Um ehrlich zu sein, vermied ich dieses Diner. Ich hatte meine Kindheit in diesem verbracht und den größten Spaß mit Lucas und Alex gehabt. Aber ich hatte auch eine meiner schlimmsten Momente in diesem erlebt. Sofort stellten wir unser Gespräch über James ein weil sie wusste das mein Vater, welcher schon hinter der Theke stand, nicht unbedingt gut darauf reagieren würde.

»Hey!!« rief meine Mutter erfreut, während sie gerade einen anderen Tisch bediente. Alvia und ich setzten uns in unsere Ecke in der Nähe von der Theke und meine Mutter brachte uns, wie früher auch schon, zwei Erdbeershakes. Zögerlich trank ich meinen, weil ich nicht sonderlich viel Durst hatte. Ich konnte nicht normal essen oder trinken, mir tat mein Magen weh und dieser hielt mich auch davon ab, zu essen.

»Ich sag es dir!!« rief eine bekannte Stimme und ich schreckte hoch. Es war dieser Michael. »Lockwood ist wieder hier« sprach er lallend und ich war sofort ganz Ohr. »Alle sprechen darüber« fügte er hinzu und ich wandte mich persönlich an ihn. Ich ignorierte gekonnt die Blicke meiner Eltern und Alvia. »Woher weißt du das?« fragte ich und erkannte die aufkommende Wut in den Augen meines Vaters, ignorierte diese aber gekonnt. Ich brauchte endlich eine Antwort, sonst würde ich verrückt werden. »Na, er war wieder in seiner alten Bar, sagen sie. Ich hab dort Hausverbot« brummte er und gab ein ekliges Husten von sich. Nickend trank ich meinen Shake. »Das der noch nicht hinter Gittern ist.« mischte nun mein Vater sich ein und sein fast schon tödlicher Blick lag auf mir.

Ich wollte ihn anschreien, ich wollte ihm sagen dass ich nichts gemacht hatte. Aber ich beließ es dabei. Ich hatte keine Lust mich mit so einem sturen Mann zu unterhalten, wenn dabei sowieso nichts rauskommen würde. Er würde es nicht verstehen. Für ihn sollte alles seine Richtigkeit haben und seiner Meinung nach, war ich genau so schlimm wie James. Aber es war okay. Ich würde ihn doch sowieso nicht sehen.

criminally in love | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt