„Liv bist du das?", fragte ich das Mädchen, dass zusammengekauert in der Ecke saß. Sie hatte ihre Arme um die Beine geschlungen und zitterte am ganzen Körper.
„Liv was ist los?".
„Geh weg du Monster!", ihre Stimme triefte nur so vor Hass und war wie ein Hauch, den ich trotzdem so laut hörte, als hätte sie es mir ins Ohr geschrien. Es verpasste mir eine Gänsehaut. Jetzt hob sie ihren Kopf und blickte mich an. Ihre Augen waren rot vom weinen und ihr Blick strahlte puren Hass aus. Langsam bekam ich Angst.
„A.. A.. Aber was habe ich getan?", fragte ich nun ängstlich, meine Stimme auch nur noch ein Hauch. Doch sie antwortete mir nicht mehr.
„Liv? Liv, antworte mir doch bitte! Du sollst mich nicht hassen! Liv? Liv?Bitte!" langsam fingen auch bei mir die Tränen freien Lauf zu nehmen. Was hatte sie nur? Warum hasste sie mich?
„Siehst du nicht was du mit mir machst?", pure Verachtung mit einem Hauch von Verzweiflung strahlte ihr Blick aus. Was hatte ich getan?
Plötzlich verzehrte sich ihr Gesicht vor meinen Augen. Was war jetzt los. Ich stand nun vor einem Spiegel und was ich da sah ließ mich stocken. Mein Gesicht sah tatsächlich aus, wie das eines Monsters. ICH war ein Monster.
Keuchend und komplett verschwitzt schreckte ich aus meinem Schlaf hoch. Was war das denn bitte für ein Traum gewesen! Warum musste ich immer von ihr träumen! Ich hasse sie doch! Soll mir doch egal sein ob sie mich auch hasst!
Kann ich sie nicht einfach vergessen?
5:43 zeigte mir die kleine leuchtende Anzeige vom Wecker an.
Ich hatte noch fast eine Stunde bis ich überhaupt aufstehen muss. Kann einem was schlimmeres passieren?
Da ich nun eh nicht mehr schlafen konnte zog ich mir schnell einen Pullover über und setzte mich in meinen Sessel. Zum zweiten Mal griff ich nach dem kleinen unscheinbaren Buch. Ihr Tagebuch.
Ich schlug es dort auf, wo ich letztes Mal aufgehört hatte. Es war die erste beschriebene Seite nach den ganzen rausgerissenen.
18.03.2018
Liebes TagebuchEs ist eine ganze Weile her, dass ich hier was reingeschrieben habe. Einige Jahre um genau zu sein. Meine letzten Einträge müssten von 2016 gewesen sein. Fast hätte ich vergessen, dass ich dieses Buch überhaupt besitze. Ich habe es heute beim aufräumen wiedergefunden und die Einträge von früher durchgelesen. Jetzt sitze ich heulend vor diesen. Wie kindisch ich damals war. Schon fast peinlich. Wie krass sich eine Person über die Jahre verändern kann. Beziehungsweise zwei Personen. Ich bin mittlerweile 14 Jahre alt. Viki und ich sind nicht mehr wirklich befreundet. Wie genau das passiert ist weiß ich nicht mehr. Sie hat irgendwann neue Freunde gefunden. Ihre neue beste Freundin ist Jackie Brooks. Sie ist ein Mädchen aus unserer Klasse, ich wusste aber nie, dass Viki und Jackie so gut miteinander auskommen. Ich finde sie zwar nicht die netteste Person, aber Hauptsache Viki ist glücklich, oder? Und sie wirkt glücklich. Zumindest lacht sie oft mit ihr. Viki hat ein schönes Lächeln. Ich vermisse sie manchmal. Oft. Sehr oft. Aber ich verstehe, dass sie nicht mehr wirklich etwas mit mir zu tun haben will. Mit so einer ängstlichen und hässlichen Person wie mir hätte ich auch nicht gerne etwas zu tun. Ich habe übrigens grad eben etwas schlimmes getan. Aus unerklärlicher Wut auf was auch immer habe ich fast alle Seiten aus dem Tagebuch gerissen. Jetzt sind es nur noch kleine Schnipsel in meinem Papierkorb. All die schönen Erinnerungen einfach so weg.
Eine kleine Träne rollte über meine Wangen. Ich vermisste Liv auch. Aber nicht die Liv die diesen Eintrag geschrieben hatte, sondern die Liv der ich dieses Buch geschenkt hatte. Die Liv die diesen Eintrag geschrieben hatte war die Person die ich hasste. Die Person die mich einfach allein gelassen hatte.
Es sah so aus als hätte sie beim Schreiben dieses Eintrages geweint. Auf dem Papier waren mehrere gewellte Flecken, die den Eindruck machten, als wäre Wasser auf die Seite gekommen, dass über die Zeit wieder getrocknet ist.
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„Man Viki jetzt hör mir doch mal zu!", holte mich Jackie aus meinen Gedanken.Verdammt! Ich konnte einfach nicht mehr aufhören über dieses blöde Tagebuch nachzudenken.
„Was?" fragte ich genervt.
Wir saßen grad mitten im Englischunterricht und sollten mit unserem Sitznachbarn die Lösungen besprechen. Natürlich hatten weder ich noch Jackie vor dies zu tun. Das tut mir vielleicht ein bisschen leid für den Jungen der Rechts neben mir saß und somit mit mir die Ergebnisse vergleichen sollte, aber er wird das sicher überleben. Zwar sah er so aus, als ob er sehr gerne die Lösungen austauschen würde, doch er traute sich nicht einmal mich darauf anzusprechen. Sollte mir recht sein.
Jackie versuchte mir von meiner linken Seite den neusten Tratsch mitzuteilen, doch ich war mit meinen Gedanken nicht ganz bei ihr. Sie merkte das und wurde sauer, also versuchte ich mich auf sie zu konzentrieren.
„Yuki soll dabei erwischt worden sein, wie sie nach dem Schwimmtraining mit einem Mädchen rum geknutscht hat. Mit einem MÄDCHEN! Kannst du dir das vorstellen?! Ekelhaft! Ihr Ruf ist jetzt mit Sicherheit bei allen unten durch." damit hatte Jackie wieder meine volle Aufmerksamkeit.
Yuki mit einem Mädchen rum geknutscht? War das so schlimm? Um ehrlich zu sein hatte ich noch nie über so etwas nachgedacht. War es etwas anderes als einen Jungen zu küssen? Eigentlich ja nicht oder? Also was sollte daran so verwerflich sein?
„Und was genau ist so schlimm daran?" Woher merkt man eigentlich ob man auf Jungs oder Mädchen steht, fragte ich mich selbst.
„Es ist einfach nicht natürlich!", antwortete Jackie auf meine letzte Frage, „Mann und Frau! Alles andere ist falsch!"
„Miss Verveld and Miss Brooks. Either you both share your solutions with the class or you keep quiet!" Wir hatten garnicht bemerkt, dass unsere Lehrerin die Austausch Phase beendet hatte und begonnen hatte die Lösungen in der Klasse zu besprechen.
Doch da mir diese ziemlich egal waren träumte ich weiter vor mich hin.
Fand Jackie es wirklich so schlimm, dass zwei Mädchen sich geküsst haben?
Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich fast persönlich angegriffen.
Warum dachte sie sowas!
War das nicht irgendwie gemein gegenüber Yuki? Ich mein sie hatte ja nichts getan, oder?Aber anders waren wir zu Liv doch auch nicht gewesen oder? Aber Liv hatte es verdient!
War ich zu gemein zu Liv gewesen?

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Dear Diary
Teen FictionBeste Freunde für immer hatte sie gesagt. Von wegen für immer! ---- Olivia McClaire und Viktoria Verveld waren schon immer aller beste Freunde gewesen. Nichts und niemand hatte sie trennen können, bis auf einmal sich alles änderte. Ihre Freundsch...