Rote Tränen

SV, die Strafe für Alles?

Mit der Zeit wurde es schlimmer. Ich liege nicht selten stundenlang im Bett. Um mich herum kreisen diese abscheulichen Gedanken. Mein viel zu dicker Bauch gleicht dem Muster einer Tigerhaut. Machtlosigkeit gegenüber dem zweiten Ich. Wenn dieses 'zweite Ich' zu Vorschein kommt, überdeckt es den, sonst so extrovertierten Teil von mir vollständig. Meine Entscheidungen treffe in diesen Momenten nicht mehr ich selbst, sie werden vor meinen Augen gefällt. Ohne den Einsatz jeglichen Verstandes. Früher habe ich vor jeder Selbstverletzung geschaut, wie viel Zeit noch bleiben wird, bis Mama von der Arbeit kommt. So traf ich dann die Entscheidung ob ich mich verletzen sollte, oder es eben auf einen anderen Zeitpunkt verschiebe. Rationales Denken fällt so bei mir von Zeit zu Zeit ganz aus. Vielleicht nicht ganz, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit lebt diese zweite Person in einer anderen Welt. Die Normen dort gleichen unseren keineswegs.
Das Schönheitsideal und der Drang, perfekt in seinem Handeln zu sein, übersteigen in dieser Zweitwelt alles, was mir aus der Realität bekannt ist. Erkennbar ist der Übergang von der Realität zu der depressiven Welt von außen wahrscheinlich schon, aber ich kann ihn nicht erkennen und schon gar nicht mehr Wirklichkeit von meiner Gedankenwelt trennen.
So kommt es, dass in meiner Welt als Strafe für alle vermeintlichen Fehler Selbstverletzung als Urteil gesprochen wird. Für jedes mal steigt das Strafmaß an Schmerz.
Ganz früher hat ein Schlag auf den Arm genügt. Die Steigerung davon war der (spitze) Bleistift und daraufhin die Zirkelspitze. Anfangs wurden diese Geräte äußerst zaghaft eingesetzt. Keiner sollte es mitbekommen....
Später wurden aus ein paar Kratzern Schmarren und aus denen teils blutende Wunden. Das hat im Übrigen nichts daran geändert, dass ich kein Blut sehen kann.
Jedes mal redete ich mir ein, dass was ich tue sei gar keine Selbstverletzung. Aus welchen Gründen auch immer ich das dachte: Das war es sehr wohl und ein solches Verhalten ist in meinen Augen nichts, was man ignorieren sollte oder darf.