Kapitel 15

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-Rosalie
~Tag des Auftritts~
In den letzten Wochen herrschte eine merkwürdige Stimmung zwischen Julian und mir. Es wäre jetzt nicht so, als hätten wir uns ignoriert oder so, aber... Er hat mich mit kleinen Geschenken und Aufmerksamkeiten überhäuft. Mittlerweile weiß gefühlt die halbe Schule von uns. Meine Aufregung, wenn er bei mir ist, und die Wärme, die mich durchströmt, scheinen immer größer zu werden. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. All das verwirrt mich total. Selbst meine eigene Mutter ist schon misstrauisch geworden, weil ich mich so in meinem Zimmer verschanze.. Das Ganze ist so-
,,Hopp. Hopp. Beeil dich, Schatz! Wir müssen rechtzeitig in der Schule sein." Der Ruf meiner Mutter von unten unterbricht meine wirren Gedanken und eilig renne ich die Stufen hinab zur Haustür. Hoffentlich wird das heute kein Reinfall... Schweigen hüllt den Innenraum des Wagens ein, während wir über die Straßen Richtung Schule fahren.

-Julian
Ganz in Ruhe machen mein Vater und ich uns auf den Weg zur Schule. Der Gitarrenkoffer baumelt locker in meiner Hand, während sich die Aufregung langsam durch meinen Körper schleift. Ich habe kein Problem damit, vor allen zu spielen, aber diesmal ist es etwas Anderes..
"Sei entusiasta?²⁰" Natürlich nicht. Doch.. ein wenig. OK. Sehr!
"Ich habe nur Angst vor ihrer Reaktion." Beschwingt legt mein Vater seinen Arm um meine Schulter und wir erreichen schlendernd die Schule. Als wäre es so geplant, steht auch Rosalie mit ihrer Mutter vor dem Seiteneingang. Vielleicht solltest du dich mal vorstellen..?
"Wir sehen uns drin. Ich komm' gleich nach." Schon ist mein Vater im Treppenhaus verschwunden. Mit leisen Schritten nähere ich mich den beiden.
"Buona sera²¹, Frau-"
"Du kannst mich ruhig duzen. Ich heiße Nadine." Rosalie hat ihr Lächeln definitiv von ihrer Mutter.
"Grazie. Ich bin Julian, ich bin verrückt nach ihrer Tochter wollte mich nur mal eben vorstellen. Viel Spaß euch beiden." Bevor ich mich ebenfalls von ihnen abwende, werfe ich beiden noch ein Grinsen entgegen und mache mich dann auf den Weg in die Aula. Ok. Es gibt kein Zurück mehr.
Till und Goran sind bereits da und helfen beim Aufbau. Frau Erdmann wuselt, scheinbar nervös, mit einem Clipboard in der Hand durch den großen Raum. Mein Vater hat sich bereits in die erste Reihe gesetzt und hält Plätze für die Jungs, aber auch für Rosalie und ihre Mutter frei. Großartig.. ja.. Nachdem ich meinen Gitarrenkoffer auf der Bühne verstaut habe, lasse ich mich neben ihn sinken und warte darauf, dass das ganze Spektakel hier beginnt.

-Rosalie
Der Blick meiner Mutter fliegt zu mir. Sie beginnt breit zu lächeln. ,,Ist er, der ich denke, der er ist?"
,,Ääh..."
,,Naja, der Kerl, wegen dem du seit Wochen in deinem Zimmer hockst und Trübsal bläst. Der ist ja ein Süßer." Sie kichert albern.
,,Mama!"
,,Nein echt, guter Geschmack. Hätte nicht gedacht, dass es hier solche heißen Italiener gibt!"
,,MAMA!!"
,,Jaja, schon gut.. Ich hoffe, er war nett zu dir...?" Eine Frage liegt in ihren Augen.
,,Naja schon... Ich-"
,,Weißt du, erzähl es mir nachher, wir müssen jetzt erstmal rein, es geht gleich los."
Im Eiltempo rennen wir ins Schulhaus und die Aula. Gerade rechtzeitig gleiten wir auf die Plätze, die uns Herr Pollina freigehalten hat. Meine Mutter nickt ihm dankend zu. Suchend blicke ich mich nach Julian um, doch dann wird es dunkel im Saal und ich kann nichts mehr erkennen. Was kommt jetzt?
Ein Scheinwerfer geht an und erleuchtet die Bühne. Das Licht strahlt um Julians wirren Lockenkopf und wirkt beinahe wie ein Heiligenschein. Er schaut zu mir. Seine braunen Augen bohren sich in meine. Stille breitet sich im großen Raum aus.
Ein leises Klavierinstrumental setzt ein und zieht mich in seinen Bann. Das ist aber nicht das Lied seines Vaters, was-
,,Ich schau, wie du schaust, wenn dich einer anschaut. Und ich rauch' und ich sauf', denn ich brauch' nicht zu sehen. Wie sehr du dich freust und wie, wie sehr du enttäuscht bist von mir. Von mir." Ich presse hart die Lippen zusammen, um vorerst die Tränen zurückzudrängen. Ich glaube, er meint mich. Oh Gott, er meint mich. Mir wird schwindlig.

-Julian
"Und wie sehr du dich sehnst nach 'nem Leben mit jemandem, leben zu zweit. Ein Leben mit mir ist ein Leben allein. Und ich weiß es wird Zeit, es wär besser für dich jetzt zu gehen." Ich wollte eigentlich nie, dass du gehst.
"Lass' mich nicht los. Lass' mich nicht los. Lass mich nicht auf dich los." Tillmanns Posaune setzt ein. Sie klingt irgendwie nach Schmerz. Julian? Ich verstärke meinen Blickkontakt mit ihr. Ihr ist das bestimmt total unangehm. Aber.. aber.. ich muss sie einfach anschauen. Genauso. Sie-
"Ich schau' dir in die Augen und sie schauen traurig in meine Augen hinein. Und du weinst und ich schreie, ich schreie auf dich ein. Draußen stürmt's und es schneit." Die einzige Lüge in diesem Song. "Eigentlich will ich nur, dass du weißt, dass ich, ich will, dass du bleibst. Lass' mich nicht mit mir allein. Eigentlich will ich nur, dass du weißt, dass ich will, dass du bleibst. Lass' mich nicht mit mir allein."
Bitte.
"Und lass' mich nicht los. Lass' mich nicht los. Lass' mich nicht auf dich los."
Ich bin nicht der, für den du mich immer gehalten hast..
"Lass' mich nicht los. Lass' mich nicht los. Lass', lass' mich nicht auf dich los." Das Instrumental beendet mehr als melodramatisch meinen Song, aber das ist ja eigentlich genau das, was ich wollte. Stille. Bis ein leises Klatschen aus der hintersten Reihe ertönt und die nächsten Reihen es ihnen gleich tun. Nur Rosalie klatscht nicht. Es hat ihr nicht gefallen. Ich habe es nicht geschafft, ihr zu beweisen, wie wichtig sie mir ist. Scheiße.
"Danke." brumme ich ins Mikro.

-Rosalie
Mein Blick füllt sich langsam mit Tränen der Rührung, während ich zu ihm auf die Bühne starre. Du bist einfach besonders. Du hast ein Lied für mich geschrieben. Es muss ihm ernst sein, oh Gott. Ich glaube, ich liebe dich. Verdammt ja... Du bist wundervoll. Er presst hart seinen Kiefer zusammen und starrt düster vor sich hin. In seinem Kopf scheint sich ein Gewitter zusammenzubrodeln. Fuck, er muss denken, ich mochte es nicht. Ich- ich bin aber so überwältigt. Ich-
Er will gerade von der Bühne treten, als ich aufspringe und zur Bühne sprinte. Meine Füße scheinen über das Holz zu schweben, während mir Tränen über die Wangen fließen. Er mustert mich mit großen Augen. Unter seinem überraschten Blick wird mir so warm, dass ich sicher bin, dass die Heizung aufgedreht wurde. Als ich vor ihm stehen bleibe, verstummt das Geflüster im Saal. Ich lasse meinen Blick über sein wunderschönes Gesicht schweifen. Von der harten Kante seines Kiefers, zur Nase über die warmen, braunen Augen, zu den Locken in seiner Stirn. Du bist so schön. Er schaut mich immer noch entgeistert an.
,,Ich liebe dich.", flüstere ich, dann greife ich nach seinem Gesicht und presse meine Lippen leidenschaftlich auf seine. Ich habe mich so nach dir gesehnt. Überrascht wandern seine Hände zu meiner Taille, aber als er begreift, was das alles bedeutet, schlingt er seufzend die Arme um mich.
,,Ti amo, Rosaspina.²²", murmelt er an meinem Mund, der sich bereits wieder fordernd auf seinen drückt. Applaus bricht im Publikum aus.

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²⁰= Bist du aufgeregt?
²¹= Guten Abend.
²²= Ich liebe dich, Dornröschen.

rosaspina & tigrotto (faber fanfiction) [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt