• Kapitel 8 [Bastis POV] •

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Wieso reagierte Carmen nicht? Sie vergrub ihr Gesicht in ihren verschränkten Armen. Ich hörte ein leises Schluchzen als ich mich ihr nährte. Meinen Kopf drückte ich leicht an ihren und sagte mit ruhiger Stimme: „Hab ich was falsch gemacht?" Plötzlich hob sich ihr Kopf und ich blickte in ihre rot unterlaufenen und feuchten Augen. Ihr Mascara hielt weiterhin an ihren Wimpern fest. „Du lügst..." Sie wischte sich ganz vorsichtig die Tränen weg, um nichts zu verwischen. Was tat ich? Warum sollte ich lügen? „Du magst mich nicht..." Wieder wandte sie sich ab von mir. Ihre Arme blieben weiterhin verschränkt. „Was wie kommst du denn darauf?" Mir wurde ganz schlecht bei der Sache. Ich bekam so ein ungutes Kribbeln im Bauch. Und so allmählich lief mir der Schweiß von der Stirn. „Dann sag's mir ins Gesicht, dass du mich magst." Jetzt stachen ihre blaugrauen Augen richtig hervor und durchbohrten mich richtig. Sie machte mich mit ihrem Anblick ziemlich nervös. Scheiße, ich kann das nicht. Ich kratzte mich im Nacken und schaute auf die dunkelrote Couch. Wieso fiel es mir so verdammt schwer ihr zu sagen, dass ich sie mag? Meinen ganzen Mut nahm ich zusammen, um mit ihr Blickkontakt zu halten, während ich leise flüsterte: „Ich mag dich, Carmen..." Dabei strich ich sanft über ihr Bein, dessen Knöchel verstaucht war. Ich bemerkte die Gänsehaut, die sie bekam und das leichte Lächeln, dass sich auf ihren Lippen bildete. „Sorry, es fiel mir nur so...ach irgendwie war es so schwer...ich konnte dich nicht dabei ansehen..."

Hoffentlich verstand sie mich nicht falsch. „Tut mir leid...du hast selber gesagt, dass wir beide normale Menschen sind." Tief durchatmen, Basti. Verzweifelt versuchte ich mich weiter zu erklären und schüttete ihr dabei auch mein Herz aus. Jedenfalls redete ich über meine ganzen Gedanken, die mir zu dem Thema durch den Kopf gingen. „Ich hab ständig so eine Blockade in meinem Kopf, die mir sagt ‚Halt stop, sie ist ein Fan!' und du darfst nichts weiter mit ihr anfangen." Mein Herz begann schneller zu schlagen. Ich musste nach meinem Rotweinglas greifen und etwas trinken. Ob ich schon betrunken war? Höchstwahrscheinlich. Eigentlich überschritt ich immer meine Grenze. Carmen schaute mich die ganze Zeit über einfach weiter an. „Anscheinend habe ich wohl Angst davor Gefühle für eine von euch zu entwickeln...weil ich...ach ich weiß einfach nicht..." Ihre Hand näherte sich meinem Arm und strich darüber. „Du hast Angst vor den Reaktionen, wenn du was mit einem Fan anfängst. Angst davor wie die anderen Fans reagieren." Ich musste wieder mal schwer schlucken und nickte dabei. Ihre Augen wurden ein weiteres Mal feucht. „Du...ich konnte die ganzen Jahre über keine Gefühle zulassen wegen meiner Schwester. Ich hab immer die große tapfere Schwester gespielt." Dann kamen ihr die Tränen. Ganz still und stumm liefen sie über ihre Wangen. „Ich...ich musste doch stark sein...für meine Schwester und für meine Mutter. Aber ich habe vor allem in meiner Therapie gelernt, dass man Gefühle zulassen sollte..." Sie wischte sich die Tränen erneut weg. „Sonst fressen sie dich nur auf." Ich konnte nicht anders, also nahm ich Carmen ganz liebevoll in den Arm und küsste sie zärtlich auf die Wange. „Ja, du hast recht..." Meine Fingerspitzen glitten durch ihr schulterlanges Haar. „Ich hab wohl einfach Angst davor, dass ich mich in dich verlieben könnte..." Bevor sie etwas erwidern konnte, schaute ich ihr tief in die Augen. Vorsichtig strich ich über ihre Wange. Sie war so schön und doch voller Selbstzweifel. Das wusste ich und das spürte ich. Und dann lächelte sie mich ganz verlegen an. Ihr Gesicht wurde leicht rot und sie hielt meine Hand fest, die ihre Wange gestreichelt hatte. Dann wollte ich mich ihr langsam nähern. Meine Augen wollte ich schließen. Doch sie unterbrach mich. „Wir sollten erstmal die Pizza essen bevor sie noch kalt wird." Verdammt...was war das? Wollte ich sie gerade küssen? Wie gut, dass sie mich abgehalten hat. Reiß dich zusammen. Scheiß Alkohol. Zugegeben etwas traurig war ich trotzdem. Ach Carmen, irgendwie hast du mir schon ein wenig den Kopf verdreht. Obwohl wir uns schon so lange kennen, aber auf der anderen Seite sind wir uns doch so fremd.

Etwas peinlich berührt von der Situation lehnte sie sich dennoch an mich während wir die Pizza aßen. Sie hatte in der Zwischenzeit den Fernseher eingeschaltet. „Ach nur Scheiße im Fernsehen." Und schon öffnete sie Disney+. Ohne mich anzusehen fragte sie: „Such dir einen Film aus." Ich strich über ihren Arm und überlegte kurz. „Magst du High School Musical?" Sofort richtete sie sich auf und sah mich leicht entsetzte an. „Was ist das für ne Frage? Natürlich, ich liebe High School Musical und vor allem Zac Efron." Ihr Finger tippte ganz schnell auf der Fernbedienung und schon öffnete sie Teil 3. „Echt? Findest du den hübscher als mich?" Ich zwickte sie leicht in ihre Taille und sie zuckte zusammen. Mein Gesicht machte auf einmal Bekanntschaft mit einem ihrer Kissen. „Hör auf damit!" lachte sie. „Ihr seid beide wunderschöne Männer. Einer attraktiver als der andere." Sie zwinkerte mir kurz zu und lehnte sich dann wieder bei mir an. „Aber du bist meine Nummer Eins." Haha, Nummer 1. Erinnert mich an den Song, den wir damals mit Maite Kelly im Hotelzimmer geschrieben haben. Ich begann leise vor mich her zu singen, während Carmen den Film startete. „Du bist meine Nummer 1, Nummer 1. Schenk dir mein Herz, es ist deins, es ist deins. Ein heißer Kuss und ich weiß und ich weiß. Du bist meine Nummer 1, Nummer 1." Ihr Kopf hob sich in meine Richtung und sie musste seufzen. „Hach...ich liebe deine Stimme." Und ich liebe dich. Moment was? Ach egal, es fühlte sich alles so richtig an mit ihr und solange niemand davon wusste, war ich wunschlos glücklich und beruhigt. Vor allem beruhigt. Simon wird sich sicher auch schon seinen Teil denken.

Wir schafften es sogar die Flasche Rotwein zu leeren, die ich aus dem Kühlschrank geholt hatte. Der Nebeneffekt war, dass ich etwas müde wurde. Also fing ich an zu gähnen. Carmen sah mich mit großen Augen an. „Oh bist du müde?" Ich konnte gerade so noch nicken. „Willst du hier schlafen?" Hatte sie mich das gerade wirklich gefragt? Konnte ich das wirklich riskieren? Andererseits war ich so betrunken, dass ich sowieso nicht mehr sicher nach Hause kommen würde. Moment...ich bin mit meinem Auto da. Shit. Fahren könnte ich ja eh nicht mehr. „Ja, wenn du nichts dagegen hast." Sie fing etwas an zu lachen. „Als ob ich was dagegen hätte, wenn du neben mir im Bett liegst." Aus meiner Jogginghose griff ich nach meinem Smartphone und schrieb Simon bei WhatsApp: „Bro, ich schlaf heute bei Carmen (Nein, du stellst jetzt keine Fragen! Ich erzähle dir frühestens morgen alles!) Kannst du mir vielleicht noch ein paar Sachen vorbeibringen? Ich hab so ne kleine Trainingstasche in meinem Zimmer von Nike. Pack die Klamotten und meinen Kulturbeutel aus dem Bad da rein. Danke schon mal im Voraus." Und dann schickte ich noch meinen Standort hinterher, damit er auch zu Carmen finden würde. Wenige Minuten später stand Simon dann sogar schon vor der Tür. Natürlich hatte ich Carmen Bescheid gesagt, nicht dass sie noch in Panik geriet. Er stand schon mit einem breiten Grinsen vor der Tür. „Hier deine Sachen und benimm dich mein Lieber." Seine Faust boxte mich leicht in die Seite und wir verabschiedeten uns. Als ich die Tasche öffnete, entdeckte ich ein Kondom. Simon, du kleiner Pisser...ich hasse dich. Soweit würde ich sicher noch nicht gehen. Noch nicht. Haha, wenn nicht jetzt wann dann so nach dem Motto. Ich ließ mir von ihr das Schlafzimmer zeigen und stellte dort die Tasche hin. Dann legte ich mich wieder zu ihr auf die Couch. Die leeren Pizzaschachteln waren bereits zusammengestellt und der Film kam langsam zu seinem Ende. Und wir beide? Wir lagen Arm in Arm auf dem Sofa. Carmen lehnte auf meinem Oberkörper und ich strich über ihren Rücken. Ausgerechnet jetzt kam auch noch die Kuss-Szene zwischen Troy und Gabriella. Ich merkte, dass ich dabei rot anlief. Mir wurde plötzlich ein bisschen anders. In meinem tiefsten Inneren wünschte ich mir wohl sie auch so zu küssen. Aber wir hatten ja noch die Nacht vor uns.

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