Die Zeit verging schleppend. Basti wechselte seine Sitzposition alle zehn Minuten und ich musste mich öfter als nur einmal auf den Boden setzen. Gewalt über die Fernbedienung hatte Basti. Er hätte sie auch sicher nicht abgegeben. Davon war ich so überzeugt, dass ich es nicht einmal versuchte. Irgendwann wurde ich müde mich dauernd umsetzten zu müssen und da es auch schon recht dunkel draußen wurde, stand ich auf und machte mich so langsam für den Aufbruch fertig. "Wo gehst du den jetzt noch hin? Einkaufen? Kann ich mit?" Ich hatte vorhin kein Wort gesagt. Ich hatte nicht erwähnt, dass seine Mutter die Tür nicht geöffnet hatte. "Ich gehe nicht einkaufen. Ich muss nochmal zu deiner Mutter. Sie hat heute Mittag nicht aufgemacht."
Basti seufzte. "Ich möchte trotzdem mitkommen. Ich kann mich ja in der Nähe verstecken und auf dich warten." Eigentlich keine so schlechte Idee. Vor allem, da ich nicht alleine gehen wollte. "Gut. Dann zieh dir aber eine Jacke an." Ich wartete kurz auf ihn und dann gingen wir die nächtlichen Straßen entlang.
Schon von weitem erkannten wir Blaulicht und Polizeiwagen. Eigentlich war ich nicht so eine Person, die immer an das Schlimmste dachte, aber gerade dachte ich an das Schlimmste. Das irgendwas mit Frau Merte passiert war. Das sie womöglich nicht mehr lebte. Ich schaute zu Basti. Er starrte geradeaus. Vermutlich dachte er auch, dass etwas mit seiner Mutter passiert war. Bevor ich ihn auch nur ansatzweise aufhalten konnte, rannte er näher zu der Stelle an der die Polizeiwagen und Feuerwehrautos standen. Ich folgte ihm so schnell ich konnte. Als wir näher dran waren erkannten wir auch was geschehen war. Von Mertes Haus stiegen Rauchwolken auf. Es muss gebrannt haben. Ein Polizist kam auf uns zu. "Bitte stehen sie den Feuerwehrleuten nicht im Weg." Dann wendete er sich an Basti. Vermutlich, weil er bemerkt hatte, dass Basti weinte. "Was hast du denn? Ist das dein Haus oder das Haus von einem deiner Freunde?"
Basti versuchte zu sprechen, aber aus seiner Kehle kam nur ein Schluchzen. Ich fing an für Basti zu sprechen. "Das ist sein Haus. War seine Mutter zu Hause als das passiert ist?" Der Beamte hatte diese Frage offenbar erwartet, denn er konnte mir sofort antworten. "Es war eine Person im Haus. Ob es jetzt ein Mann oder eine Frau war weiß ich nicht, aber die Person wurde vor ungefähr dreißig Minuten in ein Krankenhaus gebracht." Ich erkundigte mich noch schnell, in welches Krankenhaus sie gebracht wurde und machte mich dann mit Basti auf den Weg. Basti sagte kein einziges Wort. Ich hörte nur ab und zu noch Schluchzer aus seiner Richtung kommen.
Das Krankenhaus lag nicht weit entfernt, sodass wir in weniger als zehn Minuten dort ankamen. Die Dame an der Rezeption sagte mir, dass Frau Merte noch in einer Operation ist und wir frühestens in zwei Stunden zu ihr könnten. Wir mussten also warten. Ich setzte mich mit Basti in die Cafeteria und kaufte uns eine Kleinigkeit zum Essen. Die stille war beängstigend. Basti hatte bestimmt furchtbare Angst um seine Mutter. Und ich wusste nicht, wie ich ihn ablenken könnte.
Die Zeitschlich dahin. Mein Blick huschte gefühlt alle drei Minuten zu der Uhr überdem Kantinen Eingang. Ich musste mich selbst beruhigen. Wenn ichBasti helfen möchte musste ich mich erst Mal selber beruhigen.Irgendwann schaute ich nicht mehr auf die Uhr. Ich hatte michberuhigt, es hätte für mich sowieso nichts gebracht aufgeregt zusein. Es ist die Mutter von Basti, die operiert wird, die vielleichtstirbt. Was ist nur passiert? Ist es meine Schuld, weil ich Bastimitgenommen habe und sie nicht wusste wo ihr Sohn ist? Hatte sieAngst davor alleine zu sein? Ich könnte es verstehen. Ihr Mann istabgehauen und ihr Sohn wurde 'entführt'. Da würde ich auch glauben,dass mich das Leben hasst. Aber ich wäre nicht so dumm und würdealles beenden. Niemals würde ich so denken.
Eine Hand an meinerSchulter holte mich aus meinen Gedanken. "Sind Sie Herr Merte?".Ich schüttelte den Kopf und erklärte der Polizistin, dass ich RobinLecht heiße und auf Sebastian aufpasse. Sie nickt und spricht weiter"Also Frau Merte hat die OP überstanden. Sie liegt in einemkünstlichen Koma bis sich ihr Gesundheitszustand verbessert hat.Danach muss sie allerdings vorerst in eine Psychiatrie." Ichschaue Sie verständnislos an. Warum muss Frau Merte in einePsychiatrie? Die Polizistin hatte gemerkt, dass ich den Zusammenhang nicht verstand. "Wir haben herausgefunden, dass Frau Merte sich versuchthat umzubringen. In ihrem abgebrannten Haus haben wir einenAbschiedsbrief gefunden. Sie hatte sich Schlafmittel verabreicht."Ok das erklärte die Psychiatrie, aber wie ist dann der Brandentstanden? "Und der Brand? Wenn Frau Merte ihn nicht gelegt hat,wer dann?" Die Polizistin zuckte mit den Achseln. Sie wusste esauch noch nicht.
Ich schaute zu Basti. Er hatte vermutlich kein Wortvon der Unterhaltung mitbekommen, denn er war mit dem Kopf auf demTisch eingeschlafen. "Können wir zu ihr, auch wenn sie nichtwach ist?" Sie nickte, nannte uns ihre Zimmernummer undverabschiedete sich. Jetzt musste ich nur noch Basti wecken.Eigentlich wäre das gar nicht schwer, aber es kostete mich einiges an Überwindung, denn solange er schlief, würde er von der grausamen Realität verschont werden. Ich stand aufund ging um den Tisch herum. Ich stellte mich hinter seinen Stuhl undrüttelte vorsichtig an seinen Schultern. Er murrte ein bisschen,wachte dann aber auf. Verwirrt blickte er sich um. Dann schien ersich zu erinnern. Ich erkannte Traurigkeit in seinen noch leichtverschlafenen Augen. "Basti, wir können zu deiner Mutter. Sieliegt aber in einem künstlichen Koma und das wird noch eineWeile so sein." Er nickte nur und folgte mir dann zu dem Zimmer,indem Frau Merte lag.
Als ich die Tür öffnete, drängte sich Bastian mir vorbei in den Raum. Ich betrat ihn auch und trat näher an dasKrankenbett. Basti saß schon auf einem Stuhl neben dem Bett undhielt die Hand seiner Mutter. Ich wusste nicht so recht, wie ich michverhalten sollte, weshalb ich mich einfach neben Basti stellte. Eswar still im Raum bis auf das Piepen der Geräte und das leise Weinenvon Basti. Ihn schien es wirklich zu schmerzen seine Mutter so zusehen. Ich habe mich auch schrecklich gefühlt, als ich am Sterbebettmeiner Mutter saß. Ich wusste zwar das Krebs, wenn er nicht frühgenug erkannt wurde, zum Tod führte. Aber ich gab mir trotzdem dieSchuld. Vielleicht gab sich Basti auch die Schuld an dem, waspassiert ist. Wenn das so war musste ich ihn vom Gegenteil überzeugen.Sein Verschwinden war vielleicht ein Auslöser, aber ihn trifft keine Schuld.Wie kann ich ihm das nur erklären?
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Triff mich am Meer
Teen FictionRobin, ein 17 Jahre alter Jugendlicher, geht seinen Weg. Und um genug Geld zu haben arbeitet er zeitweise als Aufpasser für Frau Mertes Sohn. Durch das aufeinander treffen von ihren Leben wird so einiges ins Rollen gebracht. Wo ist Bastis Vater und...