Memory 1

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Das stete Summen von Stromaggregaten und die leisen Signaltöne, welche die Zentrifuge in regelmäßigen Abständen von sich gab, vermischten sich mit den wenigen Stimmen aus Nebenzimmern und Gängen und bildeten somit die mir vertraute Geräuschkulisse. Außer mir befand sich keine Menschenseele in Labor 5, doch ich wollte es nicht anders. Assistenten kosteten nur Zeit, Nerven und Geduld und das beste Arbeitsergebnis lieferte ich meist sowieso nur im Alleingang ab. Einzig das Sicherheitspersonal, das mir Tag für Tag seinen Routinebesuch abstattete, oder auch seltener Forschungsleiter Dr. Crown duldete ich in meinem Reich aus empfindlichsten Instrumenten und DNS-Proben. Nach sechs Jahren, die ich nun schon für die Smile-Corporation tätig war, stand mir der Luxus von ein wenig Einsamkeit aber auch zu, fand ich. Bewusst war mir dabei selbstverständlich, dass meine Forschungen ausschließlich der Waffenproduktion zugute kamen. Jedoch war das ein Umstand, wie er mir egaler gar nicht sein konnte. Neben einem nicht gerade schlecht bemessenen Gehalt, kostenloser Unterkunft und Verpflegung lockte dieser Job nämlich mit der Arbeit an fremden Lebensformen. Die Bereitwilligkeit, mit der ich damals mein sicheres Zuhause für eben jene Arbeit und das damit verbundene Leben auf einem kargen Planeten aufgegeben hatte, war bei vielen meiner Bekannten Auslöser für Unverständnis gewesen. Was mich aber ebenfalls nicht weiter gestört hatte. Es entlockte mir sogar ein eiskaltes Lächeln, wenn ich daran zurückdachte, wie sehr Shachi gejammert hatte, ich könne ihn und Pengu doch nicht einfach an der Universität zurücklassen und Aliens jagen gehen. Unbezahlbar ihre Gesichter, als sie gesehen hatten, dass ich es sehr wohl konnte. Ich war keine umgängliche oder gar besonders mitfühlende Person. Wissen war alles, was ich wollte. Solange ich an Informationen und Fakten kam, die ich niederschreiben, katalogisieren und analysieren konnte, bedeutete mir ein Leben nicht viel. Keinen Deut besser machte es die Tatsache, dass ich ganz genau wusste, was für ein Arschloch ich doch war, und auch das nur mit einem Schulterzucken abtat. Jeder hatte immerhin seine Probleme und musste alleine zusehen, wie er damit fertig wurde.

So auch ich, der ich gerade unter dem Plasmamikroskop beobachtete, was unterschiedlich hohe Dosen Ilexx-Gift mit den Blutzellen eines Gauoron anstellten. Die genügsamen Riesen waren mit Abstand die größten Lebewesen auf Punk Hazard und ernährten sich ausschließlich von einer speziellen Pflanzenart, die als Felsblöcke getarnt die unwirtlich eisigen Ebenen der sonnenabgewandten Seite des Planeten besiedelte. Die Regenerationskräfte der Gauoron waren enorm und das einzige, was sie innerhalb weniger Minuten zu Fall brachte, war das Gift der Ilexx. Es verursachte nicht nur vorübergehende Lähmungen, sondern zerstörte auch mehrere Gerinnungsfaktoren im Blut, wie ich aus erster Hand wusste. Schon mehrere Ilexx-Bisse hatte ich während meines Aufenthalts hier behandelt, mir einen eher oberflächlichen sogar selber zugezogen. Deswegen hatte ich eine sehr genaue Vorstellung davon, womit ich es zu tun hatte. Nicht jedoch begriff ich, warum das Gift selbst in geringen Mengen auf die Gauoron um so vieles fataler wirkte und sogar ihre Zellwände zerstörte.

Möglicherweise ist es ja nur ein einzelner Bestandteil, der diese Reaktionen hervorruft. Es könnte aber auch eben diese exakte Mischung sein.

Ich seufzte kaum hörbar, dann gab ich es auf, zuzusehen, wie der Giftcocktail die verschiedenen Blutkörperchen in eine undefinierbare Masse verwandelte. Sicher war ich mir, dass des Rätsels Lösung in der blaugrünen Farbe des Gauoron-Bluts zu finden war, doch noch fehlte mir der Beweis.

Ein rascher Blick auf die Uhr sagte mir, dass es halb elf Uhr morgens war – nach Erdzeitrechnung zumindest. Hier auf Punk Hazard gab es keine Tageszeiten. Zur Wahl standen nur eine von fortwährender Nacht bedeckte Eiswüste und eine zerklüftete Vulkanlandschaft, auf die unerbittlich die Sonne herab brannte. Das Forschungslabor der Smile-Corporation befand sich irgendwo auf dem schmalen Landstrich zwischen beiden Gebieten und um meinem Gehirn vorzugaukeln, dass es sich bei der dauerhaften Dämmerung draußen eigentlich um einen produktiven Vormittag handelte, musste ich schwere Geschütze auffahren.

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