Epilogue: Forging new Memories

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Meinem Scharfsinn und komplex gesponnenen Intrigen zum Dank war es mir möglich, jegliche Schuld von mir zu weisen, was die Flucht des Forschungsobjektes 11091 betraf. Ich plädierte auf dumme Zufälle und Missgeschicke und auch darauf, dass dieser Ilexx der wohl intelligenteste sein musste, den wir je gefangen genommen hatten. Meine Alibis hatte ich mir gut zurechtgelegt und somit blieb dem nachforschenden Detective nichts anderes übrig, als mich zurück zu meinen Forschungen zu schicken. Die Schadenfreude darüber erfüllte mich noch viele Wochen nach meiner Untersuchungshaft und löste eine derart boshafte Hochstimmung in mir aus, dass ich gewaltige Fortschritte zu verzeichnen hatte.

Dennoch fand ich während meiner Zeit in der Forschungsstation nie heraus, warum die Gauoron so empfindlich auf das Gift der Ilexx reagierten. Ebenso wie das Militär auf das präventive Gegengift verzichten musste, an dem ich gearbeitet hatte. Schlicht aus dem Grund, da ich nicht dazu kam, meine Forschungen fertigzustellen, bevor der größte Ilexx-Jagdtrupp über die Einrichtung herfiel, der bisher dokumentiert worden war.

Die Angreifer durchdrangen mühelos Schutzschilde, töteten auf ihren Wegen durch die Hallen und Gänge unzählige Soldaten und waren nicht einmal mit Plasmawaffen aufzuhalten. Seltsamerweise hatten sie einen Weg gefunden, diese rasch und effektiv zu demolieren. Die Panik, die sich während des Ganzen im Gebäude ausgebreitet hatte, prallte einfach an mir ab und nach fünf Minuten des Abwägens nahm ich schließlich mein Holoboard vom Schreibtisch und verließ zielstrebig Labor 5. Vorbei an kopflos davonstürmenden Wissenschaftlern und verbissen kämpfenden Soldaten trugen mich meine Füße, bis ich den Galeriegang erreichte, der über die eiserne Treppe hinab zu Gate B führte. Kampfgetümmel erstreckte sich über den gesamten Hangar hinweg; von überall her waren die Geräusche von abgefeuerten Lasergewehren, schreienden Menschen und wütend brüllenden Ilexx zu vernehmen. Mein Platz am Geländer verschaffte mir den nötigen Überblick, den ich brauchte, um inmitten der tosenden Schlacht eine große, rot leuchtende Gestalt auszumachen. Kid war ohne jeden Zweifel der Alpha, den ich in ihm stets gesehen hatte. Er rief mit einem determinierten Ausdruck auf dem Gesicht Befehle in alle Richtungen und streckte seine Gegner nieder als wären sie lästige Fliegen. Für einen kurzen Moment trafen sich dabei unsere Blicke. Keiner von uns verzog eine Miene, doch für Kid war es Grund genug, sich mit vor Blut triefender Handklinge und peitschendem Schwanz einen Weg zum Galeriegang und die Treppe hinauf zu bahnen. Kaum bei mir angelangt zog er mich auch schon grob an sich, um mir einfach einen Kuss auf den Mund zu drücken. Ich blieb gefasst, doch konnte ich nicht die Freude leugnen, die sich in mir ausbreitete. Immer noch war er faszinierend – todbringend und wunderschön zugleich. Mein Ilexx.

Dass er mich allerdings kurz darauf um die Mitte packte und einfach über seine Schulter warf, nahm ich ihm übel. Besonders, da er gleich im Anschluss seine Jäger zum Rückzug aufrief. Ich war der Grund des brutal ausgeführten Überfalls gewesen, erfuhr ich auf einem langen Sprint durch die Ebenen Punk Hazards. Kid hatte es wohl für angebracht gehalten, mich mit der gesamten Waffenstärke seines Stammes im Rücken zu entführen, nur weil er auf Informationen gestoßen war, die ich mir anhören sollte. Eine leichtsinnige wie auch jeglicher Eleganz entbehrende Operation. Als hätte ich es nicht selber deichseln können, klammheimlich zu verschwinden, um mich auf halbem Wege irgendwo in einem der kargen Täler mit den Ilexx zu treffen. So riskierte er nur, dass man die Forschungsstation zu einem Militärstützpunkt ausbaute und dann wäre es sein Stamm, der unter Angriffen zu leiden hatte. Doch Kid tat meine Bedenken mit einem belustigten Knurren ab. Offensichtlich glaubte er nicht daran, dass die auf diesem Planeten so fremden Menschen ihm ernsthaft gefährlich werden konnten.

Das Heer der Ilexx bremste ihr Tempo nicht, bis wir einen von einer felsigen Hügelkette umgebenen Talkessel erreicht hatten. Eine hell leuchtende Morgensonne brach sich auf dem rötlichen Gestein und gab den Blick auf geschäftiges Treiben frei. Kantige, massive Bauten waren in jede aufragende Felswand gehauen, manche davon ausgestattet mit Vordächern aus Gauoronleder und leichtem, hellgrauen Metall, andere mit blau leuchtendem Kristallglas und Goldornamenten geschmückt. Die Fenster waren winzig, um Wärme von außen abzuschirmen, und statt Türen hatte man schlichte Vorhänge angebracht. Die Jäger (inklusive mir, der ich immer noch über Kids Schulter hing) kletterten vorsichtig einen der steilen, schmalen Pfade hinab, die die einzigen Zugänge zu dem Tal zu sein schienen, und gaben mir somit die Möglichkeit, mich noch ein wenig mehr umzusehen. Trotz meiner reichlich unbequemen Lage hatte ich bereits wieder eifrig begonnen, mir Aufzeichnungen auf meinem Holoboard zu machen. Was die Kulturforscher zu ihrer Sicherheit bisher nur aus großer Distanz heraus hatten beobachten können, tat sich nun bereitwillig direkt vor mir auf: Ilexx, die an den Eingängen zum Tal Wache hielten. Ilexx, die Leder gerbten. Ilexx, die sich der Herstellung von Gebrauchsgegenständen und Waffen widmeten. Dazwischen Ilexx-Kinder, die miteinander spielten, sich balgten oder ihren Eltern bei der Arbeit halfen.

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