No more Memory

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Ich konnte nicht mehr länger warten. Bevor mich meine eigenen Erinnerungen davon abhielten, musste ich handeln. Der einzige Wert, den die Stunden in Big Reds Armen für mich haben durften, war der, dass sie mir die Erlaubnis eingebracht hatten, mir sein Gift zu holen. Noch gestern hatte ich ihm eine frische Probe abgezapft, während weitere in meinem Gefrierschrank lagerten. Ganz ohne ihn würde ich meine Forschungen fortführen können – ich brauchte ihn nicht.

Meine Hand griff nach dem kleinen Fläschchen Pentobarbital, welches mit einem Gummipfropfen verschlossen war. Gegen das Licht gehalten wurde schnell klar, dass sich nicht mehr viel Wirkstoff darin befand. Knapp würde er ausreichen, um einen Ilexx innerhalb von zehn Minuten sanft entschlafen zu lassen. Ich musste bei Gelegenheit das Mittel nachbestellen.

»Einen Gefallen hättest du mir wenigstens tun können«, kam es mit Grabesstimme von Big Red, während ich die Hohlnadel der Spritze durch den Gummipfropfen stieß.

»Der da wäre?«

Hochkonzentriert zog ich die Flüssigkeit auf, die mit einem blauen Farbstoff versehen war, damit man etwaige Spritzer leicht erkennen konnte. Sie reichte wirklich nur knapp. Da ich jedoch festgestellt hatte, dass die Firma, von der wir Euthanasie-Mittel bezogen, ihre Dosierungsangaben einigermaßen großzügig bemessen hatte, befand ich es nicht für nötig, loszuziehen und bei meinen Kollegen schnorren zu gehen. Für mein Vorhaben war die Menge ausreichend.

»Du hättest den Kaffee weglassen können.«

Vorwurfsvoll sah Big Red mich an. Das erste Mal heute, dass er mir überhaupt den Kopf zuwandte. Nur flüchtig erwiderte ich seinen Blick, dann legte ich die Spritze zurück auf das Cellulosetuch und sagte schlicht: »Der war nötig.«

Ich zog den Hoverwagen näher zum Bett und ließ mich der Bequemlichkeit halber auf der Kante nieder. Big Red antwortete mit einem freudlosen Auflachen.

»Sogar kurz vor meinem Tod reibst du mir noch unter die Nase, dass ich absolut gar nichts gegen dich ausrichten kann. Du bist ein Monster, kleiner Scheißer. Ich hätte dich umbringen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«

»Ich wundere mich heute noch, warum du es nicht getan hast«, gab ich ehrlicherweise zu, nahm das Desinfektionsspray zur Hand und suchte am weichen Teil von Big Reds rechten Oberarm nach einer geeigneten Stelle für die Injektion.

»Nicht nur du«, knirschte der Ilexx, wobei er wütend in die andere Richtung sah. Ich ignorierte das, da ich gefunden hatte, wonach ich suchte. Großzügig bedeckte ich die weiße Hautpartie mit Desinfektionsmittel und wischte überschüssige Tropfen mit dem Tupfer fort. Danach stellte ich die Plastikflasche weg und krempelte die Ärmel meines Laborkittels nach oben. Den Tupfer in unmittelbarer Reichweite nahm ich die Spritze vom Tablett und hielt sie mit der Nadel nach oben, Mittel- und Zeigefinger auf den dafür vorgesehenen, abstehenden Plastikteilen. Ich übte ein wenig Druck mit dem Daumen auf ihr unteres Ende aus, bis ein kleiner Tropfen Flüssigkeit austrat. Prüfend überwachte ich diesen Vorgang. Jetzt war ich bereit, zu tun, was das Militär für notwendig erachtete.

Ich sah zu Big Red hinab. Immer noch starrte er mit finster zusammengezogenen Brauen die Wand an; hatte dabei sogar seine Arme auf der Brust verschränkt. Ganz so gebrochen wie er zunächst den Anschein gemacht hatte, war er wohl doch nicht. Anders hatte ich es von ihm aber auch nicht erwartet. Bis zum letzten Moment hatte ich es nicht geschafft, ihn zu zähmen – er war wild und frei geblieben, ein stolzer Krieger der Ebenen.

»Nun...«, sagte ich ohne einen einzigen Ausdruck im Gesicht, »Jetzt ist es zu spät, falsche Entscheidungen zu bereuen.«

Wütend fuhr Big Reds Kopf herum, dann durchbohrten mich seine gefährlich funkelnden Augen.

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