Memory 5

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Erwartungsvoll sah Baby 5 mich an. Mir war klar, dass sie auf eine Antwort wartete, doch für einen Moment hatte ich mich tatsächlich in meinen Erinnerungen verloren. Big Reds Feder blitzte strahlend rot vor meinem inneren Auge auf, wie sie langsam durch die Luft segelte. Immer und immer wieder. Als wäre es gestern gewesen. Würde ich sie mir heute letzten Endes doch holen?

»Law? Alles in Ordnung?«

Ich blinzelte, dann erwiderte ich nüchtern Baby 5s Blick.

»Ja....«, ein letztes Mal taumelte die Feder durch meine Gedanken, »Ja, alles in Ordnung. Was wolltest du?«

Eine überflüssige Frage.

»Wissen, ob ich dir behilflich sein kann.«

»Also, um ehrlich zu sein...«

Eigentlich wollte ich meine routinemäßige Ablehnung aussprechen. Jedoch wurde mir just in diesem Moment bewusst, dass ich mir diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen durfte.

»...gibt es da tatsächlich etwas, was du für mich tun kannst«, fuhr ich fort, »Ich werde in ungefähr einer halben Stunde das Kryogenlabor für mich beanspruchen und möchte dort ungestört bleiben. Wenn du also den gesamten Trakt räumen lassen und nur mit meiner Schlüsselkarte zugänglich machen könntest, wäre das Hilfe genug.«

»Aber selbstverständlich! Wird sofort erledigt!«

Sie zog sich hinter die Glaswand zurück, hinterließ dabei eine dünne, weiße Rauchfahne und machte sich sogleich an ihren Schaltpulten zu schaffen. Als ich mich bereits zum Gehen abgewandt hatte, steckte sie allerdings ihren Kopf noch einmal aus dem ovalen Raum hervor.

»Law, was ist mit den Assistenten?«

Kurz hielt ich inne. Natürlich. Irgendjemand musste den schweren Ilexx auf einer Hoverliege aus der Zelle und durch die Gänge transportieren.

»Ich mache die Türen zum Kryogentrakt mit einem Einwegcode zugänglich«, beschloss ich kurzerhand, »Sobald sie ihn brauchen, sollen sie mich über den Telekommunikator in Labor 5 kontaktieren. Ich werde dort noch ein paar Dinge vorbereiten müssen.«

»Geht klar, Law! Freut mich, dir eine Hilfe zu sein!«

Stumm und ohne ein Wort des Danks ging ich weiter. Baby 5 war die beste Anlaufstelle, wenn man ein dringendes Anliegen hatte, doch auf die Dauer war sie mir zu anstrengend.

In den geräumigen Aufzug, der zum Sicherheitstor des Zellentrakts führte, schob ich meinen Hoverwagen hinein, unten angekommen wieder hinaus. Das Tor selbst öffnete sich nach dem Eintippen einiger Passwörter, dem Scannen meiner Schlüsselkarte und einer Netzhautüberprüfung. Ich schritt hindurch und fand mich in dem Gewirr aus Zellenblöcken wieder. Oft hatte ich diesen Weg schon zurückgelegt – manchmal einfach nur, weil ich einer Pflicht nachkommen musste, manchmal aufgeregt wie ein Kind an Weihnachten – doch noch nie war er mir so endlos lang erschienen. Es war, als realisiere ich erst jetzt nach und nach, was auf mich zukam. Big Red würde bereits in weniger als einer Stunde nicht mehr hier sein, aus meiner Welt verschwunden, unwiderruflich. Eine Schande, denn ich hatte durch ihn riesige Fortschritte in meinen Forschungen gemacht und gleichzeitig einen faszinierenden Gesprächspartner in ihm gefunden. Ein wenig vermissen würde ich ihn, das musste ich mir eingestehen, als ich vor der Tür von Zellenblock F8 Halt machte. Ich öffnete sie und holte im Inneren angelangt erst einmal eine Flasche mit Desinfektionsspray aus dem Terrarienraum. Diese stellte ich zu dem Tablett auf den Hoverwagen, danach zog ich ihn hinter mir her in den mit Zellen gesäumten Gang hinein.

Big Red lag auf dem Bett mit einem Handrücken auf seiner Stirn und starrte die Decke an, als ich mich mit meiner Schlüsselkarte dem digitalen Tastenpanel neben der Tür näherte. Sie öffnete sich und das letzte Mal erklang das Zischen von sich vermengenden Luftmassen. Wärme schlug mir entgegen und ich betrat mit meinem Wagen die Zelle.

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