Es war laut. Viel zu laut für seinen Geschmack. Nevio schaute vorsichtig hinter der Mauer hervor. Er konnte seine Kameraden schreien hören, ihre Stimmen wurden jedoch schon von denen der Gegner verschluckt. Sie waren in der Überzahl. Nevio sträubte sich, er war ein Feigling. Er sollte hinaus rennen und mit seinen Freunden dem Tod ins Auge sehen, doch er konnte nicht. Die Stimme in seinem Kopf sagte ihm, er solle sich in Sicherheit bringen, solange es noch ging. Langsam erhob Nevio sich vom Boden. Was er gerade tat, war Hochverrat und wurde mit dem Tod bestraft, das wusste er. Seine schweren Stiefel erzeugten bei jedem Schritt, den er tat, ein dumpfes Geräusch. Es beruhigte und verängstigte ihn zugleich. Was, wenn ihn jemand hörte? Was, wenn jemand sah, wie er sich aus dem Staub machte? Nevio, der unbesiegbare Soldat, fühlte sich klein und erbärmlich. Er hatte einen Kampf verloren, er wusste, was das bedeutete. Diesmal konnte er es nicht durch seinen Ruf und seine Position ändern, er musste untertauchen. Am besten so schnell wie möglich, denn die Späher schliefen nie.
Das Feld hinter Nevio wurde immer kleiner und die Schreie immer leiser. Seine Kameraden waren dort und starben, so wie seine Ehre. Unterbewusst beschleunigte er seine Schritte. Der Waldrand war schon in Sichtweite. Schneller. Er musste ihn erreichen. Kurz bevor er beim ersten Baum ankam, hörte er einen Schrei, der lauter war, als die anderen. Jemand rief seinen Namen. Mit sich selbst hadernd blieb Nevio stehen, er wusste, dass er sich nicht umdrehen durfte. Nach ein paar Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, tat er es doch. Er sah einen seiner besten Männer, Valentin, mitten am Schlachtfeld stehen. Valentin war der Jüngste ihrer Truppe, er war erst 16. Der Junge starrte ihm mit einer Mischung aus Entsetzten und Verachtung direkt in die Augen. Nevio konnte sehen, wie ein gegnerischer Soldat von hinten auf ihn zugerannt kam, er wollte schreien, seinen Kameraden irgendwie warnen, doch es war zu spät. Ein Messer wurde durch Valentins Brust gerammt und er fiel röchelnd zu Boden. Das erweckte Nevios Kampfgeist. Er war schon versucht, zurück zu den anderen zu laufen, als plötzlich ein Gegner den Kopf in seine Richtung drehte. Er zeigte mit dem Finger direkt auf ihn und rief einem anderen etwas zu. In Nevio kam wieder die Panik hoch, die er am Schlachtfeld gespürt hatte, und er rannte blindlings, ohne noch einmal anzuhalten, in den Wald.
DU LIEST GERADE
Gefährten
AdventureDas Schicksal ist unberechenbar und eigenwillig. Manchmal ist es grausam und nimmt uns das, was wir am meisten lieben. Es zerreißt Familien, Liebende und Freunde für immer und hinterlässt Narben. Doch manchmal führt es genau die Richtigen zusammen.