Von Tränen und vom Leben

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J: Weinst du manchmal?

A: Naja, jeder muss mal weinen.

J: Jungs weinen viel weniger als Mädchen. Wahrscheinlich weil sie denken das wäre nicht männlich.

A: Ich nicht. Ich mag es zu weinen. Ich mag das Gefühl, wenn du nicht länger an dich halten kannst und deine Gefühle aus dir herausbrechen. Ich mag den Geruch, den man beim Weinen riecht, den der eigenen Tränen, denn er erinnert mich an Geborgenheit. Ich mag die Wärme, die sich in deiner Stirn ausbreitet, als würde sie dich in eine warme Decke hüllen. Wenn ich weine, dann sehe ich in den Spiegel und mir kommt mein Gesicht so schön vor, so rein. Mir kommt die ganze Welt so vor. Einfach alles.
Ich würde dann am liebsten jeden den ich treffe umarmen und mir den Kühlschrank nochmal ansehen, die Sitzbank in der Küche und das Sofa, auf dem wir immer Fernsehen. Ich würde dann am liebsten nochmal in den Garten gehen, vielleicht in den neuen Pool und daran denken, wie viel Spaß ich hier in einem kleinen Planschbecken hatte, als ich ein Kind war.
Ich würde dann gerne mit einem Kumpel, L. Oder F., telefonieren und mal wieder seine Geschichten hören und mich mit ihm über irgendwas unterhalten und lachen. Ich würde dann gerne Erdbeeren aus dem Kühlschrank holen und essen, die so kalt so schön lecker schmecken. Aber ich würde mir nicht wünschen mit dem Weinen aufzuhören.
Wenn ich weine, dann sehe ich die Welt nicht mehr so selbstverständlich. Dann bin ich dankbar, für alles, für die großen Dinge und die Kleinigkeiten. Dann will ich den Hund streicheln, mitten in der Nacht, wenn ich sie beim Schlafen störe und ihr sagen wie sehr ich sie doch liebe. Aber dann wird mir klar, dass ich es ihr täglich sage, beim Streicheln oder Spazieren gehen. Nicht mit Worten, aber so, dass sie es versteht, so dass es wirklich zählt.
Ich glaube, wenn ich weine, dann sehe ich die Welt ein Stück mehr mit den Augen eines Hundes: einfacher, roher und schöner. Dann brauche ich keine teuren Sachen oder Technik oder Geld. In einer Wasserflasche, in einer Erdbeere, in einem Sofa oder in einer Sternschnuppe: da sehe ich die Schönheit des Lebens. Und fühle nichts als Dankbarkeit, und diese Dankbarkeit... das ist die Liebe, die wahre Liebe im Leben...
Ich weine viel zu selten, aber wenn ich es tue, dann sehe ich Glück, dann sehe ich wieder Farbe. Es zerstört und heilt mich zugleich, es umfließt und durchströmt mich, es leert und füllt mich zugleich. Es ist das Leben, zu dem ich dann "Ja" sage.
Und wenn ich dann schlafen gehe und so gut schlafen kann, weil die Hormone und die Tränen das begünstigt haben, dann finde ich Frieden.

J:......

Gespräche mit JennyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt