Gespräche mit Jenny

Gewitter

A: Ist das da hinten das Schlafzimmer deiner Eltern, das mit den grünen Vorhängen?

J: Aquamarin.

A: Was?

J: Ach die Vorhänge sind Aquamarin, ein dunkles Aquamarin. Die haben so lange gebraucht sich die auszusuchen, unglaublich.

...

J: Aber ja, das ist ihr Schlafzimmer. Als ich noch ein Kind war kam ich oft nachts zu ihnen, wenn ich Angst hatte.

A: Vor was hattest du denn Angst, kann ich mir kaum vorstellen (?)

J: Vor dem Donner. Und dem Blitz.

A: Du meinst Unwetter?

J: Ja Gewitter. Ich lag in meinem kleinen Hochbett, oben, und in meinem Kinderzimmer gab es ein Deckenfenster. Immer wenn es geregnet hat, dann sah ich direkt in den zerrissenen Himmel und die Regentropfen fielen den ganzen Weg aus den Wolken hinunter zu mir, aufgehalten von dieser unsichtbaren Wand.

A: Ich mag es, das Geräusch wenn es regnet. Ich finde das beruhigend.

J: Ich rede nicht vom Regen, sondern vom Sturm. Wenn es nachts blitzte, dann war die Welt draußen plötzlich hell. Es ist als würde man eine starke Taschenlampe in einen finsteren Keller leuchten und etwas aus dem Schutz des Schattens reißen.

A: Was denn? Was meinst du?

J: Das ist es ja, du weißt es nicht. Der Himmel bricht, plötzlich ist die Dunkelheit verschwunden. Wälder, Gassen und Wiesen werden hell. Und du siehst auf einmal das, was sich in der Dunkelheit verborgen hat. Die Finsternis ist etwas beruhigendes. Du kannst dich nicht vor dem fürchten was du nicht bemerkst. Aber stell dir vor, du gehst durch eine schwarze Gasse, kannst kaum die Hand vor deinem Gesicht sehen... Dann, ein heller Blitz... Und mit einem mal... Da bemerkst du die tausenden roten Augen um dich herum, die Gesichter, die Fratzen. Als würde man eine Tür zu einer Welt öffnen, die man lieber geschlossen lassen sollte.

A: Was siehst du in dem Moment, wenn der Blitz die Nacht erhellt?

J: Den Tod.