Glückliche Tage

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„Geh nicht so nah ans Feuer, Haley!"

„Nein, Mama. Ich passe schon auf. Keine Sorge. Ich röste nur meine Marshmallows", rief ich durch den Garten

„Alles gut, Süße. Machst du mir auch einen, bitte?

„Klar doch, Mami!"

Ich röstete ihr einen Marshmallow und brachte ihn zu ihr Sie strahlte und der Wind wehte sanft durch ihre blonden Haare. Sie sah so schön aus. „Dankeschön, mein Engel."

„Willst du auch einen, Papa?" Ich sah hinauf zu meinem Vater, der meine Mutter ansah, als hätte er noch nie etwas Schöneres gesehen. „Nein, alles gut. Danke dir", antwortete er und wendete seinen Blick zu mir.

Es klingelte an der Tür. Ich rannte los und öffnete die Tür. Vor mir standen meine Großeltern. „Alles Gute zum Geburtstag, meine Kleine", sagte meine Oma und nahm mich in die Arme. Mein Opa hatte ein Geschenk in der einen und einen Kuchen mit einer 7 als Kerze drauf in der anderen. „Alles Gute auch von mir. Ich würde dich auch gerne umarmen, aber deine Oma hat mich zum tragen verdonnert." Er lachte. „Aber das hier ist für dich."Er reichte mir das im rosa Geschenkpapier eingepackte Geschenk. „Dankeschön", sagte ich und riss das Geschenk voller Freude auf. Es war ein wunderschönes, leicht rosafarbiges Kleid mit kleinen, bunten Blumen drauf. Es war dasselbe, was meine Mutter immer trug, welches ich auch immer haben wollte. „Oh wie schön das ist. Danke, danke und nochmals danke." Ich freute mich so sehr. „Schön, dass es dir gefällt. Ich habe es dir extra selbst genäht. Ich habe den Stoff fast nicht mehr bekommen, aber Gott sei Dank hatte ich noch Reste von dem Kleid, was ich deiner Mutter vor vielen Jahren mal genäht hatte", erklärte meine Oma.

Ich wachte schlagartig auf. Ich war doch eingeschlafen. Es war 8 Uhr morgens. Es war ein gewöhnlicher Sommertag. Ich wachte auf dem Sofa auf. Dort legte ich mich letzte Nacht erschöpft hin, nachdem ich noch draußen war.

Meine Kleidung war noch durchnässt und ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Ich erinnerte mich an meinen Traum. Es war mein 7. Geburtstag. Ich erinnerte mich daran, wie ich sie vom Feuer aus beobachtete. Ich wollte immer so aussehen, wie sie. Diese schönen, blonden Locken und ihre strahlenden, grünen Augen. Aber dem war leider nicht so. Ich hatte zwar lockige Haare, aber sie waren braun, sowie Dad's und meine Augen waren eher braun-grün, anstatt ganz grün.

Dieses Kleid, was meine Mom immer trug, bekam ich, nachdem sie von uns ging. Ich trug es nie. Ich konnte es nicht einmal ansehen. Es hingen zu viele Erinnerungen dran. In ihrem Büro war ich seitdem auch nicht mehr. Dad verbrachte dort manchmal Stunden. Er hatte eine andere Art mit der Trauer umzugehen, als ich. Trotzdem waren wir immer füreinander da. Oder er nur für mich- Erneut überkam mich das Gefühl der Schuld. Die schönsten Erinnerungen in meinem Leben, machten mich nicht fröhlich., nein. Sie zerstörten mich innerlich. Nichts tat mir gerade mehr weh, als der Gedanke, dass es nie mehr wieder so schön sein würde. Ich fing an zu weinen. „Ich will das nicht! Ich will, dass das alles nur ein Traum ist!", rief ich und es hallte durch das ganze Haus. Das Haus war so riesig. Viel zu groß, für eine einzige Person. Doch das alles würde jetzt mir gehören. Sogar die Firma meines Vaters würde jetzt mir gehören. All das Geld. Einfach alles. Im selben Moment wurde mir ebenfalls klar, wie viel Arbeit jetzt auf mich zukommen würde. Noch immer schien alles nicht real zu sein. Der Tod meiner Mutter traf mich zwar auch echt hart, aber ich wusste damals immerhin, dass es passieren würde. Mein Vater jedoch schien bis zur letzten Sekunde so unendlich glücklich. Wie gerne ich auch genau diese Erinnerungen an ihn haben würde, doch nein. In meinem Kopf waren nur die letzten Bilder, als ich ihn da fand. Auf dem Boden des Badezimmers liegend. Umgeben von Blut. Ich würde diesen Anblick nie vergessen können. Egal wie sehr ich es versuchen würde. Mir wurde eiskalt, was wahrscheinlich auch an meiner noch immer nassen Kleidung lag, also beschloss ich aufzustehen und mich umzuziehen. Ins Badezimmer schaute ich nicht mal rein. An fast alles Räumen ging ich nur noch vorbei. Wie sollte ich mich in diesem Haus je wieder wohlfühlen? Wie soll ich ohne Familie je wieder zu Hause sein? Es waren keine Zukunftsängste. Es war eher die Frage, wie es überhaupt eine Zukunft geben sollte. Nachdem ich mich umgezogen hatte klopfte es an der Tür. Alle Geräusche klangen so weit entfernt, weshalb ich das Klopfen erst gar nicht wahrnahm. Ich öffnete die Tür und da stand der beste Freund meines Vaters. In seinen Händen hielt er eine Tüte Brötchen und meinen Lieblingskaffe aus der Bäckerei. Wir begrüßten uns nicht wirklich. Es war nur ein Nicken. Ein Nicken, mit dem wir alles sagten, was es zu sagen gab. In uns beidem saß die Trauer. Sie saß ganz tief in unserem Herzen und reichte so weit, dass man sie in unseren Blicken erkennen konnte. Wir setzten uns in die Küche und er fing an das Frühstück vorzubereiten. „Ich wollte mal nach dir sehen und-" er beendete den Satz nicht und sah auf den Boden. Tränen stiegen in seine Augen, doch er sah wieder hoch und Lächelte. Er setzte dieses Lächeln auf, was mein Vater immer trug, als er wegen dem Tod meiner Mutter weinte, seine Trauer jedoch verstecken wollte. „Lass es raus", sagte ich. „Wir müssen unsere Trauer nicht verstecken. Wir müssen niemanden beweisen, dass wir stark sind. Stark sind wir, wenn wir das durchstehen und das können wir nicht, wenn wir so tun als wäre alles gut und uns selbst anlügen." Ich sagte dies so abweisend. So als hätte eine Stimme in meinem Kopf gesprochen. Als wäre es nicht ich gewesen. Ich fühlte noch immer keine Emotionen. Ich war so leer und diese Leere nahm alles ein. Es war leer, doch ließ keinen Platz für Gefühle. „Du hast recht", antwortete er und sofort stießen erneut Tränen in seine Augen, doch diesmal ließ er es raus. All den Schmerz, dem er in den letzten Stunden keinen Platz gab. Ich saß bloß daneben. Gefühlstod und vermutlich noch immer unter Schock. Ich konnte nicht trauern. "Es tut mir alles so unendlich leid. Ich hätte mich mehr um ihn sorgen müssen. Ich hätte ihn mehr Verständnis entgegen bringen müssen. Ich hätte ihm mehr unterstützen müssen. Ich hätte seine Familie mehr unterstützen sollen", brach es aus ihm heraus. "Welche Familie? Es bin nur ich." Er schaute mich an, als hätte er einen Geist gesehen. "Was ist los?", fragte ich und guckte hinunter, ob mein Oberteil vielleicht verrückt ist. "Wir...Wir müssen über was reden", sagte er zögernd und nippte an seinem Kaffee.  "Das müssen wir definitiv. Ich will wissen, warum er das getan hat und das können wir nur zusammen rausfinden", sagte ich völlig selbstverständlich. So als wäre nichts, dabei bekam ich selbst nicht einmal wirklich mit, dass ich redete. "Ich habe da vielleicht eine Ahnung", sagte er plötzlich zögernd. In diesem Moment widmete sich meine ganze Aufmerksamkeit auf ihn. Was könnte er wissen, was ich nicht weiß? Was würde mein Vater eher ihn erzählt haben, als mir? Er erzählte mir doch immer alles. Seine folgenden Worte reisten mich aus meinen Gedanken: "Es gibt viele Dinge, die du nicht weiß. Die Geschichte oder anders gesagt der Grund liegt weit in der Vergangenheit. Der ganze Druck, dem dein Vater wohl entflohen ist fing schon vor dem Tod deiner Mutter an." "Was sprichst du sehr geheimnisvoll? Was ist denn passiert? Was hat ihn zu so etwas getrieben?", fragte ich ihn ungeduldig und wurde immer lauter. Er schwieg. Ich wurde immer ungeduldiger. Plötzlich klingelte sein Handy. "Sorry ich muss los", sagte er und eilte los, ohne sich zu verabschieden. Da stand ich nun. Alleine und voller Fragen. Mit einem gedeckten Tisch, ohne Hunger zu haben. Es verging eine Stunde, in der ich bloß da saß. Was sollte ich auch anderes tun? Wofür sollte ich noch irgendetwas tun? Hat mein Leben überhaupt noch einen Sinn?

Nichts bedeutet so viel mehrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt