Kapitel 24

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„Er wartet in seinem Arbeitszimmer auf dich."

Ich nickte dem Mann, der mich an der Haustür abgeholt hatte, vor der Paul mich raus gelassen hatte, knapp zu. Dieser ließ daraufhin die Hand, mit der auf die Tür vor uns gedeutet hatte, sinken, ging wieder die Treppe hinunter und ließ mich allein. Allein vor dem Arbeitszimmer, in dem der Boss auf mich wartete. Vincent Goodwin, wenn West Recht hatte.

Ich schluckte schwer. Ich war mir nicht sicher, ob ich diese Tür wirklich öffnen und dem Boss begegnen wollte. Einerseits, weil ich in Gedanken immer noch halb bei Morris' Tod war und Angst hatte, bei dieser wichtigen Begegnung unkonzentriert zu sein. Bei dieser wichtigen, aber vor allem auch gefährlichen Begegnung. Das war der zweite Punkt, der mich zögern ließ.

Paul hatte mir nur gesagt, dass der Boss mich sprechen wollte, aber einen Grund hatte er mir nicht genannt. Und das machte mich ziemlich nervös, weil ich nicht einschätzen konnte, wie wahrscheinlich es war, dass der Boss Ethan einfach so zu sich rief. Wenn er wirklich diesen ganzen Menschenhandelsring kontrollierte, dann konnte es wohl nicht allzu unwahrscheinlich sein. Aber das Timing war es, das mir Bedenken bereitete. Der Boss verlangte mich ausgerechnet jetzt zu sprechen, so kurz nach Morris' Tod, so kurz nachdem einer seiner Geschäftspartner herausgefunden hatte, dass ich ein Spitzel war. Hatte er einen Verdacht? Hatte Morris vielleicht doch schon mit ihm geredet? Doch wieso hätte er dann vorgeben sollen, den Boss erst vom Club aus zu informieren?

Beruhig dich. Ja, das war eine gute Idee. Ich atmete tief durch. Ich würde herausfinden, warum der Boss mich sehen wollte, sobald ich diese Tür öffnete und ihm gegenübertrat. Und dafür musste ich gelassen sein – oder zumindest so wirken. Ethan hätte an meiner Stelle keine Angst. Ganz ruhig. Sei ein Gangsterboss.

Entschlossen straffte ich die Schultern und öffnete die Tür, bereit, einem echten Gangsterboss zu begegnen.

Sobald ich über die Türschwelle getreten war, blieb ich still stehen, um meine Nerven ein weiteres Mal zu beruhigen und mich zu sammeln. Und den Anblick zu verarbeiten, der sich mir bot.

Er sah aus wie ein unglaublich klischeehafter Mafia-Boss: Ein schon etwas älterer Herr in einem maßgeschneiderten, schwarzen Anzug von einem italienischen Designer, einem perfekt gebügelten weißen Hemd, das eng an seinem beleibten Körper anlag, aber noch nicht spannte, mit einer schwarzen Fliege und grau meliertem, zurück gegeeltem Haar, das sich im breiten, leicht geröteten Nacken zu winzigen Löckchen kräuselte. An den um ein Glas mit Whiskey geschlossenen Fingern seiner linken Hand funkelten zwei goldene Ringe; die rechte Hand lag auf der Armlehne des rotbraunen Ledersessels, in dem er sich mit aller Gelassenheit der Welt breit gemacht hatte.

Wäre das hier eine Szene aus einem Film und wäre ich in diesem Moment in der Sicherheit eines Kinosaals mit einem Becher Popcorn neben mir, dann hätte ich sein Auftreten vielleicht sogar witzig gefunden. So ein wandelnder Stereotyp. Aber da ich nun tatsächlich vor seinem Schreibtisch stand, brach mir der kalte Schweiß aus.

Er sah aus wie jemand, der mir mit der großkalibrigen Waffe, die vor ihm auf dem Tisch lag, ohne zu zögern den Kopf wegschießen würde, wenn ich nur einen falschen Ton von mir gab. Der mich töten würde, wenn ich mich auch nur das kleinste bisschen verdächtig verhielt. Was mich dementsprechend nervös machte.

Als seine dünnen Lippen sich zu einem Lächeln verzogen, bekam ich fast einen Herzinfarkt. „Ethan", meinte er mit einer dunklen, öligen Stimme und erhob sich langsam. „Du hast dich lange nicht mehr blicken lassen." Sein Tonfall war vertraut, er schien Ethan gut zu kennen. Gut gekannt zu haben. Was die Sache nicht gerade einfacher für mich machte.

Ich versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, und schob die Hände in die Taschen, in der Hoffnung, dabei entspannt und lässig zu wirken. „Ich hatte viel zu tun."

Becoming HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt