Kapitel 25

308 29 4
                                    

„Ah, da bist du ja wieder."

Ich hustete und schnappte nach Luft, weil mich gerade irgendjemand mithilfe eines Schwalls kalten Wassers aus meiner Bewusstlosigkeit gerissen hatte. Verdammt, wer war das gewesen? Was war hier überhaupt los? Ich hielt, immer noch schwer atmend, inne, als mir plötzlich klar wurde, dass ich mich nicht daran erinnern konnte, was passiert war. Jedenfalls nicht allzu genau.

Fieberhaft versuchte ich, mich zu erinnern, und langsam kam das Meiste wieder zurück: der Tod von Morris, meine Verabredung mit West, die ich abgesagt hatte, und zwar nach dem Treffen mit dem Boss, mit Goodwin, die anschließende Autofahrt mit Paul – ab da war alles weg. Weil Paul mich mit einem Schlag ins Gesicht ausgeknockt hatte. Warum? Ich versuchte, mich zu konzentrieren, aber mit der Erinnerung an den Schlag setzten auch die durch diesen verursachten Kopfschmerzen ein und ich musste mich schwer zusammenreißen, um in meinem dröhnenden Schädel noch halbwegs klare Gedanken fassen zu können. Ich kniff die Augen zusammen und analysierte meine Situation.

Offensichtlich saß ich nicht mehr in Pauls Auto. Nein, ich saß auf einem Stuhl, einem Stuhl aus Holz und mit Armlehnen. Meine Füße standen auf irgendeinem kalten, harten Boden und froren. Wieso trug ich keine Schuhe mehr? Und was hatte es mit diesem Druck auf sich, dem Druck von etwas, das sich schmerzhaft in mein Handgelenk bohrte, als ich reflexartig die Hand zu meiner Schläfe führen wollte, um den Kopfschmerz wegzumassieren, der mein Denken vernebelte? Fühlte sich nach einem dünnen Plastikband an. Ein Kabelbinder? Offenbar. Meine Handgelenke waren tatsächlich mit Kabelbindern an den Armlehnen des Stuhls festgebunden. Sofort versuchte ich, mich zu befreien, zog an den Fesseln, aber es war vergeblich. Natürlich war es das. Denn es gab nur eine Erklärung dafür, dass ich hier war, mit hämmernden Kopfschmerzen und gefesselten Händen.

Ich öffnete die Augen und blickte hoch in Vincent Goodwins Gesicht. Er lächelte mich an und ich wusste genau, dass ich in Schwierigkeiten steckte. In großen Schwierigkeiten. Denn wenn er dafür verantwortlich war, dass ich hierher verschleppt worden war, dann hatte er mit Sicherheit auch dafür gesorgt, dass ich nicht in der Lage sein würde, meine Fesseln zu lösen. Es war also sinnlos, zu versuchen, mich loszureißen.

„Was soll das?", fragte ich, obwohl ich annahm, dass diese Frage mindestens genauso sinnlos war. Ich konnte mir denken, was das hier sollte. Ich war aufgeflogen und jetzt würde ich dafür bezahlen, gegen den Boss und seine Leute ermittelt zu haben. Höchstwahrscheinlich mit meinem Leben. Ich schluckte schwer. Ich wollte nicht sterben. „Macht mich los!"

Weder Goodwin noch einer der drei anderen Anwesenden in diesem Kellerraum machte Anstalten, meiner Aufforderung Folge zu leisten. Schräg hinter dem Boss erkannte ich Paul und einen der Bodyguards, die ich in Goodwins Haus gesehen hatte. Nahe der Tür lehnte Matt mit verschränkten Armen an einer Wand. Seine Brauen waren leicht zusammengezogen, aber er wirkte dadurch nicht verärgert, sondern eher ein bisschen... besorgt. Besorgt darüber, was als Nächstes passieren würde? Was mit mir passieren würde? Vielleicht könnte er mir helfen, vielleicht... Nein. Ich war nicht naiv genug, um darauf zu hoffen, nicht mehr.

„Ach, Ethan." Goodwin seufzte schwer und zog damit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Dass er mich Ethan nannte, irritierte mich ein wenig. Hatte er denn nicht schon längst herausgefunden, wer ich war, auf welchem Weg auch immer? Denn was sollte das hier, wenn er doch noch nichts von meiner richtigen Identität wusste? Hatte ich etwa doch noch eine Chance, ihm glaubhaft zu machen, dass ich tatsächlich Ethan war und nicht gegen ihn arbeitete?

Goodwin machte einen Schritt auf mich zu und ich zwang mich, nicht zurückzuzucken. Falls ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, doch noch nicht aufgeflogen zu sein, dann würde ich das jetzt nicht vermasseln. „Ich habe dir doch so viel gegeben." Ach ja? Mir fiel ein, dass ich mich bei dem Treffen mit ihm gefragt hatte, welche Rolle er in Ethans Leben gespielt hatte. Womöglich würde ich das nun erfahren.

Becoming HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt